Personen
Carl August v. Sachsen-Weimar-Eisenach
Ort
Thema
Detlef Ignasiak
Das literarische Thüringen, Bucha 2018.
Ursprünglich gehörte Ilmenau den Käfernburgern (späteren Schwarzburgern), deren Wasserburg Rudolf von Habsburg 1289 zerstören ließ. Später verkauften diese ihren Besitz an die Henneberger. Nach deren Aussterben 1583 fiel Ilmenau an die sächsischen Wettiner, 1660/61 bei einer Erbteilung endgültig an deren Haus Sachsen-Weimar.
Mindestens seit 1444 wurde in der nahen Sturmheide nach Silber geschürft. Die »Sage vom Bergmönch« bezieht sich auf diese Zeit. Bis Ende des 17. Jahrhunderts florierte der Bergbau, wenngleich die Ausbeute in keiner Weise mit der in den Gruben von Saalfeld oder gar des sächsischenFreiberg verglichen werden kann. So genügte 1739 ein einziger Dammbruch, den Erzabbau zum Erliegen zu bringen. Und als 1752 ein verheerender Brand die Stadt fast vollständig zerstörte, glaubte kaum noch jemand an ihren Wiederaufstieg. Die Stadt verarmte und wurde von korrupten Beamten regiert. Deshalb erhielt Anna Amalia am 1. 2. 1768 »Gerechte und erhebliche Beschwerden einer armen Bürgerschaft«. Doch wurde diese »Ilmenauer Empörung« von ihr kurzerhand durch eine militärische Strafexpedition niedergeschlagen.
Auf der 1500 in Nürnberg erschienenen Rom-Pilgerkarte (»Das ist der Romweg von meylen zu meylen mit puncten verzeychnet – von einer stat zu der andern durch deutzsche Land«) von Erhard Etzlaub ist auch Ilmenau eingezeichnet, führte doch die Route von Erfurt über Arnstadt und den Thüringer Wald nach Coburg und Nürnberg.
Martin Luther wird diese Karte für seine Rom-Reise (1510/11) benutzt haben, zumal ihr Herausgeber zur selben Zeit an der Universität Erfurt als Arzt und Astronom gelehrt hatte, als Luther dort studierte. Zudem war Luthers Gönner Johann von Staupitz 1506 auf gleicher Strecke unterwegs. Luther brach mit seinem Begleiter (»Muss jemand zur Besorgung irgendeines Geschäftes fürs Kloster ausgeschickt werden, so sollen zwei gehen. Ein unnötiges Wort soll bei ihnen nicht zu hören sein«) vor Mitte November in Erfurt auf und wird am zweiten Tag bis Frauenwald gekommen sein. Georg Ernst bestellte nach Einführung der Reformation im Henneberger Land 1544 den späteren berühmten Wittenberger Theologen Johann Förster (1495–1558) zum Ilmenauer Visitator. Porträt-Medaillons erinnern am Kirchplatz an Förster und Luther. 1558 starb Elisabeth von Brandenburg in Ilmenau. Andreas Libavius (um 1550–1646), der Verfasser des ersten systematischen Chemiebuches, der »Alchimia« von 1597, war 1581 bis 1586 Lehrer in Ilmenau.
Johannes Musäus ist der Urenkel des aus Vetschau in Brandenburg stammenden Theologen Simon Musäus (1521/29–1576/82), der 1558–1561 Professor in Jena war. Dessen Sohn Johannes Musäus (1549–1619) begründete in Meiningen den Thüringer Zweig der Familie und sein Sohn Johannes Musäus (1582–1654) heiratete die aus Ilmenau kommende Sybilla Sturm. Er war dortselbst 1616–1612 Schulrektor. Sie sind die Eltern von Musäus, auf den die Jenaer Linie zurückgeht und in dem der Ururgroßvater von Johann Karl August Musäus zu sehen ist. Musäus‹ gleichfalls in Langewiesen geborener Bruder Peter Musäus (1620–1674) wurde nach Ordinariaten in Rinteln und Helmstedt 1665 erster Theologie-Prof. an der neugegründeten Universität Kiel. Musäus in Ilmenau geborene Schwester Sabina Musäus (1607–76) heiratete den Langewiesener Johann Zimmermann, beider Urenkelin Barbara Katharina Jahn ist die Mutter des Langewiesender Schriftstellers Wilhelm Heinse.
