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Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution
Katrin Lemke
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
In der Ebertstraße 8, ehemals Sedanstraße, direkt an der Erfurter Straße gelegen, die als Hauptachse vom westlichen Stadtrand Jenas in die Innenstadt führt, steht das erste Wohnhaus der Familie Diederichs nach ihrer Ankunft in Jena im Jahre 1904. Eugen (zu diesem Zeitpunkt 38 Jahre alt) und Helene (29) beziehen die Sedanstraße 8 zur Miete, gemeinsam mit den Kindern Ruth (5), Jürgen (3) und Niels (2). Im Herbst des Umzugsjahres wird das vierte Kind, der Sohn Peter geboren. Das Familienleben einschließlich aller Sorgen und Probleme, einschließlich der enttäuschten Erwartungen und der fehlgehenden Ansprüche, die die Eheleute sich gegenseitig nicht erfüllen können, läuft hier ab. Von hier aus macht sich die junge Frau täglich auf den Weg zum Prinzessinnenschlösschen am (damaligen) Unteren Philosophenweg, wo sie im Gärtnerhaus ein Zimmer für sich allein nutzen kann: eine Schreibwerkstatt, in der ihre Texte zwischen 1904 und 1910 entstehen, u.a. der kleine Bericht »Aus Kinderland« mit den genauen und liebevollen Beobachtungen und Schilderungen des Kinderlebens in der Sedanstraße 8. Über ihr Schreiben sagt die Autorin: Es gab nie eine Zeit, während der ich nicht eine Geschichte – alle haben sie lange in Bluts- und Seelenwärme gedämmert – in mir austrug. Ich fühlte, daß sie da war und wuchs, dies beruhigte mich vorderhand. Geschrieben wurde sie, sobald das Leben Raum gab, meistens ganz unversehens. So lautet schon nach wenigen Jahren die Bilanz: Ein Jahr ein Kind, ein Jahr ein Buch. Und so scheint die junge Frau tatsächlich Bücher wie Kinder »ausgetragen« zu haben, wie sie es in ihrer Lebensskizze »Meine Bücher suchen mich« von 1944 ausdrückt. Die Formulierung gibt eine verblüffend einfache – man möchte fast sagen biologisch-organische – Auskunft zur Wurzel ihres Schreibens: etwas Lebendiges reifen lassen und in die Welt setzen. Inwiefern gerade dieses ausgeprägte Bedürfnis (und auch die anderweitigen Kontakte und »Abwege«, die die enttäuschte junge Frau neben ihrer Ehe suchte) zur Entfremdung von ihrem viel beschäftigten, in Verlagsdingen und auch im Zusammenleben sehr dominanten (wenn auch ebenso liebevollen) Gatten beitrug, wird zu erfahren sein.
Helene Voigt-Diederichs verlässt das Familien-Haus in der Sedanstraße zeitweilig schon ab 1910, nach der Scheidung 1912 dann endgültig. Sie zieht nach Braunschweig und muss, da schuldig geschieden, die Kinder bei ihrem Mann zurücklassen. Betrachtet man ihre sehr liebevolle Nähe zu den Kindern und die Wichtigkeit des Mutter-Kind-Themas in ihren Romanen und Erzählungen, so wird nachvollziehbar, wie hart diese Trennung gewesen sein muss. Warum ab 1914 der gekränkte geschiedene Ehemann die beiden jüngeren Söhne zur Mutter nach Braunschweig ziehen lässt, warum auch die beiden älteren Kinder im Wechsel beim Vater und der Mutter leben dürfen, welche neue, andere Beziehung dabei den beiden getrennten Partnern möglich wird, davon soll die Rede sein. Erwähnenswert dabei ist auch der Anteil der zweiten Ehefrau an den auf Toleranz, Verständnis und Fürsorge orientierten Beziehungen.
Bis 1928 wird Eugen Diederichs das Haus in der Sedanstraße bewohnen. In seiner bekenntnishaften biografischen Skizze Lebensaufbau finden sich immer wieder Äußerungen darüber, dass er ja eigentlich bauen, sich ein eigenes Haus schaffen wollte, nie aber seien Zeit und Finanzlage dafür günstig gewesen. Erst 1927, schon elf Jahre in zweiter Ehe verheiratet, gibt es erste Gedanken über einen konkreten Wechsel, aber auch die beziehen sich nicht auf ein neu zu bauendes Haus, sondern auf den Kauf der Villa Beethovenstraße 30, die baulich den Anforderungen einer großen Familie angepasst wird.
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