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Anke Engelmann
Thüringer Literaturrat e.V. / Erstdruck in Thüringer Allgemeine / Thüringische Landeszeitung 16.4.2020.
Gelesen von Anke Engelmann
Mord und Demenz
Der erste Satz erschreckt: »Meinen ersten Mord habe ich vor 25 Jahren begangen«. Der zweite umreißt das Thema des Buches: »Oder waren es 26?« Mord und Demenz, bei derart knappen und genauen Federstrichen ist man nach wenigen Zeilen gefesselt. Will hier ein böser Mensch etwas Gutes tun? Oder hat ein alter Mann Wahnvorstellungen?
Der Protagonist aus den »Aufzeichnungen eines Serienmörders« ist kein Sympathieträger. Mit Befremden folgt man den Niederschriften des früheren Tierarztes Byongsu Kim. Verzweifelt schreibt Kim, der an Demenz erkrankt ist, gegen das Vergessen: für Unhi, seine Ziehtochter, die Kim mit einem letzten Mord beschützen will. Sie hat sich in einen Mann verliebt, in dem Kim seinesgleichen zu erkennen meint: »Ich muss Jutae Park umbringen. Bevor ich vergesse, wer er ist.«
Kims Notizen sind der Faden, an dem er sich entlang hangelt, und der zunehmend ausfranst. Nur eines scheint stabil: Kim war ein eiskalter Serienmörder. Seine Opfer verwesen in Kims Bambusgarten und manchmal scharrt der Hund, der mal zum Haus gehört, mal ein fremder Köter ist, einen Knochen frei.
Mit leichter Hand spinnt der Autor Young-ha Kim aus dem makabren Plot eine Geschichte, die den Leser zwischen Abscheu und Mitleid pendeln lässt und die in ihren überraschenden Wendungen unglaublich spannend ist. Meisterhaft, wie der Autor mit den Emotionen der Leser spielt. Das Buch war in Korea ein Bestseller und Young-ha Kim gilt dort als die literarische Hoffnung seiner Generation. Dem cass verlag mit Sitz in Bad Berka, der sich auf japanische Literatur spezialisiert hat, ist es zu danken, dass der Roman den Weg zu uns gefunden hat.
Keine leichte Lektüre, dieses schmale Buch, das die Genregrenzen sprengt und Krimi, Thriller und Demenz-Protokoll ist. Es empört, verwirrt, macht Angst und ist auf eine irritierende Art witzig. Nur gleichgültig lässt es einen nicht.
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