Die Schwester der Dichterin Sidonia Hedwig Zäunemann, Martha Paulina Zäunemann, heiratete im Juni 1735 Gottfried Polycarp Kunad, der noch im Dezember 1735 als Weimarischer Stadt‑, Land- und Bergamtsphysikus nach Ilmenau bestellt wurde. Sidonia Hedwig Zäunemann kam nun öfter nach Ilmenau. Weil sich aber eine solche Reise für eine ledige Frau nicht ziemte, ritt sie in Männerkleidern und scheute weder Nacht noch Wälder: »Der finstre Tannenwald hat mich gar nicht erschrecket;/Vielmehr sein sanft Geräusch die größte Lust erwecket;/Versuchts! Es reiste sich des Nachts in Wäldern schön:/Ich hab’s erst nicht geglaubt, nun hab’ ich es gesehn.«
Das älteste Ilmenauer Bergwerk befand sich zwischen Wenzelsberg und Lindenstraße. Am 23. und 30. 1. 1737 fuhr S. H. Zäunemann als erste Frau darin ein: »Weswegen soll denn nicht ein Frauen-Bild auf Erden/Durch Leder, Licht und Fahrt ein kühner Bergmann werden?/Auch diese Tat muss rühmlich sein!/Glück auf! ich fahre freudig ein.« Kurz darauf erschien die poetische Reportage »Das Ilmenauische Bergwerck« (1737), mit der Zäunemann der Dichtung nicht nur ein neues Thema erschloss, sondern auch sozialkritische und die Frauenemanzipation betreffende Fragen stellte.
Goethe verbrachte in Ilmenau und Umgebung mehr als 200 Tage. Damit nimmt die Stadt in seiner Lebenstopographie nach Weimar, Frankfurt, Jena, Rom und Karlsbad den 6. Platz ein. Goethes erster Aufenthalt war von einem Brand und wegen der Verfolgung einer Räuberbande veranlasst. Später wurde er als Leiter der Bergbau- sowie der Kriegs- und Wegebaukommission dort tätig. Schließlich hatte er sich auch um die Neuordnung des Ilmenauer Steuerwesens zu kümmern. Trotz aller Kümmernisse und Enttäuschungen, mit denen die Ilmenauer Pflichten verbunden waren, empfand er die dort gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen als großen Gewinn. Die naturwissenschaftlichen Forschungen erfuhren hier wesentliche Impulse und trotz aller zeitlicher Belastungen wurde immer wieder an poetischen Werken gearbeitet. So am Roman »Wilhelm Meisters Lehrjahre« (1795), der in einzelnen Abschnitten sehr direkt an das »heitere Landstädtchen« erinnert.
Nach der Einstellung des Bergbaus 1796 hielt sich Goethe viele Jahre von Ilmenau fern. Erst im Sommer 1813 reiste er wieder dorthin. Er folgte der Einladung Carl Augusts, seinen 64. Geburtstag in Ilmenau zu feiern und verlebte »sieben vergnügte Tage« in erinnerungsreicher Umgebung. Auch seinen letzten Geburtstag verbrachte der 82jährige in Ilmenau, diesmal in Gesellschaft beider Enkelsöhne. Ein Mann, der sich Johann Friedrich Krafft nannte, bat Goethe 1778 von seiner Heimatstadt Gera aus um Unterstützung. Tief beeindruckt von dessen Schicksal, wurde ihm diese gewährt. Ab Mai 1779 verfasste er für Goethe Berichte über die Missstände in Ilmenau. Krafft kümmerte sich auch um das Findelkind Peter im Baumgarten (1761–1794), dessen Erziehung Goethe übernommen und den er, genau wie Krafft, in Ilmenau untergebracht hatte. Da Kraffts Identität nie gelüftet wurde, umweht ihn und sein unbekanntes Schicksal bis heute etwas Geheimnisvolles. Harald Gerlach hat Krafft zum Helden eines sprachlich dichten Prosatextes (»Steckbrief«, 1978) gemacht.
