Hans Fallada in Rudolstadt
5 : Krankenhaus und Ermittlungen

Person

Hans Fallada

Ort

Rudolstadt

Thema

Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution

Autor

Daniel Börner

Thüringer Literaturrat e.V.

Nach dem Duell mit töd­li­chem Aus­gang wird der ver­letzte Gym­na­si­ast Rudolf Dit­zen zunächst im Eich­fel­der Gast­haus Stock­mann behan­delt, spä­ter im Rudol­städ­ter Landeskrankenhaus.

Das spek­ta­ku­läre Sche­in­du­ell wird in den Fol­ge­ta­gen als »Gym­na­si­as­ten­tra­gö­die auf dem Uhu­fel­sen« als Zei­tungs­mel­dung berühmt und berüch­tigt. Die Spe­ku­la­tio­nen über die Motive der Tat sind viel­fäl­tig: Dop­pel­selbst­mord, puber­täre Mut­probe, Schulängste, Tötung auf Ver­lan­gen, uner­wi­derte Liebe gekränk­ter Abitu­ri­en­ten oder Neur­asthe­nie, die patho­lo­gi­sche Ner­ven­schwä­che der moder­nen Zeit? Im soge­nann­ten »Ner­vö­sen Zeit­al­ter« deu­tete man die sich häu­fen­den Schü­ler­selbst­morde jun­ger Gym­na­si­as­ten nicht mehr nur als Ein­zel­fälle, son­dern erkannte darin ein mor­bi­des Kri­sen­phä­no­men der wil­hel­mi­ni­schen Gesell­schafts­ord­nung. Eine aktu­elle Frage bleibt uns erhalten:

Wes­halb möch­ten junge Men­schen sterben?

Der Fall ist auch ohne literar­his­to­ri­sche Nach­wir­kun­gen als Kapi­tel der Kri­mi­nal­ge­schichte hoch­in­ter­es­sant und bis heute reiz­voll: Wie ist das vor­ge­täuschte Duell juris­tisch zu wer­ten? War den bei­den Duel­lan­ten die jeweils unter­schied­li­che Waf­fen­wir­kung (ein Reichs­re­vol­ver gegen­über einem Tesching-Kurz­ge­wehr) bewusst? Wes­halb traf der schie­ßun­kun­dige Dit­zen den im Zie­len geüb­ten Offi­ziers­sohn von Necker und schoss jener womög­lich absichts­voll dane­ben? Han­delt es sich nicht um eine affek­tierte Hand­lung mit schreck­li­chem Aus­gang, son­dern viel­mehr um einen gefühls­kal­ten und geplan­ten Mord? Wel­che Anteil tra­gen schließ­lich Eltern und Leh­rer an der (vor­her­seh­ba­ren) Tragödie?

Das noch heute im Rudol­städ­ter Stadt­zen­trum befind­li­che Gerichts­ge­bäude (heute Amts­ge­richt) war Ort der Ermitt­lun­gen gegen den Unter­pri­ma­ner Dit­zen, der ein Jahr vor sei­nem Abitur stand. Der dama­lige Unter­su­chungs­rich­ter Maultzsch befragte über 40 Zeu­gen und strengte umfang­rei­che Unter­su­chun­gen an. Die Anklage sollte auf »Tötung im Zwei­kampf« lau­ten, der Pro­zess war bereit. Der Arzt und Psych­ia­ter Otto Bins­wan­ger über­mit­telte jedoch aus Jena, wo Dit­zen seit Mitte Novem­ber 1911 in Behand­lung war, nach Rudol­stadt ein aus­führ­li­ches Gut­ach­ten, dass im Kern argu­men­tierte, wonach sich Dit­zen bei Bege­hung der Tat in einem Zustand krank­haf­ter Stö­rung der Geis­tes­tä­tig­keit befand, durch wel­chen die freie Wil­lens­be­stim­mung aus­ge­schlos­sen war. Dia­gnose: § 51 des Straf­ge­setz­bu­ches; Zuer­ken­nung der Unzurechnungsfähigkeit.

 Hans Fallada in Rudolstadt:

  1. Gymnasiast und Leser
  2. Spuren und Fragmente in Rudolstadt
  3. Freundschaft und Tragödie
  4. Das Duell auf dem Uhufelsen
  5. Krankenhaus und Ermittlungen
  6. Die Akte Fallada
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