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Peter Braun und Martin Straub
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Bad Frankenhausen ist eine Stadt im Norden Thüringens am Fuße des Kyffhäusergebirges gelegen. Ihre heißen Solequellen nutzte die Stadt bereits im frühen 19. Jahrhundert für Heilzwecke und stieg damit zu einer beliebten Kur- und Ferienstadt auf. Bad Frankenhausen war Lebensort sowohl von Gerhard Wolf als auch von Christa Ihlenfeld – so der Mädchenname von Christa Wolf –, ohne dass sich ihre Wege hier bereits kreuzten.
Gerhard Wolf wurde am 16. Oktober 1928 in Bad Frankenhausen geboren und verbrachte dort seine Kindheit und Jugend. Sein Vater, Alfred Wolf, der gerne Journalist geworden wäre, arbeitete seit 1938 als Buchhalter für den nationalsozialistischen Reichskriegerbund. Dieser war auf dem nahegelegenen Schloss Rathsfeld untergebracht, wo die Wolfs wohnten. Seine Mutter starb ebenfalls 1938. Instabile, vom Krieg gezeichnete Jahre folgten, die Gerhard und sein fünf Jahre jüngerer Bruder Dieter getrennt bei Verwandten verbrachten, bis 1941 mit seiner Stiefmutter Felicitas eine überzeugte Nationalsozialistin ins Haus zog und die Kinder wieder zu sich holte. Im letzten Kriegsjahr wurde Gerhard Wolf dann im Alter von 15 Jahren als Luftwaffenhelfer eingezogen. Nach dem Krieg beendete er bis 1947 die Schule und ließ sich anschließend in drei Monaten als »Neulehrer« für Biologie ausbilden. Danach unterrichtete er für zwei Jahre in Schlotheim, das etwa 50 Kilometer von Bad Frankenhausen entfernt liegt. Durch diese Tätigkeit erwarb er sich einen Studienplatz für Germanistik und Pädagogik in Jena.
Christa Ihlenfeld, geboren am 18. März 1929, wuchs in Landsberg an der Warthe, heute Gorzów Wielkopolski auf. Ihre Eltern führten dort ein Lebensmittelgeschäft. 1945 musste die Familie die Stadt vor der heranrückenden sowjetischen Armee verlassen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Grünefeld bei Berlin und zwei Jahren in Gammelin in Mecklenburg – ein gutes halbes Jahr davon verbrachte sie in einem Lungensanatorium in Boltenhagen an der Ostsee – kam Christa Ihlenfeld im Alter von 18 Jahren nach Bad Frankenhausen. Ihr Vater, inzwischen aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, erhielt dort eine Stelle als kaufmännischer Leiter des »Hermann-Hetrich-Kindersanatoriums«. Hier erhielt die Familie zum ersten Mal wieder ein eigenes Dach über den Kopf. In Bad Frankenhausen schloss Christa Ihlenfeld ihre Schulbildung mit dem Abitur – Note: Sehr gut – ab, bevor sie im Herbst 1949 zum Studium nach Jena zog.
Da Gerhard Wolf von 1947 bis 1949 in Schlotheim als »Neulehrer« tätig war, besuchte er seine Familie in Bad Frankenhausen nur gelegentlich. So begegneten sich Christa und Gerhard in diesen Jahren nicht. Allerdings gingen ihre jeweils jüngeren Brüder in dieselbe Schulklasse. Erst in Jena, zu Beginn des Studiums, lernten sie sich persönlich kennen, verliebten sich ineinander und legten dort den Grundstein für ihre lebenslange Gemeinschaft. Die Hochzeit im Juli 1951 fand schließlich wieder in Bad Frankenhausen statt.
Die Erinnerung an Bad Frankenhausen spielt in den literarischen und essayistischen Werken von Christa und Gerhard Wolf keine herausragende Rolle. Aber einzelne Bruchstücke ragen dennoch immer wieder in ihre Arbeiten herein. Sie verraten, dass die Jahre im Kyffhäuser für beide eine prägende Zeit war. Schließlich erlebten sie dort ihre Pubertät und suchten, nachdem immer mehr Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs an den Tag drängten, nach einer weltanschaulichen Orientierung. Auf unterschiedlichen Wegen fanden beide zum Sozialismus und so traten sie denn auch, unabhängig voneinander, in diesen Jahren in die SED ein. Gerhard bereits 1946, um sich in einem symbolischen Akt von seinem Vater und vor allem seiner Stiefmutter – und damit dem Nationalsozialismus – zu distanzieren; Christa drei Jahre später, überzeugt davon, im Sozialismus eine rationale und auf wissenschaftlichen Füßen stehende Gesellschaftsform gefunden zu haben, die nach dem ideologischen Irrsinn der vergangenen 15 Jahre eine wieder menschengemäße Zukunft versprach.
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