Am 11. Dezember 1740 macht sich Sidonia Hedwig Zäunemann von ihrer Heimatstadt Erfurt aus auf den Weg nach Ilmenau, um dort die Schwester, Martha Paulina, und ihren Schwager, den gelehrten und berühmten Medici und hochfürstlichen sächsisch-weymarischen Stadt‑, Land‑ und Bergamts-Physici zu Ilmenau Dr. Kunad, zu besuchen. Sie ist zu Pferde unterwegs und trägt, wie so oft, einen Reitanzug männlichen Zuschnitts, und die Zäunemann weiß, was sie tut:
Man wendet zwar darwider ein:
Kein Weib soll Mannes-Kleider tragen.
(Wenn es gelegne Zeit wird seyn,
Will ich hierauf die Antwort sagen.
Eine 29-jährige Amazone, die sich Motion machen wollte. Sie passiert Arnstadt, dann Plaue, reitet durch das Tal der Zahmen Gera, die an diesem 3. Advent Hochwasser führt und ihrem Namen spottet. Sie hat das Dörfchen Angelroda schon im Blick. Noch 10 km liegen vor ihr bis zum Ziel – noch eine gute sächsische Postmeile und ein Steg bis Ilmenau. Als sie den Holzsteg überqueren will, gibt er nach, Ross und Reiterin werden vom Fluss weggerissen…
Am 12. Dezember wird Zäunemanns Leichnam in der Plauener Flur, an den Ufern der Zahmen Gera am Fuß des Neusisser Berges, geborgen. Die berühmte Erfurtische Poetin …Sidon. Hedw. Zaunemann, welche in der fatalen grossen Ergiessung der Wasser vor kurzer Zeit auf einer von Erfurt nach Illmenau angestellten Reise, leider! das Zeitliche mit dem Ewigen im Wasser verwechselt steht im Jahr darauf in einem Münz‑Katalog zu lesen, der auch Zäunemann‑Gedenktaler taxiert. Numismatenpoesie.
Ein paar Jahre zuvor hatte Sidonia Hedwig Zäunemann – nicht getrieben von Adventsgefühlen, sondern mit Andächtigen Feld- und Pfingst-Gedanken eine Rosstour, wobey es beständig donnerte, blitzte, auch zuweilen etwas regnete, in Verse verwandelt. Sie ritt auch damals nach …Ilmenau:
Wie vielmahl bin ich schon den Weg allhier geritten,
Und dennoch, Gott sey Lob! ist nie mein Roß geglitten:
Mein Pferd ist nie gestürzt, so scharf ich auch gejagt.
Zwar einmahls machte mich mein Hengst etwas verzagt;
Allein dein starker Schutz ließ mich nicht in den Hecken,
Vielwenger in Gefahr verzagen oder stecken.
Du Höchster! warst mein Schirm, dein Engel brachte mich
Gesund und wohl nach Haus; und darum preis ich dich.
Wenn mich ein Regen-Guß den ganzen Weg geführet,
Daß ich kein trocknes Fleck an Kleid und Leib verspühret;
Wenn mich der Sturm gedreht, so hab ich doch gelacht;
Es hat mir nichts geschadt. Wenn mich die finstre Nacht,
Da kaum vor Dunkelheit die Pfützen zu erblicken,
Mich über Stock und Stein und über schmahle Brücken
Und Berge hingeführt, nahm ich doch nie Gefahr,
Noch Schrecken, oder Furcht, noch Widrigkeiten wahr.
Der finstre Tannen-Wald hat mich gar nicht erschrecket,
Vielmehr sein sanft Geräusch die größte Lust erwecket.
Versuchts, es reiset sich des Nachts in Wäldern schön;
Ich habs erst nicht geglaubt; nun hab ich es gesehn.
Abb. 1-3: Foto: Jürgen M. Paasch.
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