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Jens-Fietje Dwars
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Vom Parkplatz Tautenburg gelangt man auf einem gut ausgeschilderten Weg den Schlossberg hinauf. Um 1970 wurde das Haus Nr. 30, das einstige Pfarrhaus von Tautenburg, abgerissen. Die Grundmauern sind noch erhalten, doch steht nun ein neues Gebäude darauf.
Hier nahm Lou von Salomé am 7. August 1882 Quartier. Wie kam es dazu?
In Rom hatte Nietzsche im Frühjahr 1882 bei Malwida von Meysenbug die 21jährige kennengelernt. Als Tochter eines russischen Generals hugenottischer Abstammung in Petersburg unter lauter Brüdern »männlich« erzogen, begann sie in Zürich Philosophie zu studieren, pausierte jedoch wegen einer Lungenkrankheit und reiste mit ihrer Mutter durch Europa.
Nietzsche glaubte, sie habe nur noch 6 Jahre zu leben, während er selbst jedes Jahr über sein 36. hinaus für ein Geschenk hielt, denn er hatte erwartet, wie sein Vater früh zu sterben.
Die Krankheit vereint sie, genauer gesagt: das Ja-Sagen zum Leben trotz Krankheit. Scharfsichtig sei Lou wie ein Adler, mutig wie ein Löwe und doch ein mädchenhaftes Kind, schreibt Nietzsche in seinen Briefen. Ohne Zweifel: der 38jährige ist verliebt. Doch dummerweise auch sein Freund Paul Rée. Beide trugen ihr die Ehe an. Denn sie wollten zu dritt ein gemeinsames Jahr in einer Großstadt verbringen: in Wien oder Paris.
Zuvor machen sie in Luzern noch ein Foto ihres Dreibunds: es zeigt Lou auf einem Leiterwagen sitzend, mit einer kleinen Peitsche in der Hand, während sie die beiden Männer vor ihren Karren spannt.
Vor der Entscheidung, wo sie leben wollen, fährt Lou zunächst mit Rée auf dessen Familiengut im ostpreußischen Stibbe und kommt im August nach Tautenburg, wo N. bereits seit dem 25. Juni an den Korrekturen seiner »Fröhlichen Wissenschaft« arbeitet und ihr schreibt, er wolle »wieder lernen, Mensch zu werden«, die Zeit seiner einsamen Südländerei sei vorbei, als »goldene Möglichkeit« erscheine ihm jetzt ein »Freund meines letzten Glücks und Leidens« – die Geliebte als seine Erlöserin.
Doch warum ausgerechnet dieses kleine Dorf bei Dornburg? Und warum das Pfarrhaus?
Hier lebte der Pfarrer Hermann Otto Stölten, der seit 1879 Tautenburg zu einer »Sommerfrische« entwickeln wollte. Tatsächlich kamen bald schon Gäste von Leipzig, Halle und selbst aus Berlin. Zu den ersten zählten die Pfarrerswitwe Franziska Nietzsche und deren Tochter Elisabeth. Stölten sollte Nietzsche ins Gewissen reden, ihn von seinen religionskritischen Gedanken abbringen, die, so glaubten Mutter und Schwester, ihm Rée eingepflanzt habe. Aber der Pfarrer war klug genug, den Philosophen nicht zu belästigen. Nur Lou von Salomé nahm am 7. August bei ihm Quartier. Und ebenso Elisabeth Nietzsche. Beide kamen von Bayreuth, wo sie zur Uraufführung des »Parsifal« weilten. Und so gab es bereits im Zug den ersten Krach: Lou habe ihren Bruder unter den Wagnerianern diffamiert, er wolle in wilder Ehe mit ihr leben, warf Elisabeth ihr vor. So steht das Treffen unter einem denkbar schlechten Stern.
Abb. 1: Atelier Jules Bonnet, 1882, Abb. 2: Autograph Nietzsches, Abb. 3: Carl König, 1882, Abb. 3: Aufnahme um 1882.
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