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Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution
Daniel Börner
Thüringer Literaturrat e.V.
Nach dem Duell mit tödlichem Ausgang wird der verletzte Gymnasiast Rudolf Ditzen zunächst im Eichfelder Gasthaus Stockmann behandelt, später im Rudolstädter Landeskrankenhaus.
Das spektakuläre Scheinduell wird in den Folgetagen als »Gymnasiastentragödie auf dem Uhufelsen« als Zeitungsmeldung berühmt und berüchtigt. Die Spekulationen über die Motive der Tat sind vielfältig: Doppelselbstmord, pubertäre Mutprobe, Schulängste, Tötung auf Verlangen, unerwiderte Liebe gekränkter Abiturienten oder Neurasthenie, die pathologische Nervenschwäche der modernen Zeit? Im sogenannten »Nervösen Zeitalter« deutete man die sich häufenden Schülerselbstmorde junger Gymnasiasten nicht mehr nur als Einzelfälle, sondern erkannte darin ein morbides Krisenphänomen der wilhelminischen Gesellschaftsordnung. Eine aktuelle Frage bleibt uns erhalten:
Weshalb möchten junge Menschen sterben?
Der Fall ist auch ohne literarhistorische Nachwirkungen als Kapitel der Kriminalgeschichte hochinteressant und bis heute reizvoll: Wie ist das vorgetäuschte Duell juristisch zu werten? War den beiden Duellanten die jeweils unterschiedliche Waffenwirkung (ein Reichsrevolver gegenüber einem Tesching-Kurzgewehr) bewusst? Weshalb traf der schießunkundige Ditzen den im Zielen geübten Offizierssohn von Necker und schoss jener womöglich absichtsvoll daneben? Handelt es sich nicht um eine affektierte Handlung mit schrecklichem Ausgang, sondern vielmehr um einen gefühlskalten und geplanten Mord? Welche Anteil tragen schließlich Eltern und Lehrer an der (vorhersehbaren) Tragödie?
Das noch heute im Rudolstädter Stadtzentrum befindliche Gerichtsgebäude (heute Amtsgericht) war Ort der Ermittlungen gegen den Unterprimaner Ditzen, der ein Jahr vor seinem Abitur stand. Der damalige Untersuchungsrichter Maultzsch befragte über 40 Zeugen und strengte umfangreiche Untersuchungen an. Die Anklage sollte auf »Tötung im Zweikampf« lauten, der Prozess war bereit. Der Arzt und Psychiater Otto Binswanger übermittelte jedoch aus Jena, wo Ditzen seit Mitte November 1911 in Behandlung war, nach Rudolstadt ein ausführliches Gutachten, dass im Kern argumentierte, wonach sich Ditzen bei Begehung der Tat in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand, durch welchen die freie Willensbestimmung ausgeschlossen war. Diagnose: § 51 des Strafgesetzbuches; Zuerkennung der Unzurechnungsfähigkeit.
Abb. 1-3: Historische Ansichtskarten / Abb. 4: Foto: Jens Kirsten.
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