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Patrick Siebert
Detlef Ignasiak: Das literarische Thüringen, Bucha 2014.
In der Mitte des 18. Jahrhunderts unterhielt Johann Paul Mevius eine angesehene Buchhandlung in Gotha, die nach der Vermählung seiner Tochter mit Johann Christian Dieterich (1722–1800) 1749 auf diesen überging. Dieterich siedelte 1760 nach Göttingen über, wo er eine Buchhandlung und einen Verlag etablierte. Der in Gotha verbliebende Teil von Mevius̕ Erbe ging 1774 an Karl Wilhelm Ettinger (1738–1804). Bis Dieterich endgültig übersiedelte, erschienen die Bücher des ab 1765 als »Dieterichsche Universitätsbuchhandlung« firmierenden Unternehmens mit dem Vermerk »Gotha und Göttingen«. Mit der Herausgabe des ersten »Göttinger Musenalmanachs« und der daraus resultierenden Bildung des »Göttinger Hains« sicherte sich Dieterich einen Platz in der Kulturgeschichte Deutschlands. In Gotha macht sich Ettinger bald unabhängig und verlegte bis 1795 400 Titel, wozu auch die erste deutsche Gesamtausgabe von Rousseaus Werken gehörte. Auch Goethe zählte zu den verlegten Autoren. Sein »Römisches Carneval« wurde 1789 in Gotha ediert. Mit der Herausgabe der Gothaischen Theaterperiodika des bereits gewürdigten Heinrich August Ottokar Reichard, dem »Theater-Kalender«, dem »Taschenbuch für die Schaubühne« und dem »Theaterjournal für Deutschland« nahm der Verlag eine wichtige Stellung im kulturellen Leben Deutschlands ein. Das publikumswirksame »Journal des Luxus und der Moden«, von Friedrich Justin Bertuch (1747–1822) herausgegeben, fand in Gotha in den Jahren 1786–1789 seine verlegerische Heimat. Dass die Ettingersche Buchhandlung in Gotha zu einem kommunikativen Zentrum wurde, betonte 1840 der Gymnasiallehrer Ernst Friedrich Wüstemann (1799–1856): »Dort fanden Gespräche über gemeinsame wissenschaftliche Werke statt, dort wurden Projekte erdacht, die der ganzen wissenschaftlichen Sache von großem Nutzen sein sollten«. Aus dem Unternehmen von Ettinger ging auch die »Geographisch-Kartographische Anstalt« des Johann Georg Justus Perthes (1749–1816) hervor. Sie wurde unter dessen Sohn Wilhelm Perthes (1793–1853) zu einem Weltunternehmen. Mit den Kartographen Adolph Stieler (1770–1836), dessen »Handatlas« 1823 mit 50 Karten erstmals veröffentlicht wurde, und Heinrich Berghaus (1797–1884), der mit 15 herausgegeben Karten von Asien alle bis dahin erschienen Werke verblassen ließ, konnte die Kartographische Anstalt Maßstäbe setzen. Der Neffe des Unternehmensgründers, Friedrich Christoph Perthes (1772–1843), gründete 1806 in Hamburg die erste Sortimentsbuchhandlung Deutschlands. Auch er bereicherte den Wettbewerb in Gotha ab 1822 mit einem eigenen Verlag. Der Verlag »Friedrich Perthes, Hamburg und Gotha« zeichnete sich durch ein philosophisch-historisches Programm aus und steht für eine Geschichtsschreibung, die den gestiegenen wissenschaftlichen Anforderungen der bürgerlichen Leserschaft entsprach. Mit der »Historisch-Politischen Zeitschrift«, herausgegeben von Leopold von Ranke (1795–1886), und den »Theologischen Studien und Kritiken« gab sich der Verlag ein konservatives Profil. Besonders verdient macht sich Friedrich Christoph Perthes aber auf dem Gebiet der Buchhandelspolitik. Seine Schrift »Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur« wies dem Buchhandel eine kulturstiftende Funktion zu. Sein Engagement gipfelte im 1825 entstandenen »Börsenvereins der Deutschen Buchhändler«. Das in der heutigen Querstraße 24 stehende Haus von Perthes war ein Treffpunkt der führenden Geister Gothas. Ebenfalls in der Querstraße findet sich das Geburtshaus von Joseph Mayer (1796–1856). Der in dem Haus mit der Nummer 5 geborene Verleger gründete 1826 mit seinem »Bibliographischen Institut« einen der zentralen Verlage der deutschen Geistesgeschichte. Kurz nachdem er begann, die » Bibliothek der deutschen Klassiker« herauszugeben, die durch das damals neue Subskriptionsverfahren finanziert wurde, erfolgte 1828 die Umsiedlung nach Hildburghausen.
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