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Grab von Sidonia Hedwig Zäunemann
Themen
Literarisches Thüringen um 1800
Jürgen M. Paasch
Thüringer Literaturrat e.V.
Ihr Geburtshaus (Zum Schwarzen Hahne, Feigenbaum & Rosenstock) in der Erfurter Pilse steht nicht mehr; das Haus, in dem sie aufwuchs (Zum gekrönten Schaar), nur einige Meter weiter in der Gotthardtstraße – abgerissen; ihr Sterbeort war nie festzulegen, ertrank sie doch in den Hochwasserfluten der Zahmen Gera bei Angelroda. Und ihre Grabstätte an der Kirche Unserer lieben Frau in Plaue ist längst aufgehoben.
Die 29‑jährige Zäunemann hatte gerade erst begonnen, sich als Dichterin von den Zwängen der ihrem Geschlecht zugedachten literarischen Themen zu befreien, sie abzustreifen und sich passende zu suchen, passend wie die rechte Kleidung:
So darf ich auf dem Pferd auch wohl Mannskleider tragen?
Nein, dieserwegen heißt mich mein Gewissen nicht;
Deshalben ziehet mich der Herr nicht vor’s Gericht.
An der selbstbewussten, amazonengleichen Reiterin nahmen die braven Erfurter Bürger tatsächlich immer wieder Anstoß und selbst ihr Klagelied über Das am 21. und 22. October 1736 unter Gluth und Flammen ächzende Erfurt vermochte nicht alle mit ihrer emanzipierten Erscheinung zu versöhnen. Zwar wurde sie von der Göttinger Universität zur »Poeta laureata« erhoben und im Erfurter Rathaus am 11. Januar 1737 mit dem ihr nun zustehenden Lorbeerkranz gekrönt, aber es musste erst Goethe sie zur Lektüre empfehlen, ehe man sie als Autorin ernst nahm. Während seiner Aufenthalte in Ilmenau wurde Goethe, der Leiter der Bergbau‑Kommission des Herzogtums Sachsen‑Weimar‑Eisenach, auf die Zäunemännin aufmerksam. Als erste Frau – und bis in Goethes Zeit auch als einzige – fuhr sie in die Stollen ein und als Dichterin verarbeitete sie dieses Erlebnis in dem Gedicht Das Ilmenauische Bergwerk / wie solches den 23. und 30. Jenner des 1737. Jahres befahren.
Mit ihrer letzten Veröffentlichung, der Verssatire Die von denen Faunen gepeitschte Laster, empfahl sie sich den Zeitgenossen noch einmal als außergewöhnliche Autorin, um dann für ein Viertel Jahrtausend vergessen zu sein. Erst die amerikanische feministische Literaturwissenschaft hat sie aus den Rokokoseminaren befreit und ihr einen Platz unter den schreibenden emancipated women erkämpft.
Abb. 1: Kupferstich nach Johann Wolfgang Heinrich Stockmann (1710-1785).
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