Gotha
9 : Gotha von 1900 bis zur Gegenwart

Ort

Gotha

Thema

Ortsporträts

Autor

Patrick Siebert

Detlef Ignasiak: Das literarische Thüringen, Bucha 2014.

Mit ihrem Roman »Die Waf­fen nie­der!« von 1889 wurde Ber­tha von Sutt­ner (1843–1905) zu einer Ikone der Frie­dens­be­we­gung. Die Frie­dens­no­bel­preis­trä­ge­rin von 1905 kam nach Gotha, um eine dort gegrün­dete Frie­dens­be­we­gung zu unter­stüt­zen. Bei einem ihrer Besu­che lernte sie Kurd Laß­witz ken­nen, von dem sie erfuhr, dass in der Stadt 1878 das erste deut­sche Kre­ma­to­rium ein­ge­rich­tet wurde. Heute befin­det sich ihre Urne im Kolum­ba­rium des Gothaer Haupt­fried­ho­fes in der Lan­gen­sal­zaer Straße. Weit­blick zeigte Ernst Wil­helm Püschel (1881–1941), der bereits in sei­nem Roman »Die Juden von Kron­berg« den auf­kom­men­den ras­sis­ti­schen Anti­se­mi­tis­mus the­ma­ti­sierte. Schon häu­fi­ger genannt wurde Hja­l­mar Kutz­leb (1885–1959), des­sen Werke »Her­zog Stern­gu­cker« (1935) und »Grim­men­stein« (1939) wich­tige Impulse zur lite­ra­ri­schen Rezep­tion des Gothaer Hofes gaben. Als sehr akti­ves Mit­glied der ›Wandervogel‹-Bewegung schuf er auch eines der bekann­tes­ten Wan­der­lie­der: »Wir wol­len zu Land raus­fah­ren«. Sein unge­mein viel­fäl­ti­ges Oeu­vre mit mehr als 60 Roma­nen, Novel­len und Sach­bü­chern stieß auf posi­tive Reso­nanz durch den Natio­nal­so­zia­lis­mus. Nach dem Nie­der­gang des drit­ten Rei­ches wurde nicht sel­ten kri­tisch her­vor­ge­ho­ben, dass sich Kutz­leb in sei­nen Büchern gegen eman­zi­pa­to­ri­sche Ten­den­zen und die Repu­blik aus­ge­spro­chen habe. Kurt Kau­ter (1913–2002), auch bekannt unter sei­nem Pseud­onym José Maria Roca­fu­erte, war ein Autor mit zwei Lebens­schwer­punk­ten. Bis zum zwei­ten Welt­krieg in Süd­ame­rika als Erd­öl­spe­zia­list unter­wegs, lernte er die latein­ame­ri­ka­ni­sche Kul­tur ken­nen und schät­zen. Eine Viel­zahl sei­ner Werke, dar­un­ter »Im Schat­ten des Chim­bo­razo« (1964) oder »Der Mann aus den Kor­dil­le­ren« (1973) berich­ten von den Erfah­run­gen aus die­ser Lebens­phase. Vene­zuela ver­lieh dem Autor die höchste Aus­zeich­nung des Lan­des, den Orden »Mérito al Tra­bajo – Pri­mera Clase«. Mit dem Roman »Befreier Boli­var« setzte er dem Füh­rer der süd­ame­ri­ka­ni­schen Unab­hän­gig­keits­be­we­gung gegen die spa­ni­schen Kolo­ni­al­her­ren ein Denk­mal.
Der Dich­ter Hanns Cibulka (1920–2004) war eine der bestim­men­den Figu­ren im kul­tu­rel­len Leben Gothas nach 1945. Von 1953–1985 war er Lei­ter der Stadt­bi­blio­thek »Hein­rich Heine« in der Oran­ge­rie. Er zählte er zu den kri­tischs­ten Geis­tern unter den DDR-Autoren. Zu sei­nen zen­tra­len The­men gehör­ten Umwelt­schutz, Hei­mat­ver­lust und Ver­ar­bei­tung der tief ein­schnei­den­den Kriegs­er­leb­nisse. In der Form der Tage­buch­prosa fand Cibulka seine eigene Form der Lebens- und Gesell­schafts­re­fle­xion. Die 1972 erschie­nen Bände »Sand­dorn­zeit« und »Dorn­bur­ger Blät­ter« gin­gen den Ost­see- und Thü­rin­gen­ta­ge­bü­chern voran – zwei Land­schaf­ten, die Hanns Cibulka inten­siv beschäf­tig­ten. Mit »Swan­tow«, einem Ost­see­ta­ge­buch, brach er ein Tabu, indem er auf die mas­sive Zer­stö­rung der Umwelt in der DDR hin­wies, und wurde so weg­wei­send für die kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit die­sem Thema in der DDR. Anläß­lich sei­nes 10. Todes­tag am 20. Juni 2014 benannte die Stadt den Lese- und Ver­an­stal­tungs­saal der neuen Stadt­bi­blio­thek im Win­ter­pa­lais nach ihrem Ehren­bür­ger. Seine Urne wurde von Erfurt auf den Gothaer Haupt­fried­hof umge­bet­tet, wo der Sohn der Stadt ein Ehren­grab erhielt. Die Schrift­stel­le­rin­nen Sig­rid Damm (*1940) und Kath­rin Schmidt (*1958), sind Töch­ter der Stadt. Sie gehö­ren zu den wich­ti­gen Stim­men der deut­schen Gegen­warts­li­te­ra­tur. Beide erhiel­ten mit dem Thü­rin­ger Lite­ra­tur­preis die höchste lite­ra­ri­sche Aus­zeich­nung Thü­rin­gens. Sig­rid Damm, die ebenso mit lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­chen wie lite­ra­ri­schen Arbei­ten zu den Wei­ma­rer Klas­si­kern auf sich auf­merk­sam machte, ist seit 2010 Ehren­bür­ge­rin der Stadt Gotha. Ihre Werke, die eine Mischung aus Bio­gra­phie und Fik­tion dar­stel­len, erzie­len große Publi­kums­er­folge. Der Roman »Ich bin nicht Otti­lie« (1992) schil­dert Damms Kind­heits- und Jugend­er­in­ne­run­gen aus ihrer Gothaer Zeit. Kah­rin Schmidt, deren bekann­tes­tes und per­sön­lichs­tes Werk »Du stirbst nicht« von 2009 mit dem »Deut­schen Buch­preis« aus­ge­zeich­net wurde, ist seit 1994 freie Schrift­stel­le­rin.
Der Doku­men­tar- und Tier­fil­mer Andreas Kie­ling, 1959 in Gotha gebo­ren, ver­öf­fent­lichte eine Viel­zahl von lite­ra­ri­schen Doku­men­ta­tio­nen über seine aben­teu­er­li­chen Rei­sen. Neben Rei­se­be­rich­ten mit dem Schwer­punkt Nord­ame­rika gehö­ren auch Titel zur deut­schen Natur zu sei­nem Werk.

 Gotha:

  1. Gotha im Mittelalter
  2. Gotha in Humanismus und Reformation
  3. Gotha wird Residenz
  4. Luise Dorothee und die erste kulturelle Blüte
  5. Das Gothaer Theater
  6. Gotha unter Ernst II. und dessen Sohn Emil August
  7. Gotha als Verlagsstadt
  8. Gotha nach der großen Blüte
  9. Gotha von 1900 bis zur Gegenwart
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