Person
Ort
Thema
Stefan Petermann
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
17. Januar
Gespräche über den Aufmarsch der russischen Armee an der ukrainischen Grenze. Keiner erwartet einen Angriff oder ähnliches. Aber die hunderttausend Soldaten stehen dennoch dort, wozu, wenn nicht?
24. Januar
Ein Marinegeneral, der erklärt, dass Russland die Ukraine nicht angreifen werde und man Putin Respekt erweisen solle, tritt ab. Dabei spricht er mit seiner Aussage die offizielle Sprache; die Ukraine nicht zu unterstützen.
9. Februar
Putins Yacht, die seit September in einer Hamburger Werft überholt wurde, hat, so wird es geschrieben, überstürzt den Hafen verlassen und soll Kurs auf Kaliningrad genommen haben. Ein Hinweis?
12. Februar
Die Diskussion über einen möglichen Angriff Russlands auf die Ukraine ähnelt nun der Diskussion über Coronamaßnahmen, was Intensität der Diskussion angeht, auch Absolutheit der Meinungen. Die Krise in Osteuropa erhält einen eigenen Newsticker, so, wie es ihn für die Pandemie seit zwei Jahren gibt.
15. Februar
Die USA kündigte an, dass Putin gestern habe angreifen wollen. Er greift nicht an. Eine selbstzerstörende Prognose?
19. Februar
Weiterhin unwirklich, am Vorabend eines Krieges zu sein: Menschen werden evakuiert, Botschaften verlegt, Fluglinien setzen Flüge aus, Gefechte »flammen auf«. In der Summe eine eindeutige Dynamik, die Hoffnung, ein Irrtum.
22. Februar
Putin lässt seine Soldaten in die Ostukraine einmarschieren, wie eine vulgäre Tat aus einem anderen Jahrhundert. Und doch geschieht es. Niedergeschlagenheit, weil der Krieg unabwendbar schien und scheint. Die Puzzlestücke aus den letzten Monaten fallen zusammen. Dennoch fällt es schwer, das Unvermeidliche auszusprechen, das Schlimmste anzunehmen, weil es unvorstellbar scheint, Krieg in der Ukraine. Livegetickerter Determinismus, das Wegrutschen der Gegenwart in Echtzeit, die eigene Ohnmacht alle fünf Sekunden aktualisiert. Nun die Soldaten, die beschossenen Kraftwerke, ukrainische Mütter, die ihren Kindern Zettel auf die Kleidung heften, auf denen die Blutgruppe geschrieben steht.
24. Februar
Invasion der Ukraine. Panzer, Raketen, Landetrupps. Putin, der in einer Rede sagt: »Wer auch immer versucht, uns zu hindern … sollte wissen, dass Russlands Reaktion schnell sein und zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie gesehen haben.« Polen öffnet die Grenzen für die erwarteten flüchtenden Menschen, Ungarn schließt sie. Trump nennt Putin ein Genie. Bis Mittag Radio hören. Dann abschalten. Wieder einschalten, hören, schauen, klicken. Irreal ist ein Wort, das ich oft verwende, irre, unwirklich. Große Traurigkeit, weil klar ist, wie viel Leid aus diesem Tag entstehen wird. Noch eine Realität, die sich auftut, ein Abgrund.
25. Februar
Was für unzureichende Worte kann ich finden angesichts der Nachrichten aus der Ukraine – Häuserkampf in Kiew, selbstgebastelte Molotowcocktails gegen russische Panzer, Väter, die sich weinend von ihren Kindern verabschieden, 20.000 Maschinengewehre, die Zivilisten ausgehändigt werden, erhöhte Strahlungswerte im eroberten Tschernobyl, Metrostationen, in denen Menschen Zuflucht suchen, Raketensperrfeuer, Deutschland, das 5.000 Helme Richtung Osten schickt.
