Gespräche am Abgrund: Lou von Salomé fesselt Nietzsche
1 : Das einstige Pfarrhaus (Am Schlossberg 30)

Personen

Lou Andreas-Salomé

Friedrich Nietzsche

Ort

Tautenburg

Thema

Thüringen als Sommerfrische

Autor

Jens-Fietje Dwars

Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.

Vom Park­platz Tau­ten­burg gelangt man auf einem gut aus­ge­schil­der­ten Weg den Schloss­berg hin­auf. Um 1970 wurde das Haus Nr. 30, das eins­tige Pfarr­haus von Tau­ten­burg, abge­ris­sen. Die Grund­mau­ern sind noch erhal­ten, doch steht nun ein neues Gebäude darauf.

Hier nahm Lou von Salomé am 7. August 1882 Quar­tier. Wie kam es dazu?

In Rom hatte Nietz­sche im Früh­jahr 1882 bei Mal­wida von Mey­sen­bug die 21jährige ken­nen­ge­lernt. Als Toch­ter eines rus­si­schen Gene­rals huge­not­ti­scher Abstam­mung in Peters­burg unter lau­ter Brü­dern »männ­lich« erzo­gen, begann sie in Zürich Phi­lo­so­phie zu stu­die­ren, pau­sierte jedoch wegen einer Lun­gen­krank­heit und reiste mit ihrer Mut­ter durch Europa.

Nietz­sche glaubte, sie habe nur noch 6 Jahre zu leben, wäh­rend er selbst jedes Jahr über sein 36. hin­aus für ein Geschenk hielt, denn er hatte erwar­tet, wie sein Vater früh zu sterben.

Die Krank­heit ver­eint sie, genauer gesagt: das Ja-Sagen zum Leben trotz Krank­heit. Scharf­sich­tig sei Lou wie ein Adler, mutig wie ein Löwe und doch ein mäd­chen­haf­tes Kind, schreibt Nietz­sche in sei­nen Brie­fen. Ohne Zwei­fel: der 38jährige ist ver­liebt. Doch dum­mer­weise auch sein Freund Paul Rée. Beide tru­gen ihr die Ehe an. Denn sie woll­ten zu dritt ein gemein­sa­mes Jahr in einer Groß­stadt ver­brin­gen: in Wien oder Paris.

Zuvor machen sie  in Luzern noch ein Foto ihres Drei­bunds: es zeigt Lou auf einem Lei­ter­wa­gen sit­zend, mit einer klei­nen Peit­sche in der Hand, wäh­rend sie die bei­den Män­ner vor ihren Kar­ren spannt.

Vor der Ent­schei­dung, wo sie leben wol­len, fährt Lou zunächst mit Rée auf des­sen Fami­li­en­gut im ost­preu­ßi­schen Stibbe und kommt im August nach Tau­ten­burg, wo N. bereits seit dem 25. Juni an den Kor­rek­tu­ren sei­ner »Fröh­li­chen Wis­sen­schaft« arbei­tet und ihr schreibt, er wolle »wie­der ler­nen, Mensch zu wer­den«, die Zeit sei­ner ein­sa­men Süd­län­de­rei sei vor­bei, als »gol­dene Mög­lich­keit« erscheine ihm jetzt ein »Freund mei­nes letz­ten Glücks und Lei­dens« – die Geliebte als seine Erlöserin.

Doch warum aus­ge­rech­net die­ses kleine Dorf bei Dorn­burg? Und warum das Pfarrhaus?

Hier lebte der Pfar­rer Her­mann Otto Stöl­ten, der seit 1879 Tau­ten­burg zu einer »Som­mer­fri­sche« ent­wi­ckeln wollte. Tat­säch­lich kamen bald schon Gäste von Leip­zig, Halle und selbst aus Ber­lin. Zu den ers­ten zähl­ten die Pfar­rers­witwe Fran­ziska Nietz­sche und deren Toch­ter Eli­sa­beth. Stöl­ten sollte Nietz­sche ins Gewis­sen reden, ihn von sei­nen religions­kritischen Gedan­ken abbrin­gen, die, so glaub­ten Mut­ter und Schwes­ter, ihm Rée ein­ge­pflanzt habe. Aber der Pfar­rer war klug genug, den Phi­lo­so­phen nicht zu beläs­ti­gen. Nur Lou von Salomé nahm am 7. August bei ihm Quar­tier. Und ebenso Eli­sa­beth Nietz­sche. Beide kamen von Bay­reuth, wo sie zur Urauf­füh­rung des »Par­si­fal« weil­ten. Und so gab es bereits im Zug den ers­ten Krach: Lou habe ihren Bru­der unter den Wag­ne­ria­nern dif­fa­miert, er wolle in wil­der Ehe mit ihr leben, warf Eli­sa­beth ihr vor. So steht das Tref­fen unter einem denk­bar schlech­ten Stern.

 Gespräche am Abgrund: Lou von Salomé fesselt Nietzsche:

  1. Das einstige Pfarrhaus (Am Schlossberg 30)
  2. Das Nietzschehaus (Lindenstr. 50)
  3. Neue Kirche. Gott ist tot
  4. Die Nietzsche-Bank: Zwei Teufel am Abgrund
  5. Ehemalige Dorfschenke – Ausgang der Tragikomödie
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