Person
Orte
Grab von Sidonia Hedwig Zäunemann
Themen
Literarisches Thüringen um 1800
Jürgen M. Paasch
Thüringer Literaturrat e.V.
Sidonia Hedwig Zäunemanns Leichnam wurde am 12. Dezember 1740 an den Ufern der Zahmen Gera zu Füßen des Neusisser Berges aufgehoben und ins 3 km nördlich gelegene Dorf Plaue gebracht. 4 Tage darauf, am 16. Dezember wird sie unter einer ansehnlichen Leichenbegleitung und vom dasigen Herrn Pastor Oleario gehaltenen Trauerede standesmäßig und mit großer Ehrenbezeugung zur Erden bestattet. Der Arnstädter Superintendenten Johann Christoph Olearius (1668‑1747) ist ein Bekannter der Zäunemann, einer ihrer Leser und Verehrer, der selbst auf dem weiten Feld theologischer Literatur pflanzte, unter anderem das Neu-Verbessertes Arnstädtisches Gesangbuch (1701) und den Kurtzen Entwurff einer nützlichen Lieder-Bibliotheck (1702). Von seiner Hand stammt auch der Eintrag ins Plauener Kirchenbuch unter Nr. 13 des Jahres 1740: …den 16. December: ist Jgfr. Sidonia Hedwig Zäunemännin Poet. Laur. Caes. gebürtig aus Erffurth beerdigt, welche in dem Gehra Fluß verunglücket gefunden, gerichtlich gehoben und herein Tod in Plaue gebracht, und Christlöbl. und Ehrlich begraben worden, aet.: 27 Jahre weniger Wochen u 4 Tage. Die falsche Datierung ihres Geburtsjahres setzt sich fort bis in ‑beinahe- unsere Tage1).
Ende des 19. Jahrhunderts wird der Friedhof an der Kirche Unserer Lieben Frau aufgehoben; die Gemeinde bestattet ihre Toten von nun an im Zimmertal am Nordrand des Ortes. Die Grabsteine – auch jener der Zäunemann – werden, wie üblich in solchen Fällen, als Baumaterial im Dorf verwendet. 1930/1 sucht ein Großaufgebot von Heimatforschern nach einem Zäunemann‑Epitaph in den Häusern, Höfen, Mauern und Pflastern der Gegend. Vergeblich. Der Thüringer Waldverein glaubt daher 1931 mit gutem Grund einen Gedenkstein an Stelle der Grabplatte errichten zu dürfen. Als „richtige Stelle“ wird eine Vertiefung westlich der Kirche hoch gehandelt, eine Mulde, die im Volksmund lange als Zäunemanns Grab gilt – eine bedeutende Person müsse wohl Bleibendes hinterlassen und sei es eine Bodensenke über ihren Gebeinen, die sie auszeichne vor anderen Sterblichen. Tatsächlich aber wird am 3. Mai 1931 an repräsentativer Stelle südlich der Kirche ein 2m hohes Denkmal enthüllt, das Koch‑Liebenstein in verspätetem Jugendstil gestaltet hatte und dessen Front vom Oval eines Portrait-Medaillons der Dichterin beherrscht wird. Alois Zeißerde (1876‑1941) hatte es in Erz gegossen nach Vorlage des bekannten Stiches2) von Johann Wolfgang Heinrich Stockmann (1710‑1785). Die Rückseite des Steins zeigt auf einer 36x25 cm großen Porzellantafel, die in der ortsansässigen Schierholzschen Porzellanmanufaktur gefertigt worden war, ein von Goldrand eingefasstes Gedicht der Zäunemann. Die Lettern des Madrigals Auf die Flüchtigkeit des Lebens sind ihrerseits erhaben über Goldschatten gesetzt:
Ist heut ein Mensch schön, munter, weis und roth;
So ist er morgen blaß und todt.
Der Schönheit Schmuck verschwindt
Wie Rauch und Wind.
Drum Mensch, bist du mit Schönheit oder Jugend,
Mit Glück und Kunst und Gaben ausgerüst,
Gedenke, daß du Staub und Erden bist.
Bestrebe dich vielmehr vor allen,
Nur Gott; nicht Menschen zu gefallen.
Bemühe dich um schöne Geistes-Gaben,
So lebst du, hat man dich schon längst begraben.
Das Denkmal der Dichterin und ihr Apell um schöne Geistes-Gaben müssen nur wenige Jahre später dem Krieg dienen: Die Erzplatte mit Zäunemanns Bildnis wird 1943 samt der Kirchglocke Zur Lieben Frau eingeschmolzen und der Rüstungsindustrie zugeführt. Es ist dem Eisengießmeister Kurt Becker zu danken, dass eine Negativ‑Form des Medaillons in Gips die Zeit überdauerte und es ist ein Verdienst Bernd Furchs, der die Form erwarb, dass ein Abguss derselben heute wieder auf einem Sidonia‑Hedwig‑Zäunemann‑Gedenkstein zu sehen ist. Der Stein steht an etwa der »richtigen Stelle«, in jener Bodensenke nämlich, die wieder als Zäunemanns Grab gelten soll.
1) Zuerst korrekt von Kathrin Paasch: Zäunemann, Sidonia Hedwig. In: Lebenswege in Thüringen. Weimar: Selbstverlag der Historischen Kommission für Thüringen, 2000, Sn. 209‑12, = Thüringer Biographisches Lexikon. 1. Sammlung. Hrsg. v. Felicitas Marwinski.
2) In: Hamburgische Berichte von neuesten Gelehrten Sachen. Auf das Jahr 1735. Hamburg: Johann Peter Kohl, 1736.
Abb. 1: Historische Aufnahme, Foto in Besitz von Gerhard Leine in Dosdorf /Abb. 2-3: Fotos: Jürgen M. Paasch.
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