26. Februar
Nach dem Aufstehen zuerst prüfen, ob Kiew noch in den Händen der Ukraine ist. In einem Video fährt ein Ukrainer an einem liegengebliebenen russischen Panzer vorbei, ruft: Kann ich euch zurück nach Russland mitnehmen? Die russischen Soldaten lachen. Ähnliche Videos kursieren, ukrainische Traktoren, die russische Panzer abschleppen. Humor im Krieg, irritierend, auch tröstlich.
27. Februar
Auf dem Spielplatz spricht ein Vater am Smartphone lautstark über die Ukraine. Ich bin unangenehm berührt. Er sagt sein Wissen auf, ein ähnliches Wissen, wie das, über das ich verfüge, ein Mutmaßen, ein Nacherzählen von TikTok-Videos. Was der Vater sagt, sagt er mit Überzeugung. Dabei wissen wir alle nichts. Wir kennen Meldungen. Eine Meldung, dass Putin seine Atomwaffen in Bereitschaft versetzt haben soll. Am Nachmittag eine Rede des Kanzlers. 100 Mrd. für die Bundeswehr, nicht Geld allein, vor allem Symbol. Am späten Abend ein langes Telefonat, in dem wir die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges erörtern. Vollkommen irreal. Die letzten Tage haben einen wahnsinnigen Möglichkeitsraum eröffnet. Danach in der Arte-Mediathek die Serie Diener des Volkes sehen, in der Wolodymyr Selenskyj als Geschichtslehrer zum ukrainischen Präsidenten gewählt wird.
28. Februar
Lese in einem Text von Yuval Noah Harari: Gorbatschow habe die Russen und Ukrainer zu Geschwistern gemacht, Putin mache sie zu Feinden. Außerdem: Eine Nation werde nicht mit Panzern gebaut, sondern mit Geschichten. Welche Geschichten dringen durch zu mir? Geschichten vom ukrainischen Präsidenten mit Smartphone, Menschen, die sich Panzern in den Weg stellen, die »Russian warship, go fuck yourself«-Soldaten vor der Schlangeninsel. In deutschen Fernsehstudios moderiertes Sprechen über den Krieg. Als könnte man über Krieg sprechen.
1. März
Raketen auf den Freiheitsplatz in Charkiw, Selenskyj erklärt, dass später einmal alle Plätze in der Ukraine so heißen werden. In Kiew wird der Fernsehturm beschossen, Raketen fallen auf Babyn Jar, eine Holocaust-Gedenkstätte. Ein 60km langer russischer Militärkonvoi unterwegs Richtung Kiew. Ein russischer Dirigent mit engen Verbindungen zu Putin wird in München entlassen. Ein Restaurant verbietet Menschen mit russischem Pass den Zutritt. Ich schreibe nicht russischer Krieg, sondern Putins Krieg. Um die Bindung des Schrecklichen an ein Volk zu vermeiden. Doch wo beginnt Schuld? Was ist mit denen, die Putin gewählt haben? Die jetzt nicht auf die Straße gehen? Wie leicht ist das für mich zu sagen, wie wenig weiß ich über all das Bescheid?
Gespräche über die Friedensbewegung und die Wahrnehmung einer atomaren Bedrohung. Auch im Unterschied zu meiner Wahrnehmung, der ich bewusst als erstes politisches Ereignis den Mauerfall erlebte, eine Entspannung anstatt einer Zuspitzung. Ebenfalls Gespräche über die besondere Beziehung der DDR zur Sowjetunion und wie diese Zeit bei vielen bis heute den Blick auf Russland lenkt, wie schwer es sein kann, angesichts des von Russland begonnenen Krieges eine neue Bewertung vorzunehmen, die Erinnerungen, die Reisen, das Erlebte mit der Aggression, dem Krieg, dem Leid in Einklang zu bringen.
