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Patrick Siebert
Detlef Ignasiak: Das literarische Thüringen, Bucha 2014.
Der in Gotha geborene Max Roderich (1797–1860) begann seine Schriftstellerkarriere als Autor von historischen Romanen, in denen häufig Napoleon eine große Rolle spielt, so in »1814 und 1815« von 1843. Später wurde er mit seinem Buch »Verbrechen und Strafe« (1850) zu einem Wegbereiter der deutschen Kriminalliteratur. Mit dem Schreiben von volkstümlichen Romanzen und Balladen machte sich Adolf Bube (1802–1873) einem breiten Publikum bekannt. In Gotha ab 1834 in Anstellung als Museumsmitarbeiter und von 1842–1858 als Direkter des Kunstkabinetts, sorgte seine Beschäftigung mit der Thüringer Geschichte für ein vielfältiges Oeuvre aus diesem Stoffgebiet. Bube erhielt in Gotha mehrfach Besuch von seinem Freund Ludwig Bechstein (1801–1860). Aus seinem Werk hervorzuheben sind die »Lebensblüthen« (1826) und die Sammlungen »Thüringische Volkssagen« (1837) und »Deutsche Sagen und sagenhafte Anklänge« (1839).
Als Bildungseinrichtung höchsten Ranges machte sich das Gothaer Gymnasium unter dem Rektorat von Friedrich Wilhelm Döring (1756–1837) einen Namen. Döring, selber mit Catull- und Horazübersetzungen Teil einer bedeutenden Editorentradition, konnte neben dem bereits erwähnten Historiker Galetti auch Adolf Heinrich Friedrich von Schlichtegroll (1765–1822) als Lehrkraft begrüßen. Vor allem als erster Biograph von Wolfgang Amadeus Mozart in Erinnerung geblieben, konnte Schlichtegroll in Gotha in den Jahren 1790–1806 sein Hauptwerk »Nekrolog der Teutschen« verfertigt. In Fachkreise hochgelobt, wurde er von Goethe und Schiller im Musenalmanach 1797 mit Spott belegt: »Vor dem Raben sehet euch vor, der hinter sich krächzet, das nekrologische Tier setzt auf Kadaver sich nur.« Der berühmteste Schüler war zweifellos Arthur Schopenhauer (1788–1860), der jedoch nur sieben Monate am Gothaer Gymnasium blieb. Von Karl Ludwig Fernow (1763–1808) im Mai 1807 an die Schule vermittelt, musste er diese wegen eines Spottgedichtes über den Rektor im Dezember desselben Jahres wieder verlassen. Dass die Schultradition auch weiter ernst genommen wurde, zeigte die 1835 erfolgte Gründung eines der ersten deutschen Realgymnasien, welches 1859 mit dem bestehenden Gymnasium illustre vereint wurde. Als erster Rektor der neuen Bildungsstätte wirkte mit dem Historiker Karl Joachim Marquardt (1812–1882) einer der wichtigsten Kenner der Antike in seiner Zeit. Zusammen mit Theodor Mommsen (1817–1903) besorgte er das »Handbuch der römischen Altertümer«. Bekannt wurde er außerhalb von Fachkreisen, ähnlich wie Galletti, durch eine Sammlung von Sprüchen, gesammelt und herausgegeben durch seine Schüler, die »Marquardtiana«. Auch hier einige Glanzstücke der Sammlung:
• Der Pegasus ist das schwerste, was man reiten kann.
• Was der Cicero da gesagt hat, das ist richtig; was er aber nicht gesagt hat, das ist falsch.
• In England ist die Königin immer eine Frau.
Ein Kollege Marquardts war August Beck (1812–1874), der 1865 eine wissenschaftliche Biografie von Herzog Ernst des Frommen herausgab und Mitarbeiter der »Allgemeinen Deutschen Biographie« war. Seine Biografie selber besorgte Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893). Ernst, ein besonderer Förderer der Sänger, Turner und Schützen, nannte sein in drei Bänden erschienenes Lebenszeugnis »Aus meinem Leben und aus meiner Zeit«. Mit dem Abenteuerschriftsteller Friedrich Gerstäcker (1816–1872) bereiste er Afrika. Gerstäcker, dessen bekanntestes Werk »Die Flusspiraten des Mississippi« im Revolutionsjahr 1848 erschien, stand unter besonderer Förderung des Herzogs. Eine freundschaftliche Verbindung unterhielt Ernst auch zu Gustav Freytag (1816–1895). Dessen zentrale Werke »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« (1859–1867) und der Professorenroman »Die Ahnen« (1873–1881) machten ihn zu einem der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Er erwarb 1851 im heute zu Gotha gehörenden Siebleben das Franckenbergsche Haus in der Weimarer Straße, in dem er bis zu seinem Lebensende wohnte. In diesem Gebäude empfing der gothaische Minister Friedrich Ludwig von Frankenberg oft Carl August und Johann Wolfang von Goethe. Mit seiner Arbeit »Die Technik des Dramas« von 1863 schuf er wichtigen Beitrag zur Dramentheorie. In seinen Bühnenstücken wie »Die Journalisten« von 1854 nahm das Bürgertum eine zentrale Rolle ein, dem Freytag eine große Zukunft vorhersagte. Seine Werke können heute als eine Alltagsgeschichte seiner Zeit gelesen werden. Eine Anstellung Theodor Storms (1817–1888) als Beamter in Gotha lag 1852 in greifbarer Nähe, scheiterte dann aber an Herzog Ernst II., dem offenbar der Mut für die Einstellung eines ›Ausländers‹ fehlte. Trotzdem dürfte Storm der Besuch bei Familie Jacobs in der Mozartstraße 3 in angenehmer Erinnerung geblieben sein. 1886 verlebte er hier einige Tage und las »vor acht zum Teil bildhübschen Mädchen ›Späte Rosen‹ und eine Reihe von Gedichten, die aber mehrere sehr genau kannten«.
Einen wesentlichen Bestandteil zur Entwicklung des Science-Fiction Genres in Deutschland leistete der in Breslau geborene Kurd Laßwitz (1848–1910). Auch er wirkte als Gymnasial-Professor in Gotha, wo er ab 1876 die Fächer Mathematik und Physik unterrichtete. Sein bahnbrechendes Werk »Auf zwei Planeten« von 1897, der erste deutsche Raumfahrerroman, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Mit der Gothaer Theatertradition beschäftigte sich der Verleger und Theaterhistoriker Joseph Kürschner (1853–1902). Mit Arbeiten über die Schauspieler Konrad Ekhof und August Wilhelm Iffland, sowie einer »Theatralischen Nekrologie« (1875) begann er sich einen Namen zu machen. Später gelangte er mit dem »Deutschen Literaturkalender«, der bis heute unter seinem Namen erscheint, zu Wohlstand. Die Mitarbeit an zahlreichen Nachschlagewerken, wie dem »Taschen-Konversationslexikon« von 1895 oder der Herausgabe der »Deutschen Nationalliteratur« stehen für die geistige Flexibilität Kürschners.
1875 wurde Gotha für einige Tage zu einem zentralen Ort der Deutschen Politik, als hier August Bebel (1840–1913) und Wilhelm Liebknecht (1826–1900) mit dem »Gothaer Programm« die Fusion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein von Wilhelm Hasenclever (1837–1889) in die Wege leiteten.
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