Ulrike Gramann – »Meetchens Hochzeit«

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Anke Engelmann

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Autor

Anke Engelmann

Thüringer Literaturrat e.V. / Erstdruck in: Thüringische Landeszeitung, 11.2.2021.

Vom unge­ra­te­nen »Meet­chen« und der Kraft der »Häxen«

In »Meet­chens Hoch­zeit« erzählt die in Gera gebo­rene Ulrike Gra­mann von weib­li­cher Stärke und Solidarität


Von Anke Engelmann

»Die Tür zur Welt stand offen, ich ging nicht hin­durch«. In der Erzäh­lung »Meet­chens Hoch­zeit« gibt die Lite­ra­tur der Erzäh­le­rin Kraft, sich alten Ver­let­zun­gen zu stel­len. In einem Text aus dem 15. Jahr­hun­dert ent­deckt sie, »in der die Ver­gan­gen­heit bohrt«, die Geschichte von Meet­chen. Von Gewalt gegen Frauen han­delt sie und von Zorn, von weib­li­cher Stärke und Solidarität.

Ulrike Gra­mann hat das sper­rige mit­tel­hoch­deut­sche Epos »Der Ring« von Hein­rich Wit­ten­wi­ler auf die Ereig­nisse um die Bau­ern­toch­ter Meet­chen und ihre Lie­bes­ge­schichte mit Bert­schi redu­ziert. Meet­chen, das »unge­ra­tene Kind«. Die häss­lich ist, wie die Leute sagen, mit ihrem Zopf, der wie ein Mäu­se­schwänz­chen steht und nicht gol­den und dick her­ab­hängt. Die vom Vater geschla­gen und vom Arzt ver­ge­wal­tigt wird, als er ihr, die nicht lesen und schrei­ben kann, Bert­schis Lie­bes­brief vor­le­sen soll.

Die Geschichte ent­spinnt sich im Mär­chen­ton, klin­gend und manch­mal ein biss­chen rau­nend. Frau Märe kommt vor, Frau Venus sitzt hin­term Ohr, dem lin­ken, dem heid­ni­schen. Wie im Mär­chen sind die Namen der Per­so­nen und Orte typi­sie­rend: Meet­chen (»Mäd­chen«), der Schrei­ber, der Spiel­mann, die Kupp­le­rin Frau Laich­den­man und das Dorf Lap­pen­hau­sen »das die Welt ist«, die »unter­zu­ge­hen ver­spro­chen hatte«.

Denn eine Welt, in der Män­ner Frauen Gewalt antun, hat kei­nen Bestand. Wäh­rend Meet­chen und Bert­schi ihre Hoch­zeits­nacht aus­kos­ten, sau­fen die Bau­ern bis zur Besin­nungs­lo­sig­keit und machen sich über die Frauen aus dem Nach­bar­dorf her. Und weil die Män­ner aus Nis­sin­gen nicht ein­grei­fen, denn ein Weib ist die gebo­rene Sün­de­rin und selbst schuld, über­neh­men am Mor­gen die »Häxen«. Sie ver­sor­gen die Ver­letz­ten mit Medi­zin und mit Waf­fen. Der Zorn der Frauen ent­facht einen Krieg, der die alte Welt ver­nich­tet, »und auch das ärmste Mäd­chen hilft sich sel­ber, sobald sie das Bei­spiel einer Häxe erkennt.«

Das Buch ist ein Fest für die Sinne: Die zar­ten Gra­fi­ken von Gud­run Ten­dra­fi­lov strah­len eine dunkle Kraft und Ener­gie aus. Papier, Schrift, Satz und sogar der Geruch: Alles stimmt. Ein wun­der­ba­res Buch, anspre­chend und gut gemacht. Eines, das berührt und das man gern berührt. Eines, das man einer guten Freun­din schen­ken möchte.

 

  • Ulrike Gra­mann: Meet­chens Hoch­zeit. Mit Zeich­nun­gen von Gud­run Ten­dra­fi­lov. edi­tion petit/ Ver­lag Schu­macher­Ge­b­ler, Dres­den 2020, 80 Sei­ten, 16 Euro.
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