2. März
Videos von Ukrainerinnen, die die einzige Straße zu einem Atomkraftwerk vor russischen Panzern schützen. Das eingekesselte Mariupol. Das Video von dem sehr jungen russischen Soldaten, den Ukrainerinnen Tee geben und das Smartphone halten, damit er mit seiner Mutter sprechen kann. In Weimar wird der Sowjetische Friedhof für verstorbene Angehörige der Roten Armee mit den Farben der ukrainischen Fahne besprayt. Der unmittelbare Schock des Kriegsbeginns ist vorbei. Eine Art Gewöhnung tritt ein, Gewöhnung an die zerschossenen Häuser. Das Schreckliche ist geschehen, geschieht weiterhin, nun braucht es besonders Schreckliches, um aus dem Strom der Kriegsinformationen aufzuschrecken. Die Diskussionen, die hier geführt werden, haben weniger mit dem Krieg zu tun als mit den Folgen für »uns«. Die Takes sind: Jetzt kommen die guten Flüchtlinge. Wehrpflicht, pro/kontra. Nach sieben Tagen schon dieser Zustand.
3. März
Heute weniger Berichte von der Front (wie irreal weiterhin, von einer Front zu schreiben). Dafür Bilder von Geflüchteten; auf den Bahnhöfen stehen die Einheimischen mit Schildern, auf denen sie die Ankommenden einladen, ihnen ein Dach anbieten. Ebenfalls eine entgegengesetzte Bewegung. Männer, die Richtung Ukraine ziehen. Freiwillige machen sich auf den Weg in den Krieg. Es wird normal, Männer in Uniform zu sehen. Ist das die Zukunft, diese moralisch legitimierte Militarisierung? Den Pazifismus angesichts rollender Panzer notgedrungen und verzweifelt auszusetzen?
Mehr Blicke richten sich auf Russland. Eine Überlebende der Leningrader Blockade protestiert gegen den Krieg, wird festgenommen. Apple setzt den Verkauf seiner Produkte aus, ein Russe zerschlägt daraufhin in einem Video seinen iPad. Das Wort »Krieg« wird verboten, ersetzt werden soll es mit »Militärische Operation«. Militärische Operation und Frieden kursiert als Meme. Wer in Russland gegen den Krieg protestiert, dem drohen fünfzehn Jahre Haft. Macron, Präsident eines Landes, das bis 2020 Waffensysteme an Putin lieferte, spricht mit Putin, sagt hinterher: Das Schlimmste kommt erst noch.
4. März
Russische Soldaten beschießen das größte Atomkraftwerk Europas. Weiterhin das Feuer über Mariupol. Das Foto von 18jährigen ukrainischen Jungs, die nach drei Tagen »Training« in den Kampf geschickt werden, Gewehre über ihren Schultern. In Metrostationen bauen Kinder Pistolen aus LEGO. Bilder von Vätern, die ihre Kinder und Frauen zum Bahnhof bringen und in Zügen Richtung Westen verabschieden. Ein Vater steht mit einem Spielzeugkrankenwagen in der Hand, sein Sohn hat es ihm gegeben, es soll ihn heilen, wenn er verletzt wird. Das alles ist nicht zu ertragen. Ich flüchte in sogenannte geostrategische Betrachtungen des Krieges, versuche zu ergründen, wie Putin »tickt«, irgendwie rational zu sein.
5. März
Russische Kampfflieger, die bei freier Sicht in Wohnhäuser schießen. Putin, der mit Stewardessen spricht und dabei angeblich vor einem Greenscreen sitzen soll. Putin, der angeblich Moskau verlassen haben soll. Russen, die aus Russland fliehen, weil sie die Mobilmachung fürchten. Journalistinnen, die die Berichterstattung aus Russland aufgrund der neuen Gesetze abbrechen. Der ukrainische Präsident, der auf einer Leinwand übertragen vor 100.000 Menschen in Prag und Tiflis spricht. Belgrad, wo Pro-Putin demonstriert wird.
