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Karl Emil Franzos – »Paulinzelle«
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Jens Kirsten
Thüringer Literaturrat e.V. / Karl Emil Franzos: Aus Anhalt und Thüringen, Berlin 1903.
Der Schriftsteller Karl Emil Franzos (1848–1904), der hier stellvertretend für zahlreiche Besucher Paulinzellas stehen soll, schrieb in seinen Erinnerungen »Aus Anhalt und Thüringen« über Paulinzella.
Außer meinem Dichterpaar stieg noch ein großer Haufe Menschen aus, denn wer durch Thüringen kommt, hält hier an und bleibt von einem Zug zum andern; dagewesen sind sie dann, und gesehen haben sie’s in ihrer Art, und die meisten von ihnen würden nicht mehr sehen, wenn sie drei Wochen dort blieben; die Leute haben also recht. Aber auch ich schien mir nicht töricht, wenn ich den Troß den Dauerlauf auf der staubigen Straße antreten ließ und gemächlich hinterdrein ging. Ein Kirchhöflein liegt am Wege, klein und armselig; seit Jahrhunderten begraben die Dörfler dort ihre Toten, und es ist noch sehr viel Platz, denn Paulinzelle »Ort: Paulinzella, Bezirk: Stadtilm, Fürstentum: Schwarzburg-Rudolstadt«, hat nur »24 Häuser, 117 Seelen un etliches Viechzeug«, wie mir ein stattlicher Bauer sagte, der desselben Weges ging. »Vom Viechzeug«, fügte er bei, »wäre no mehr zu gebrauchen, aber Menschen sind grad genug« – es war eine individuell nicht unrichtige Meinung, denn er hatte »bis heut elf lebige Kinder, aber morgen sind’s zwölfe«. Ehrfürchtig besah ich mir den Mann, der ein Zehntel der gesamten Bevölkerung des Dorfs geleistet hatte, und fragte dann, wovon die Leute in Paulinzelle lebten. »Dieses«, erwiderte er mit jener halb ernsten, halb schalkhaften Lehrhaftigkeit, die man unter den Bauern dieses Gaus so häufig findet, »is verschieden. Der Herr Friedrich Schulze« – er deutete auf ein stattliches Haus abseit vom Wege – »lebt von dene Orgeln, die er bauet, das hochfürstliche Oberforstamt aus unserem Steuersäcklein, und wir andern, nor der Herr Menger nech, wir müssen so in Nödhen vom bißchen Acker und bißchen Viechzeug und einigem Torfstechen leben dhun. Früher«, fuhr er fort, »hat’s o (auch) no etwas Weinbau gegeben, aber das hat die Pol’zei verboten, denn die armen Essighändler, die wollen o leben.« Ja, sagte ich, schon Luther habe in ähnlichen Worten den Wein von Paulinzelle gerühmt. Worauf er: »Mit Verlaub, aber wenn Se solches wissen, denn sollten Se ›la‹ sagen, un nech ›le‹, Paulinzella. So steht’s im Kirchenbuch un o an der Statschon un is so richtig. Nämlich: erstens Paulina un zweitens Zella. Die Paulina, das war nu also so ’ne Gadohl’sche, da ist nichts weiter zu sagen. Aber Zella, das heißt Se in einer alten Sprache – ob’s nu lateinisch is oder römisch oder gar Klostersprache – ’ne Kirche. Paulinzella.«
Der 1916 in Kurken (b. Ostróda, Polen) geborene Kurt Bachor ergriff nach dem Besuch der Oberschule in Allenstein 1935 den Forstberuf. Danach studierte er Forstwirtschaft in Hannover-Münden. Nach 1945 war er dann Forstingenieur in Paulinzella, wo er 1990 starb. Er schrieb zahlreiche Bücher über Wald und Flur für Kinder und Erwachsene.
Ansichtskarte, vor 1945
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