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Gerhard Schaumann
Gerhard Schaumann: Tautenburg bei Jena. Kulturgeschichte einer thüringischen Sommerfrische, quartus-Verlag, Bucha bei Jena 1999.
Ungefähr 2,5 Kilometer von Tautenburg entfernt ist auf der Hohen Lehde der sogenannte Serastein zu finden. Untrennbar von diesem Ort ist der Name des Jenaer Verlegers Eugen Diederichs. Für ihn war Tautenburg mit seinem Wald ein zentraler Ort, mit dem er sich über Jahrzehnte verbunden fühlte, Ort der Besinnung und des Aufbruchs, des Spiels und der Freude. Als Gast in Tautenburg hielt sich Eugen Diederichs im Juli und August 1908 bei Forstmeister Mihm auf. Er wohnte in der Alten Försterei, dem ältesten Haus Tautenburgs.
Diederichs hatte um sich einen Kreis junger Menschen versammelt, die nach Lebensalternativen suchten. Unter den Jungen war Eugen Diederichs Vater Diederichs, wie er liebevoll und verehrend genannt wurde. Seit 1904 traf man sich bei ihm in Jena zuerst zu geselligen Teeabenden, aus dem später der ›Serakreis‹ hervorging: Wir haben in Deutschland infolge der Jugendbewegung eine Volkstanzbewegung gehabt; es wissen nur wenige, daß sie ihren Ursprung von diesen Sonnenwendfesten auf der Hohen Leeden nahm…Auch mancherlei Aufführungen haben wir auf jener Bergeshöhe gegenüber Dornburg mitten im Walde gehabt, manch gute Musik und künstlerischen Tanz.
Diese Sonnenwendfeste waren Teil einer neuen Festkultur, die zu begründen Diederichs‘ Anliegen war. Die Studenten, ihre Freundinnen und Sympathisanten, trafen sich in Jena. Man fuhr auf Pferdewagen, in altdeutsch stilisierte Trachten gekleidet nach Dorndorf und stieg hinauf auf die Hohe Lehde. Das Programm war vielfältig: Wir haben es mit Märchenerzählen, Gedichtesprechen und Einzeltänzerinnen versucht, einmal auch mit halbnackten Ringkämpfern, die in langsamen Ringen Kraft und Bewegungsschönheit des männlichen Körpers dartun sollten.
1915, bereits durch die Wirkung des 1. Weltkrieges beeinflusst, hofft Diederichs: daß unser Kreis mit einer Gedenkfeier nach dem Krieg seinen Abschluß findet, und daß dieser Abschluß einen Punkt fordert wie jeder Satz. Wer dann vielleicht nach uns noch auf den Hohen Leeden tanzt, wird in diesem und jenem an uns anknüpfen, darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf, aber ich meine, das Pflanzen einer Linde erfordert eine Bezeichnung durch einen Gedenkstein.
Am 24. Juni 1919 trafen sich noch einmal die, die sich vor dem Krieg zusammengefunden hatten, um den Gedenkstein für die achtzehn im Krieg gebliebenen Freunde einzuweihen.
In unsere Spiele
brach der Krieg.
Ihr Edelsten seid
hingemäht als Opfer.
Wem? Wie wissen’s nicht.
Der Kranz des Fests
mit Kränzen nicht
des Siegs vertauscht.
Freunde im Grab, ihr seid
Statthalter unseres Todes.
Statthalter eurer Kraft
sind wir im Licht geblieben
und euer Wille wird in
unserm Bauwerk sein.
Abb.: Foto Jens Kirsten.
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