Heute in Weimar eine Demonstration gegen den Krieg, organisiert von Kindern. Viele Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz, das Laufen zum DNT. Viel Blau-Gelb, viele Friedenstauben. Es hat etwas Anrührendes und unendlich Trauriges, wenn Kinder Schilder hochhalten, auf denen steht »Frieden« oder »der böse Mann soll aufhören böse zu sein«. Weil es so einfach ist und zugleich nicht, naiv und nicht, hilflos und nicht, wichtig ist es und die Eltern haben die Worte aufgeschrieben und erklärt, es geht darum, unter vielen zu sein, die das Gleiche wollen, Frieden. Frieden wollen, immer, jeder, jede, gerade jetzt, was sonst. Und was noch? Reicht es, Frieden zu wollen? Wie erklärt man Krieg? Den Kindern? Sich selbst?
6. März
Familien erschossen bei der zugesicherten Flucht. Ein Foto, wie Flüchtende unter einer zerstörten Brücke bei Kiew gedrängt stehen, warten, dass sie in einer Feuerpause weiter gewunken werden. In Russland durchsuchen Polizisten Handys von Passanten. Z als russisches Symbol des Krieges, wie ein Hakenkreuz, Schwarzgekleidete mit dem Z, stampfend, wütend, die Gesichter hassverzerrt, krebskranke Kinder vor einem russischen Hospiz, die das Z in einer Menschenkette formen müssen. Was vollkommen untergegangen ist in den letzten Tagen: der verheerende Klimaschutzbericht der UN.
7. März
Ein ukrainisches Mädchen singt in einem Bunker Let it Go. Russische Soldaten beschießen eine Brotfabrik. Russland bietet Fluchtkorridore an, die nach Russland oder Weißrussland führen.
8. März
In Mariupol meldet die Stadtverwaltung, dass ein sechsjähriges Mädchen unter den Trümmern eines zerstörten Hauses verdurstet sei. Ein ukrainisches Blasquartett spielt vor einer Straßenbarrikade Don’t Worry Be Happy. Der Putin Pub in Jerusalem benennt sich um in Zelensky Pub. Der Patriarch der orthodoxen Kirche Russlands sagt, dass die Gay-Pride-Paraden in der Ukraine Grund für die Invasion seien. In Deutschland wird gewarnt, dass Gewalttäter die ankommenden Frauen und Kinder in ihre Wohnungen nehmen könnten.
Gespräch über die verminten Fluchtkorridore. Ist es möglich, dass die Ukrainer die Minen legten, bevor der Weg Fluchtweg wurde, um die Russen zu treffen? Oder die Russen verminten, um Zivilisten zu töten? Was ist geschehen, wie ist es geschehen, was ist Versehen, was Missverständnis, was zielgerichtete Desinformation? Ich lese hauptsächlich von der ukrainischen Seite, sehe dort die Bilder der zerstörten russischen Panzer, die gefeierten Erfolge, die Traktoren, die Armeefahrzeuge abschleppen. Das ist, was ich sehen möchte. Was auch sonst? Wieso sollte mich die russische Seite interessieren? Wieso sollte ich objektiv sein wollen? Objektiv? Wie soll das möglich sein? Objektiv ist: Putin greift die Ukraine an. Alles, was in diesem Krieg geschieht, ist Folge dieser Tat. Das ist der einzig objektive Blick.
9. März
In Mariupol wird ein Krankenhaus angegriffen, eine Schwangere läuft mit blutendem Gesicht aus dem Gebäude, eine andere Schwangere liegt blutend auf einer Trage. Die Stromleitungen bei Tschernobyl zerstört. Das schwarzweiße Bild eines Bahnsteigs in der Ostukraine, vollkommen überfüllt mit Menschen, die Diskussion, ob das Schwarzweiße die Situation unnötig dramatisiert. Ein Mann steht vor seinem zerbombten Haus, sagt, dass unter den Trümmern seine Frau und seine 12jährige Tochter liegen, zerquetscht, die Tochter im Rollstuhl, sie hat es nicht rechtzeitig hinausgeschafft … ich weiß nicht, weshalb ich jeden Tag diese furchtbaren Aufzählungen notiere. Das Leid ist fern, es geschieht nicht mir. So viel Leid zugleich in der Ferne. Wie wähle ich aus, was mich beschäftigt, berührt, entsetzt? Bekannte sagen: Über die verhungernden Kinder in Jemen sprechen wir nicht. Sie haben recht. Dennoch notiere ich über die Ukraine, nicht den Jemen.
