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Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution
Siegfried Nucke
Thüringer Literaturrat e.V.
Quo hos ventus tulerit,
nullus homo dixerit!
Lassen wir doch einmal das lästige Detail beiseite, dass Heinrich Hoffmann sein bekanntestes Werk, einige Jahrzehnte vor seinem ersten Besuch in Tabarz schrieb. Wer will denn ernsthaft behaupten, eine literaturwissenschaftliche Analyse käme einem Werk nur deshalb näher, weil sie sich an die Fakten hielte? Ist nicht schon längst bekannt, dass Autoren schon vor der Zeit spüren, dass sich da etwas ankündigt, nennen wir es Ahnung oder Hoffnung oder, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt, Verzweiflung.
Ist also das Nagelkind Petrus Hirsutus, vulgo der Struwwelpeter, in Wirklichkeit eine paradigmatische Modellierung des Ortes Tabarz – antithetisch aufgebaut? Oder ist das erfolgreichste Reimprodukt eines Außenlyrikers eine an das Existenzielle gebundene Auseinandersetzung mit einer Idylle ? Eine Idylle, die entzaubert werden muss? Heimat, gegen den Strich gebürstet, aufgebrochen in ihrer aufdringlichen Natur, einer Übermacht an Grün, Berg, Baum und Tal, dass es den kritischen Realisten zum Widerwort zwingen muss!
Sieh einmal, hier steht er,
Pfui ! der Struwwelpeter !
An den Händen beiden
ließ er sich nicht schneiden
Seine Nägel fast ein Jahr;
Kämmen ließ er nicht sein Haar.
Der ungebürstete Rebell – das klingt nach Herzenswunsch in einer Umgebung, die bis zum heutigen Tag Harmonie erzwingt: Eine liebliche Berglandschaft, die von jeglichen Höhen neue Sichten auf Land und Leute anbietet, leise und geruhsam. In jüngerer Zeit lässt sich an der Kleidung auswärtiger Wandergruppen erkennen, dass man Ton in Ton mit der Landschaft gehen möchte, weiche Stoffe, sanfte Farben, mutig gesetzte Konturen – alles in Korrespondenz zu Lauchagrund und Datenberg, Rotenbergwiese und Felsental.
Hilf Hoffmann, Heinrich, du hast es gespürt – Tabarz ist eine Idylle, die sich ernst nimmt. Kann man dem überhaupt widersprechen ?
Abb. 1: Ansichtskarte, um 1900 / Abb. 2-5: Fotos: Siegfried Nucke.
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