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Thüringen im literarischen Spiegel
Gustav Freytag
Arbeiten der Mannesjahre, in: Gustav Freytag: Gesammelte Werke, Leipzig 1887.
Meine unsichere Gesundheit, die sich nach 1848 in der Stadtluft von Leipzig nicht kräftigen wollte, hatte den Arzt veranlasst, für den Sommer Landaufenthalt zu empfehlen. Im Jahre 1851 erwarb ich deshalb ein Landhaus mit Garten zu Siebleben bei Gotha. Das altfränkische Haus, gerade für einen bescheidenen Haushalt ausreichend, war im Anfange des Jahrhunderts von dem Minister Gothas, Sylvius von Frankenberg, eingerichtet worden, es hatte damals oft die Gäste von Weimar: Karl August, Goethe und Voigt auf ihren Fahrten nach Eisenach beherbergt und war in ihrem Kreise unter dem Namen »die gute Schmiede« wohl beleumdet gewesen. Jetzt stand der kleine alte Bau, nach manchem Wechsel der Besitzer, als ein Zeugnis, wie enge, anspruchslos und doch behaglich ein früheres Geschlecht gehaust hatte. Ich fühlte mich in dem Besitz sehr wohl und siedelte jedes Frühjahr gern dorthin über. Die heitere Ruhe förderte mir auch die literarische Tätigkeit, dort ist bei weitem der größte Teil meiner größeren Arbeiten ausgesonnen.
Seitdem verlief mein Leben, wie das unserer alten Heidengötter, zweigeteilt zwischen Sommer und Winter; so oft der Frühling kam, die Obstbäume blühten, Fink und Star ihre Stimmchen erhoben, zog ich hin aus ins freie Land, dort pflanzte ich Blumen, beobachtete meine alten Lieblinge die Kürbisse, sprach mit meinen Dorfleuten kluge Worte und schrieb an meinen Büchern; genoss den Zuspruch werter Männer aus der Nähe und Ferne, verkehrte auch artig nach Hofbrauch mit Fürsten und hohen Herren. Wenn aber der Wintersturm über die kahlen Felder fegte, fuhr ich mit der Heldenschar meiner Phantasiegestalten nach der Stadt zurück, wurde Journalist und hauste, von meinen Artikeln, den Raben, umflattert, im Schatten der Bücherschränke. Dort freute ich mich an dem Hausverkehr mit vertrauten Männern der Stadt, die auf den Bänken der Wissenschaft lagerten oder im Ratstuhle und im Comptoir saßen. Im Winter sammelte ich ein, was ich im Sommer ausgab.
In der Stille des Dorfes, unter dem Blätterdach alter Linden kam im Jahr 1852 wieder die Freude an eigener Erfindung. Ich war unter das Völklein der Journalisten geraten und trug im Herzen die Bilder vieler närrischer Käuze, die ich kennen gelernt. Da machte es sich wie von selbst, dass ich dies Stück Welt, in welchem ich mit Behagen verkehrte, für mein altes Handwerk in Anspruch nahm. Die Vorbilder für die kleinen Typen der Charaktere fand ich überall in meiner Umgebung, auch die Handlung: Wahl eines Abgeordneten, an welcher meine Journalisten sich zu beteiligen hatten, lag sehr nahe. Ich schrieb das Lustspiel »Die Journalisten« in den drei Sommermonaten nieder. Nie ist mir ein Plan so schnell fertig geworden als dieser, auch bei der Arbeit empfand ich mit Befriedigung, dass die vor Jahren erworbene Sicherheit im szenischen Ausdruck unvermindert war. Als ich das fertige Stück im Herbst nach Leipzig brachte, meinte ich, mein Genosse Schmidt müsste, nächst meiner Hausfrau, der erste sein, welcher ein Urteil darüber auszusprechen hatte, ich trug es dem Überraschten zu und hatte die Genugtuung, dass er damit einverstanden war.
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