Andere Bekannte, die »die andere Seite« hören wollen, nicht nur, was die »Mainstream-Medien« über den Krieg berichten, auf Artikel verweisen, die besagen, dass die russische Armee keine Zivilisten angreife, der Westen Russland in eine Falle gelockt und zu diesem Krieg gedrängt habe und mit seinen Waffenlieferungen aufhören solle, weiter an der »Spirale der Gewalt« zu drehen. In solchen Gesprächen über den Krieg wird der Wunsch nach einer alternativen Berichterstattung deutlich, der Wunsch, Erzählungen zu finden, die den Mehrheitsberichten widersprechen. Ich verwende zu viele Gedanken daran, wie sich gegen ein solches Sprechen ansprechen lässt, vielleicht, weil die Hilflosigkeit, die Wut so irgendwo hinfließen kann. Wenn ein Krieg beginnt, wird üblicherweise zitiert: Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Dabei gibt es immer eine Wahrheit. Und immer ist sie schon vorher gestorben. Besonders in diesem Krieg.
10. März
Die russische Armee erklärt, dass sich im bombardierten Krankenhaus in Mariupol das rechtsextreme Regiment Asow aufgehalten haben soll. Deshalb der Angriff. Auf Instagram wird eine der fotografierten Hochschwangeren – ihr Name ist Marianna – beschimpft. Sie wird Schauspielerin genannt. Russische Berichte, dass die Ukrainer in Laboren biologische und chemische Waffen entwickeln.
11. März
Weiterhin Diskussionen über die Echtheit des Angriffs auf das Krankenhaus in Mariupol. Die russischen Bots bei Twitter explodieren mit der Erzählung eines Fakes. Wie wahrscheinlich, dass die Ukrainer eine solche Täuschung inszenieren? Wie wahrscheinlich, dass die russische Armee bombardiert? Was glaube ich? Muss ich glauben? Muss ich zehn Tage recherchieren, um die Geschichte als wahr oder unwahr zu klären? Was bleibt davon im Kopf? Reicht es zu denken: Im Krieg lügen immer alle und man dürfe nichts glauben? Wem wäre mit dieser Schlussfolgerung geholfen?
12. März
Wie kann es sein, dass Städte, die vor siebzehn Tagen Städte waren, heute Symbole der Zerstörung sind, des Furchtbaren, der Grausamkeit, Charkiw, Mariupol, zwei Wochen liegen dazwischen. In Russland wird eine Frau abgeführt, die ein weißes Blatt Papier hochhält. Ein Antikriegsplakat besteht aus acht Sternen, sie ersetzen нет войны, kein Krieg. Marianna aus Mariupol bringt nach dem Angriff auf das Krankenhaus eine Tochter zur Welt, nennt sie Viktoria, nach der Göttin des Sieges.
13. März
Mittlerweile schaue ich morgens nicht mehr zuerst, ob Kiew noch ukrainisch ist. Das Mädchen, das Let It Go im Bunker gesungen hat, ist in Polen angekommen.
14. März
Die Hochschwangere aus dem bombardierten Krankenhaus in Mariupol, lila Pullover, auf einer Trage zwischen den Trümmern nach draußen gerettet, hält sich ihren Bauch, Blut an ihrem Bauch. Ihr Kind wird in einem anderen Krankenhaus mit Kaiserschnitt auf die Welt gebracht, keine Lebenszeichen. »Tötet mich«, ruft sie den Ärzten zu. Kurz darauf stirbt sie an ihren Verletzungen, den Quetschungen. Ihr Mann, der Vater holt die beiden Leichname. Das Krankenhaus erklärt: Damit seien die beiden wenigstens dem Schicksal vieler anderer Todesopfer entkommen, in einem der Massengräber zu landen. Wenigstens steht dort, wenigstens.
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2024 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/stefan-petermann-wenigstens-januar-maerz-2022/]