Goethe stimmte als Mitglied des Geheimen Consiliums am 13. 2. 1776 dem Vorhaben zur Revitalisierung des Ilmenauer Bergbaus zu und bekam 1777 die Leitung der Bergbaukommission übertragen. In enger Zusammenarbeit mit seinem späteren Ministerkollegen Christian Gottlob Voigt war er von nun an 20 Jahre lang mit Problemen des Bergbaus befasst. Von Anfang an gab es große Schwierigkeiten. In langwierigen Verhandlungen mussten juristische, technische und finanzielle Komplikationen beseitigt werden. Erst am 24. 2. 1784 wurde der »Neue Johannesschacht« eröffnet. Aus diesem Anlass hielt G. eine längere Rede. Trotz großer Anstrengungen gab es in der Folgezeit immer wieder Hindernisse, die kaum überwunden wurden. 1796 ereignete sich erneut eine Katastrophe. In der Nacht vom 22. auf den 23.10. stürzte der Martinröder Stollen in sich zusammen, was gewaltige Wassereinbrüche auch anderswo verursachte. Am Ende musste Goethe einsehen, dass die jahrelangen intensiven Anstrengungen vergeblich waren.
Charlotte von Stein besuchte G. am 5./6. 8. 1776 erstmals in Ilmenau, wo sie mit ihm zum Hermannstein wanderte und sie gemeinsam auf dem Kammergut Unterpörlitz zu Mittag speisten. Fortan ist sie Adressatin zahlreicher Briefe aus Ilmenau und Empfängerin von Gedichten und Zeichnungen. Herzog Carl August war neben seinem Großvater Herzog Ernst August der einzige Weimarer Fürst, der in lebenslangem Kontakt zu Ilmenau stand., was vor allem mit seiner Jagdleidenschaft zu tun hatte, aber auch mit den Problemen, die ihn die Revitalisierung des Ilmenauer Bergbaus bereiteten.
Johann Gottfried Herder kam erstmals 1780 nach Ilmenau. An J. G. Hamann schrieb er: »Die Gegend ist so herrlich, die Luft so leicht und rein, Berge, Täler und die Fichtenwälder, die auf jenen zum Himmel steigen, so erquickend.« Nach der Entfremdung mit Goethe war Knebel Herders engster Freund. 1799 und Anfang Mai 1800 kam Herder nach Ilmenau, um diesen zu sehen. Zum letzten Besuch brachte Herder Jean Paul mit, den Knebel 1796 in Weimar schätzen gelernt und der ihn schon 1799 in Ilmenau aufgesucht hatte. Nun traf Jean Paul in Ilmenau mit seiner Verlobten, Karoline von Feuchtersleben, und deren schwieriger Halbschwester zusammen. Nachdem beide Ilmenau vorfristig verlassen hatten, war die Verlobung gelöst.
Carl Wilhelm Voigt (1752–1821) war weimarischer Bergrat und wissenschaftlicher Schriftsteller. Voigt trug mit seinem Buch »Mineralogische Reisen durch das Herzogtum Weimar und einige angrenzende Gegenden« (1782) wesentlich zur geologischen Erforschung des Thüringer Waldes bei.
Die Schauspielerin und Sängerin Corona Schröter (1751–1802) war von 1776–1798 in Weimar engagiert, wo Schröter der Mittelpunkt des Musenhofes und der Star des Hoftheaters war und entsprechend umworben wurde. Für Herzog Carl August, dessen Avancen Schröter stets zurückwies, war sie »marmorschön und marmorkalt«. Ihre Liebe gehörte Hildebrand von Einsiedel, der öfter mit der Weimarer Hofgesellschaft in Ilmenau weilte; doch konnte sich keiner von beiden zur Ehe entschließen. Corona Schröter verbrachte das letzte Lebensjahr zurückgezogen und kränkelnd in Ilmenau, in dessen Waldluft sie sich Linderung für ihr »Brustübel« erhoffte.
Karl Ludwig von Knebel heiratete am 8. 2. 1798 in Ilmenau im Haus von C. W. Voigt die von Herzog Carl August geschwängerte Sängerin Louise Rudorf (1777–1852) und adoptierte deren Kind. Weil Knebel den Herzog öffentlich kritisiert hatte, schien es ihm geraten, Weimar zu verlassen und nach Ilmenau zu ziehen, wo er bis 1803 blieb. Seine junge Frau machte es ihm weder in Küche noch Stube recht, so dass die Ilmenauer Jahre diesbezüglich recht turbulent wurden. Entspannung fand Knebel bei seinen Büchern und seiner Mineralien-Sammlung sowie bei ausgedehnten Spaziergängen in der Sturmheide. Knebel arbeitete in Ilmenau an der Lukrez-Übersetzung, brachte sie jedoch nicht zum Abschluss.
