Tautenburg – Von der Sommerfrische zum Zufluchtsort
6 : Reinhard Johannes Sorge – Auf der Suche nach Stille und Natur

Person

Reinhard Johannes Sorge

Ort

Wohnhaus Reinhard Johannes Sorge

Thema

Thüringen als Sommerfrische

Autor

Gerhard Schaumann

Gerhard Schaumann: Tautenburg bei Jena. Kulturgeschichte einer thüringischen Sommerfrische, quartus-Verlag, Bucha bei Jena 1999.

Der Expres­sio­nist Rein­hard Johan­nes Sorge kommt als Nietz­sche-Anhän­ger nach Tau­ten­burg. Hier endete seine Nietz­sche-Nach­folge. Aus dem Sau­lus wurde ein Pau­lus. Ebenso rigo­ros und sen­dungs­be­wußt wie sein bibli­scher Vor­gän­ger wurde er ein mili­tan­ter Ver­fech­ter des christ­li­chen Dog­mas. Wenn auch nicht von dem Men­schen Nietz­sche, so doch von sei­nem Werk löste sich Sorge mit dem »Gericht über Zara­thus­tra«, das um Juni 1912 in Tau­ten­burg entstand.
Mit dem Drama »Der Bett­ler« (1912) ging Rein­hard Johan­nes Sorge in die Lite­ra­tur­ge­schichte ein. Es gilt als ers­tes Drama des deut­schen Expres­sio­nis­mus und wurde noch im glei­chen Jahr mit dem Kleist­preis aus­ge­zeich­net. Die Idee ist die Beru­fung des Dich­ters, der Glaube an seine welt­ver­än­dernde Sen­dung. Es ist der Kampf um ein Thea­ter, des­sen er bedarf, um sich der Welt zu verkünden.
Der Kleist­preis machte Sorge bekannt. Einer der füh­ren­den deut­schen Ver­le­ger, Samuel Fischer, schloß einen Ver­trag mit ihm. Dadurch wurde es mög­lich, wie seine Frau schrieb, »unse­ren Auf­ent­halts­ort frei zu wäh­len, und in der Ein­sam­keit von Tau­ten­burg wollte er sich in sein Got­tes-Erleb­nis ver­tie­fen, bis er mit ihm vor die Men­schen tre­ten könnte«. Nach­dem Rein­hard Sorge und Susanne Hen­de­werk, die er 1911 in Jena ken­nen­ge­lernt hatte, am 17. Februar 1913 Tau­ten­bur­ger Kir­che getraut wor­den waren, unter­nah­men sie eine Ita­li­en­reise, die zum Kleist­preis gehörte. In Tau­ten­burg nah­men sie Woh­nung im Vogel­grund (Haus Nr. 14). »So waren wir den Mai hin­durch ganz in der Stille. Der Stück­chen Gar­ten, das zu unse­ren Zim­mern gehörte, grub er sel­ber um und pflanzte es an; ein Stück­chen Erde ein­mal als eigen zu besit­zen, war sein Wunsch, der sich uns nie erfüllte«.
Für Sorge war Tau­ten­burg mehr als eine Som­mer­fri­sche. Es war der Ort einer tiefre­li­giö­sen Begeg­nung mit der Natur. Das Fazit sei­ner Wand­lung zog Sorge in der Dich­tung »Mut­ter der Him­mel. Ein Sang in zwölf Gesän­gen«. Die Erst­aus­gabe ver­weist auf Tau­ten­burg als Ent­ste­hungs­ort. Es war, um ein Wort Hein­rich Hei­nes zu para­phra­sie­ren, Sor­ges Entree­bil­let in die katho­li­sche Kir­che, die über­schwäng­li­che Kon­fes­sion eines Men­schen, der sich end­lich dort ange­kom­men wußte, wo er nach Umwe­gen und Irrun­gen ankom­men mußte. Am 17. Sep­tem­ber 1913 kon­ver­tierte Sorge in Jena mit sei­ner Frau zur römisch-katho­li­schen Kir­che. Von nun an ver­stand er sich nur noch als »Werk­zeug Got­tes«. In der lite­ra­ri­schen Welt blieb er ein Ein­zel­gän­ger, obwohl er im Laufe des Jah­res 1914 das Gespräch mit Rai­ner Maria Rilke und Ste­fan George suchte.
Sor­ges abso­lu­tes Auf­ge­hen im katho­li­schen Glau­ben führte ihn schließ­lich zu dem Ent­schluß, Mönch und Pries­ter zu wer­den. Ein vor­be­rei­ten­des Stu­dium in der Schweiz und Exer­zi­tien unter­brach der Krieg. Im Mai 1915 wurde er Sol­dat. Am 20 Juli 1916 erlag er bei Ablaincourt/Frankreich den Fol­gen einer Ver­wun­dung. Sein Drama »Der Bett­ler« wurde 1917 in Ber­lin an Max Rein­hardts Deut­schem Thea­ter uraufgeführt.

 Tautenburg – Von der Sommerfrische zum Zufluchtsort:

  1. »Herr Hahnemann, der Hahn muß weg!«
  2. Endlich ist sie da. Lou Andreas-Salomé und Nietzsche im Pfarrhaus.
  3. Das Treffen aus Sicht von Lou Andreas-Salomé
  4. Auf Einladung des Pfarrers hier – Joachim Ringelnatz und Helene Böhlau
  5. Die ›fröhliche Wissenschaft‹ im Wald
  6. Reinhard Johannes Sorge - Auf der Suche nach Stille und Natur
  7. Tautenburg als Oase der Ruhe im Krieg – Ricarda Huch
  8. James Krüss oder das Treffen der Helgoländer
  9. Exkurs: Ein Kult auf der Hohen Lehde – Eugen Diederichs und der ›Serakreis‹
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