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Literarisches Thüringen um 1800
Julia Knapp; Bernhard Echte
Jean Pauls Orte - Ein Projekt des Vereins
Wir spielen dieselbe höhere Melodie, aber jedes trägt sie in einer anderen Tonart vor.
Jean Paul an Caroline von Feuchtersleben, 8. Juli 1800
Vier Mal kam Jean Paul nach Ilmenau: drei Mal, um Karl Ludwig von Knebel, den Freund Goethes, zu besuchen (1799), ein viertes Mal wegen einer Verlobten (1800). Die ersten drei Aufenthalte gingen gut aus, der vierte schlecht.
Dabei standen die Vorzeichen genau umgekehrt. Denn Goethe war keineswegs gut auf Jean Paul zu sprechen, seit dessen Roman »Hesperus« (1795) dem kurz zuvor erschienenen »Wilhelm Meister« glatt die Schau gestohlen hatte. Selbst in Weimar schwärmte man mehr für das Buch des unbekannten Oberfranken als für den epochalen Entwicklungsroman des Klassikers vom Frauenplan. Schiller hielt zwar prinzipientreu zu Goethe, doch ausgerechnet Knebel, Goethes »Urfreund«, entzog sich in dem Streit der Solidaritätspflicht und brachte dem Neuling aus Nirgendwo eine herzliche Sympathie entgegen. Jean Pauls Besuche in Ilmenau verliefen nach Knebels Empfinden dann auch »sehr erfreulich«, so daß es 1805 sogar zu einem Gegenbesuch in Bayreuth kam. Und die Korrespondenz zwischen beiden hielt noch weitere zehn Jahre an.
Die leidige Liebe hingegen…! Es war ein Fräulein namens Caroline von Feuchtersleben, zart, adlig und 25 Jahre jung, dem Jean Pauls flammende Gefühle galten. Und sie waren erwidert worden. Nach wenigen Tagen persönlicher Bekanntschaft, aber umso mehr Briefen, hatte man sich – verlobt! Der dichtende junge Mann aus dem Volke und das blaublütige Fräulein aus altem Hildburghäuser Geschlecht! Die Familie der Verlobten hatte harten Widerstand geleistet und war nur durch Herders kreative Darstellung von Jean Pauls Einkommensverhältnissen zu einem widerwillingen Einlenken bewegt worden – allerdings unter der Bedingung, dass der Dichter der Familie drei Jahre lang nicht unter die Augen trete. So traf man sich in Ilmenau.
Doch die Begegnung hielt nicht, was der gefühlvolle Briefwechsel versprochen hatte. Der Zauber zersprang. Herder, der als guter Geist mitgekommen war, konnte nur tatenlos zuschauen, wie Jean Paul plötzlich scheute wie ein junger Gaul – und davonsprang. Das sitzengelassene adlige Fräulein war untröstlich und verwand die Enttäuschung lange nicht. Auch Jean Paul ging die Sache näher als sonst: Um Ilmenau machte er fortan einen Bogen. Und es sollte sein letztes gelöstes Verlöbnis bleiben.
Abb. 1, 2: Fotos: Jens Kirsten.
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