Zum Tod des Schriftstellers Gerhard Wolf

Personen

Christa Wolf

Gerhard Wolf

Orte

Bad Frankenhausen

Schlotheim

Thema

Nachrufe & Gedenken

Autor

Jens Kirsten

Thüringer Literaturrat e.V.

Nach­ruf von Jens Kirsten

 

Am 7. Februar 2023 starb der Schrift­stel­ler, Her­aus­ge­ber und Ver­le­ger Ger­hard Wolf in Ber­lin. Gebo­ren 1928 im thü­rin­gi­schen Bad Fran­ken­hau­sen, wurde er im letz­ten Jahr des Zwei­ten Welt­kriegs mit 15 Jah­ren als Luft­waf­fen­hel­fer ein­ge­zo­gen. 1947, nach der Rei­fe­prü­fung ließ er sich als »Neu­leh­rer« für Bio­lo­gie aus­bil­den und begann im klei­nen Ort Schlot­heim (bei Mühl­hau­sen) zu arbeiten.

Diese Tätig­keit ermög­lichte es ihm, spä­ter Ger­ma­nis­tik und Geschichte in Jena zu stu­die­ren. Hier begeg­nete er 1949 der ein Jahr jün­ge­ren Christa Ihlen­feld, die aus Lands­berg an der Warthe stammte und durch die Kriegs­wir­ren mit 18 Jah­ren nach Bad Fran­ken­hau­sen gekom­men war, ohne dass beide sich dort ken­nen­ge­lernt hät­ten. 1951 hei­ra­te­ten Christa und Ger­hard Wolf in Bad Fran­ken­hau­sen und waren bis zum Tod von Christa Wolf 2011 sech­zig Jahre ein Ehe- und Künstlerpaar.

Die Jahre in Bad Fran­ken­hau­sen spiel­ten in ihren lite­ra­ri­schen Arbei­ten keine maß­geb­li­che Rolle, doch erleb­ten sie, jeder für sich, als Jugend­li­che prä­gende Jahre, in denen ihr poli­ti­sches Bewußt­sein reifte. Ger­hard Wolf wurde bereits 1946 Mit­glied der SED, um sich von sei­nem Vater und der natio­nal­so­zia­lis­tisch enga­gier­ten Stief­mut­ter zu distan­zie­ren, Christa Wolf 1949.

Beide setz­ten auf die Gestal­tung einer neuen mensch­li­chen Gesell­schaft. Ger­hard Wolf unter­brach sein Stu­dium für eine gut bezahlte Stelle beim Rund­funk in Leip­zig, um die junge Fami­lie über Was­ser zu hal­ten. Christa Wolf ging mit nach Leip­zig, stu­dierte bei Ernst Bloch und Hans Mayer und schloss ihr Stu­dium mit einer Arbeit über Hans Fal­lada bei Mayer ab. Ger­hard Wolf been­dete sein Stu­dium erst einige Jahre spä­ter in Ber­lin mit einer Arbeit über Louis Fürn­berg, die 1959 unter dem Titel »Der Mensch­heit Träu­mer und Sol­dat Louis Fürn­berg« erschien. 1961 folgte die Mono­gra­phie »Der Dich­ter Louis Fürn­berg«. Die Bücher über Fürn­berg, über Johan­nes Bob­row­ski, Fried­rich Höl­der­lin ste­hen neben Büchern über Maler wie Albert Ebert oder Elena Liess­ner-Blom­berg. Sie zei­gen, dass sich Ger­hard Wolf selbst nicht nur als Autor begriff, son­dern immer auch als Ver­mitt­ler und För­de­rer von Literatur.

Ab 1957 arbei­tete Wolf als Schrift­stel­ler, Essay­ist, Kri­ti­ker und Autor von Film­dreh­bü­chern sowie als Lek­tor im Mit­tel­deut­schen Ver­lag, wo er zahl­rei­che jün­gere Autorin­nen und Autoren för­derte und Bücher auf den Weg brachte. 1976 pro­tes­tierte er gegen die Aus­bür­ge­rung von Wolf Bier­mann und wurde dafür aus der SED aus­ge­schlos­sen. Mit Gün­ter de Bruyn gab er ab Mitte der 1980er Jahre die Reihe »Mär­ki­scher Dich­ter­gar­ten« her­aus, die wesent­lich zur Rezep­tion der Roman­tik in der DDR beitrug.

Sein Enga­ge­ment für die Frei­heit der Kunst und des Wor­tes zeigte sich nicht zuletzt in sei­nem Wir­ken als Her­aus­ge­ber der Reihe »Außer der Reihe« im Ber­li­ner Auf­bau-Ver­lag. Dich­te­rin­nen und Dich­ter wie Gabriele Stöt­zer, Ines Eck, Bert Papen­fuß-Gorek, Rein­hard Jirgl, Ste­fan Döring, Rai­ner Sched­lin­ski, Jan Fak­tor ver­dan­ken ihm sehr viel. Ohne sein Gespür für die Ver­än­de­rung der poli­ti­schen Land­schaft und sei­nen Mut hät­ten diese unan­ge­pass­ten Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­ler kaum einen eige­nen Band in der DDR erhal­ten. 1991 grün­dete er den Ver­lag Janus Press. Gemein­sam mit Christa Wolf ent­stan­den Bücher wie »Till Eulen­spie­gel« (1973), der Band »Ins Unge­bun­dene gehet eine Sehn­sucht. Gesprächs­raum Roman­tik« mit Prosa und Essays (1985) und »Unsere Freunde, die Maler« (1995). 2020 erschien im Auf­bau-Ver­lag sein letz­tes Buch »Her­zens­sa­che«, in dem er die Bilanz sei­nes Lebens und Schaf­fens zieht. Es ent­hält Por­träts zahl­rei­cher Autoren, denen er in der DDR und anderswo begegnete.

Meist ste­hen in Künst­ler­ehen die Män­ner im Vor­der­grund. Ein her­vor­ra­gende Eigen­schaft Ger­hard Wolfs war, dass er seine Frau in all den Jah­ren ihrer Ehe getra­gen und ihr den Frei­raum ermög­licht hat, eine Schrift­stel­le­rin von euro­päi­schem Rang zu wer­den. Wir trau­ern um den Schrift­stel­ler, den Lite­ra­tur­ver­mitt­ler und den Men­schen Ger­hard Wolf.

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