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Jens-Fietje Dwars
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Auch der Franz-Stein gehört zu den weniger beachteten Monumenten des Ilmparkes. Obwohl er seinem wichtigsten Anreger gewidmet war. 1782 wurde der Stein für den Fürsten Franz III. Leopold von Dessau aufgestellt, der mit seinem Wörlitzer Garten das Vorbild für den Park an der Ilm geschaffen hatte. Seit 1776 ließen Anna Amalia und Carl August den einst barocken Hofgarten zu einem Englischen park mit Sichtachsen und symbolischen Monumenten umbauen.
Während sein Großvater, der »Alte Dessauer« Leopold I., den Gleichschritt in die preußische Armee eingeführt hatte, wollte Franz III. mit der Tochter seines Gärtners nach England auswandern. Weil Friedrich II. ihn an seine Pflicht als Fürst gemahnte, holte er sich England nach Anhalt und schuf den ersten Englischen Garten auf dem Kontinent.
Berühmt ist der »Toleranzblick« an der »Goldenen Urne«: in einem Sichtenfächer erscheinen eine neogotische Kirche und eine Synagoge gleichwertig nebeneinander. Freilich fragt sich, wie lebendig dieses Symbol wirken konnte, oder ob es nicht umgekehrt die Aufklärung zum schönen Schein erstarren ließ, wie jene Wäscherin, die den ganzen Tag über am Wörlitzer See waschen musste, damit es für die Betrachter aus der Ferne ein schönes Bild ergab. War Wörlitz ein Garten tatkräftiger Aufklärung oder doch eher ein Disneyland des 18. Jahrhunderts mit Nachbauten berühmter Reiseziele und sogar eines feuerspeienden Vesuvs?
Goethe jedenfalls ging immer mehr auf Distanz zum Dessauer Vorbild. Urnen, die keiner wirklichen Totenehrung galten, sondern nur als Ornament einer empfindsamen Stimmungsmalerei dienten, wurden ihm suspekt, den Scheincharakter von Kunst zu betonen, eine Frage der Redlichkeit.
In diesem Sinne kommt ihm Gino näher:
Das ist mein Anspruch an die Kunst: etwas zu erfinden. Im Gegensatz zur Nachahmung, der Kopie. Sprachen erfinden statt Sprachen lernen. Die Cover-Version ist keine Kopie, sondern eine Überschreibung mit neuem Text.
Wie ein Straßenköter renne ich einem Gedanken bis ans äußerste Hoftor nach, wenn ich nur glauben kann, es könne sich um einen selbstgemachten, erfundenen Gedanken handeln, der als solcher jetzt endlich Wirklichkeit geworden sei. Die Wirklichkeit als eine erfundene. Das ist meine Realität. Deshalb immer meine Sucht wie nach der Droge (nach) einer außerhalb dieser existierenden, nicht (von mir) erfundenen. Der Realität der anderen. 26.5.99
Und so begründet er auch seinen geplanten Gedichtband:
Zur Jahrhundertwende, wenn es nach der abgelaufenen Sonnenfinsternis vom 12. August 1999, …, tatsächlich mit der Erde weitergeht, wird es dennoch nicht mehr so schmeichlerisch-mild damit weitergehen, den kühnen, außerirdischen Erreger der Sonnenfinsternis, den Mond, mit Goethes Schmus ›Füllest wieder Busch und Tal… !‹ in die eigenen Finsternisse zu betteln, für die es längst schon keine geeigneten Täler mehr gibt und auch keine Büsche. So soll es, in meinem und in seinem Selbstverständnis heißen:
ALLE WEGE NACH ROM ÜBER WEIMAR KANNST DU VERGESSEN, die
1.) einen Ausschnitt meiner thüringer Erfahrungen darstellen, vor einem Hintergrund, den ich sonst nicht weiß. Und schon gar nicht Ihnen als Ministerium plausibel machen könnte. Aber tortzdem und innerhalb in mir ständig als etwas Geistiges erörtere, nämlich, was ich vor Langerweile mit meiner Erziehung aus der Weimarer Klassik, die auf mir sitzengeblieben ist, anstellen könnte: an ein Ideal zu glauben, das
2.) (m)eine Sicht auf zweitausendjährige, römisch-europäisch gebundene, künstlerische Recherchen & Entwürfe ausmachen und
3.) sich in Paradoxien aus Dauer und Vorübergehendem windig wie das Wetter veränderten, von dem niemand sprechen will als Literatur.
(…)
So wie bisher kann die Flucht in die mallorcinischen oder kanarischen Müllgebiete Deutschlands in Spanien nicht enden. Die Leute müssen wieder an Goethe glauben und nach Italien zurück!
Wie die Geschichte lehrt, gelang es schon einmal, die Menschheitsmassen mit einem Goethe-Zitat nach Italien zu locken.
So wird es noch ein zweites Mal gelingen. Wenn niemand mehr an Goethes abgegessenes, bekannt-schwärmerisches Italienbild, das vom Kennst du das Land wo die Zitronen blühn, das jahrhundelang den Appeninen-Tourismus bis zum Überdruß geschürt hatte, glauben will, muß eben ein anderes her.
Ein widersprüchlicheres, den Widersprüchen und Paradoxien der Gegenwart gerecht werdendes, aus dem man erkennt, daß ein Dichter sich auch an der Realität orientieren will und kann. Weil der italienischen Wahrheit nicht mit dem Symbolismus heimatlich schwärmerischer Schweinereien beizukommen ist. Sondern zutreffend nur mit Wirklichkeit! Wer wollte immer nur in [Illusionen] leben!? In unserer heutigen Zeit, wo längst die Wirklichkeit Illusion ist!
Und auch dazu hält für jeden gutgläubigen Deutschen der Großdichter Goethe sein Schärflein bereit: nämlich den vierten Rap aus den Venezianischen Epigrammen!
100 m weiter Abbiegung nach rechts unten:
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