August Thieme (1780–1860) war 1813–1817 Diakon in Ilmenau, wo er mit der Weimarer Regierung Schwierigkeiten bekam, weil er zu sehr betonte, »nicht (nur) für die Honoratioren zu predigen berufen« sei.
Seit 1838 schickte sich Ilmenau an, Kurbad zu werden. Unter den ersten Gästen war Johann Peter Eckermann. 1840 kurte der spätere Generalfeldmarschall und begabte Reiseschriftsteller Helmuth Graf von Moltke (1800–1891) in Ilmenau. 1873 und 1874 hielt sich Ernst Keil in Ilmenau. auf. Als ebenso berühmter wie reicher Mann spendete er für die Ilmenauer Armenkasse und den Verschönerungsverein. Noch bekannter war Joseph Victor von Scheffel, der auf Einladung seines Heidelberger Studienfreundes und nunmehrigen Ilmenauer Justizrates Karl Friedrich Schwanitz (1823–1903) vom 5. 4. bis 1. 5. 1878 im Gasthof »Tanne« in der Lindenstraße 39 wohnte. Ungestört konnte sich Schwanitz in der Ilmenauer »Champagnerluft« erholen und zum Gabelbach hinaufwandern. Theodor Fontane fuhr von Kösen aus am 22. 8. 1867 nach Ilmenau, wo er seine langjährige Korrespondenzpartnerin Mathilde von Rohr (1810–89) traf und mit ihr an den folgenden Tagen ausgedehnte Spaziergänge unternahm und sich über den Gabelbach zum Kickelhahn kutschieren ließ. Am 26. 9. 1873 kam er von Erfurt über die Schmücke nach Ilmenau, wo er übernachtete und am anderen Tag nach Schwarzburg weiterfuhr. Die wenigen Tage in Ilmenau hatten ein literarisches Nachspiel. In den ironisch-gefärbten Plaudereien »Von vor und nach der Reise« (1894) erzählt Fontane von einem Hofrat, der nach einem sechswöchigen Aufenthalt in Ilmenau wieder nach Berlin zurückgekehrt war: »Ja, schöne Wochen! Ich war ein anderer Mensch, und nicht ein einziges mal hab’ ich von dem herrlichen Kickelhahnkamm in das Waldesmeer … niedergeblickt, ohne die Schönheit und Tiefe der dort oben eingerahmten Dichterzeilen an mir selber empfunden zu haben.« Seiner Frau schlug er vor, den »körperlichen Ertüchtigungskurs« von Ilmenau in Berlin fortzuführen. Er hielt »drei Regentage lang« durch. Das Hausarzt warnte ihn davor, mit seiner »natürlichen Beanlagung für Asthma und Rheumatismus nicht den Turnvater Jahn zu spielen … alles bloß, weil sie draußen in Thüringen ein paar hustenlose Tage gehabt haben« und empfahl »Federbett, Kaminfeuer, Zeitung und dampfenden Teekessel«.
Der aus Ruhla stammende Ilmenauer Bürgerschullehrer Paul Bleisch (1869–1925) schenkte Ilmenau eine bemerkenswerte Kulturgeschichte (»Bilder aus Ilmenaus Vergangenheit«, 1910, Reprint 1987), in der auch die Literatur ihren Platz hat. Und Julius Voigt (1874–1946), von 1903–1918 Ilmenauer Realschulrektor, erarbeitete in einer bis heute gültigen Darstellung die Beziehungen Goethes zu Ilmenau (»Goethe und Ilmenau«, 1912).
Der Lyriker und Librettist Friedrich Hofmann (1813–1888) kam in den 1870er und 1880er Jahren öfter zur Sommerfrische nach Ilmenau: »Wer nicht die Wälder und Höhen kann steigen zu wonniger Schau,/Der soll zum Teufel gehen und nicht nach Ilmenau.« 1886 zog er ganz hierher. Sein Wohnhaus befindet sich in der Friedrich-Hofmann-Straße 14, wo heute eine Gedenktafel an ihn erinnert.
Der Musiker, Maler und Dichter Siegfried Burmeister (1906 ‑1998) fand in den 1950er Jahren in Weimar Anerkennung als Maler, wurde aber aus politischen Gründen 1964 nach Ilmenau ausgewiesen. Sein aus Gedichten, Aphorismen und einen Theaterstück bestehendes literarisches Werk blieb weitgehend unerschlossen. Seine Wohnung befand sich in der Schortestraße 50.
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2024 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/ilmenau/]