1861 Sankt Petersburg
1937 Göttingen
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Charlotte Krause
Lou Andreas-Salomé (* 12. Februar 1861 in St. Petersburg; † 5. Februar 1937 in Göttingen) war Schriftstellerin, Essayistin, Erzählerin und Psychoanalytikerin aus russisch-deutscher Familie. Bekanntheit erlangte sie vor allem durch ihre persönlichen Beziehungen zu Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke und Sigmund Freud (u. a.). Obwohl sie als renommierte Autorin an der Entwicklung der Positionen der Moderne um 1900 lebhaft mitgewirkt hatte, bleibt auffällig, dass ihr, vielleicht ungerechtfertigt, schriftstellerisches Werk fast gänzlich hinter den außergewöhnlichen Geschichten ihres Lebens verschwand.
Lou von Salomé wuchs als jüngstes von sechs Kindern in einer streng protestantischen und kulturell vielseitig interessierten Familie auf, in der neben Deutsch und Russisch auch Französisch gesprochen wurde. Trotz ihres Elternhauses trat von Salomé mit 16 Jahren aus der Kirche aus. Eine umfassende Bildung erlangte sie jedoch durch den holländischen Pastor Hendrik Gillot, der sie als seine Schülerin aufnahm und mit ihr philosophische, literarische und religiöse Themen besprach. Trotz eines Heiratsantrages, den der 25 Jahre ältere Pastor ihr machte, blieb sie mit ihm befreundet – wenn auch schockiert aufgrund der Avancen des verheirateten Mannes. Ähnliche Geschichten wiederholten sich im Laufe ihres Lebens. Nach dem Tod ihres Vaters zog Lou von Salomé mit ihrer Mutter 1880 nach Zürich. Dort nahm sie an der Züricher Universität, eine der ersten Universitäten, die auch Frauen aufnahm, an verschiedenen Veranstaltungen Teil, die die Fächer Religionswissenschaft, Logik, Metaphysik, Archäologie und Geschichte umschlossen. Aufgrund eines Lungenleidens zog sie mit ihrer Mutter 1882 nach Rom.
In Rom, wo sich ein Zirkel von Künstlern und Intellektuellen in der Tradition der Berliner Salons etabliert hatte, lernte sie den Philosoph Paul Rée und seinen Freund Friedrich Nietzsche kenne. Enge Beziehungen entwickelten sich, die durch zeitweilige Eifersüchteleien, unerwiderte Heiratsanträge und wiederholte Kündigungen der Freundschaft strapaziert wurden. Von Salomés und Nietzsches Wege trennten sich 1882 in Leipzig. Lou von Salomé und Paul Rée lebten drei Jahre lang freundschaftlich zusammen in Berlin und trennten sich 1885.
Ihre Heirat mit dem Orientalisten Friedrich Carl Andreas 1887 erwies sich als alles andere als konventionell. Auf sein Drängen und Bitten hin ließ sich von Salomé erweichen und nahm den Heiratsantrag an – stellte jedoch Bedingungen: Sie werde sich niemals bereitfinden, die Ehe sexuell zu vollziehen. Trotz dieser Konditionen, mehreren inoffiziellen Geliebten der nun Andreas-Salomé Heißenden und der Beziehung ihres Mannes zu ihrer Haushälterin Marie erwies sich die Ehe als relativ standhaft.
Ihre Beziehung zu dem 21-jährigen Rainer Maria Rilke, sie selbst war zu dem Zeitpunkt 36 Jahre alt, erwies sich als eine leidenschaftliche, dennoch unausgeglichene Liebschaft. Der junge, instabile Rilke geriet zunehmend in Abhängigkeit zu Lou Andreas-Salomé, was dieser natürlich nicht entging. Die Kontrolle über sich und die Situation behaltend, beendete sie die Beziehung in Form eines Abschiedsbriefes Februar 1901.
Sigmund Freud wurde zur entscheidenen Bezugsperson ihrer letzten 25 Lebensjahre. Die rein platonische Beziehung sorgte für von beiden Seiten hochgeschätzte Diskussionen. Er fand, sie sei die „Dichterin der Psychoanalyse“. Freud riet ihr zum Beruf der Psychoanalytikerin. Sie schrieb Aufsätze für die psychoanalytische Zeitschrift „Imago“ und war schon 1913 Gastrednerin beim Psychoanalytischen Kongress in Berlin. 1921 wurde sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung. In Königsberg, wo sie auf Wunsch Freuds hinzog, absolvierten fünf Ärzte bei ihr eine Lehranalyse, die sie selbst nie durchlaufen hatte.
Aufgrund einer Krebserkrankung starb Lou Andreas-Salomé am Abend des 5. Februars 1937 im Schlaf; sieben Jahre nach dem Tod ihres Mannes, dem sie im zunehmenden Alter, nach gegenseitigen Kränkungen und lang andauernder Sprachlosigkeit, wieder näher gekommen war.
Ein paar Tage nach ihrem Tod wurde ihre Bibliothek von der Göttinger Polizei auf Anordnung der Gestapo konfisziert und in den Keller des Rathauses gebracht. Als Begründung der Beschlagnahmung wurde angegeben, Lou Andreas-Salomé sei Psychoanalytikerin gewesen, sie habe eine »jüdische Wissenschaft« betrieben, sie sei Mitarbeiterin von Sigmund Freud gewesen und in ihrer Bibliothek fänden sich zahlreiche Werke jüdischer Autoren.
Foto 1: Atelier Elvira (Sophia Goudstikker, Anita Augspurg) / Foto 2: Anonym
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