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Literarisches Thüringen um 1800
Julia Knapp; Bernhard Echte
Jean Pauls Orte - Ein Projekt des Vereins
Liebe schöne Seele, lass es Dir sagen, wie ich dich achte und liebe.
Es gehört zur Eigenart von Jean Pauls Büchern, dass er seine Leserinnen und Leser meist schon auf den ersten Seiten anredet, als seien sie seine vertrauten Freunde. Was zur Folge hatte, dass die LeserInnen das literarische Spiel ernst nahmen und dem Autor schrieben, ja ihn häufig sogar zu sich einluden. Kamen diese Briefe von jungen, vielleicht gar adligen Damen, so war Jean Paul durchaus bereit, persönlich nachzusehen, wer sich da für ihn begeisterte. Ein solcher Fall führte ihn vom 21.–28. Mai 1799 nach Hildburghausen. Dort gab es eine Leserin namens Caroline von Feuchtersleben, deren innige Briefe seine Neugier geweckt hatten.
Kaum angekommen, öffnete sich ihm sogar der Hof des Ortes, wo ihn die schöne Herzogin Charlotte und zwei ihrer drei Schwestern huldvoll empfingen: die erste eine Fürstin von Solms, die zweite eine Fürstin von Thurn und Taxis, die dritte gar Königin von Preußen (die berühmte Luise) wurde wenig später erwartet – alle waren sie Verehrerinnen seiner Werke. Für ihre Männer interessierte sich Jean Paul unhöflich wenig, doch tat sich der Herzog dadurch hervor, dass er dem Dichter den Titel eines »Legationsrates« verlieh. Das kostete ihn weder Geld noch Befugnisse, doch gab es dem niedrig geborenen Jean Paul den Anschein von Legitimität, an Höfen zu erscheinen. Im Gegenzug trug dieser der Herzogin und ihren Schwestern die Dedikation seines »Titan«-Romanes an, was ihn seinerseits nichts kostete, ihn aber vor aller Welt in illustrer Gesellschaft zeigte.
Wichtiger wurde ihm aber von Tag zu Tag jene Leserin, die der Anlass der Reise gewesen war. Jean Paul begann sich zu verlieben – und stieß auf Echo. Im Oktober war er neuerlich in Hildburghausen, dieses Mal für 14 Tage. Im November teilte er Freunden seine Verlobung mit. Das versetzte die Familie des adligen Fräuleins in Alarm: ein Bürgerlicher, und dazu noch ein Dichter! Man fragte ultimativ nach seinen finanziellen Verhältnissen. Kein geringerer als Herder bog die Sache durch eine kreative Darstellung von Jean Pauls Einkünften zurecht. Widerstrebend gab die Familie ihr Einverständnis, sofern der Ehebewerber zusagte, sich drei Jahre im Hintergrund zu halten.
Jean Paul machte gute Miene zum bösen Spiel und traf seine Caroline das nächste Mal in Ilmenau. Dort aber zerbrach unversehens der Zauber. Heiraten? Nein – das nun doch nicht. Zum großen Ärger Herders krebste Jean Paul plötzlich zurück und machte sich aus dem Staub. Caroline fuhr als Geprellte nach Hildburghausen zurück und verwand die Sache lange nicht. Jean Pauls Bücher aber las sie weiterhin.
Abb. 1-3: Fotos: Jens Kirsten.
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