Personen
Christian Friedrich Hunold (Menantes)
Orte
Menantes-Denkmal in Wandersleben
Thema
Dr. Cornelia Hobohm
Menantes-Förderkreis Wandersleben. Alle Rechte bei der Autorin. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Kulturen verändern sich stetig – und bleiben dennoch in ihren Traditionen beheimatet. Fragen wir uns zum Beispiel einmal, wie traditionell unsere Trauer- und Beisetzungskultur ist. Würden sich unsere Vorfahren mit heutigen Bräuchen und Ritualen identifizieren können? Wie weit haben wir uns von dem Gedanken entfernt, dass unser aller Leben endlich ist? Gewiss, es sind große Fragen. Doch was wir ahnen ist, dass sich unsere Altvorderen der Endlichkeit ihrer Existenz sehr viel bewusster waren. Das Memento Mori des Barockzeitalters gibt uns eine vage Ahnung davon. Gedenke des Todes. Denke daran, dass auch du abberufen wirst. – Ein Dichter, der vor 300 Jahren in Halle a. d. Saale starb, verschriftlichte, was wohl die meisten seiner Zeitgenossen bewegte: „Bei deinem Tode wird vor dir ein Spiegel stehen/Dein Wissen und dein Tun noch einmal zu besehen/Wohl! dein Geist allhier nicht ewiglich erschrickt/Und Christi Schweiß und Blut an jedem Fehl erblickt/Dein Herz und dein Verstand sein Gottes Sonnenwende:/So folgt die Krone drauf, ein höchst beglücktes Ende.“ Überschrieben sind die 1718 entstandenen Verse mit dem lateinischen FAC EA, QUAE MORIENS FACTA FUISSE VELIS – Tue das, wovon du, wenn du stirbst, möchtest, dass es getan sei. Der Name des Autors ist Christian Friedrich Hunold. Er nannte sich als Künstler Menantes und stieg unter diesem Pseudonym zu einem der meistgelesenen Dichter seiner Zeit auf. Geboren wurde er am 29. September 1680 im thüringischen Wandersleben, gelegen am Südrand des fruchtbaren Thüringer Beckens. Die Eltern des jungen Christian Friedrich starben früh, sie hinterließen ihren Kindern jedoch ein beträchtliches Vermögen, das ‑zumindest wissen wir das von ihrem Zweitgeborenen- in Bildung angelegt werden sollte. Somit absolvierte der junge Hunold die Lateinschule im nahegelegenen Arnstadt und besuchte danach das äußerst angesehene Gymnasium Illustre Augusteum in Weißenfels. Hier kam er mit künstlerisch und gedanklich Gleichgesinnten in Kontakt, er besuchte Opern, musizierte selbst, schrieb. Ein Jurastudium in Jena brach er ab-notgedrungen, denn die finanziellen Mittel, die dafür notwendig waren, hatte er nach kurzer Zeit regelrecht verprasst. Der Not gehorchend, beschloss Hunold, nach Hamburg zu gehen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn selbst für ein Pferd oder eine Kutschfahrt fehlte ihm das Geld. Hamburg um 1700 war eine blühende, wirtschaftlich starke Großstadt, in der die Bürger seit 1678 ein eigenes Opernhaus errichtet hatten. Somit etablierte sich eine Musik- und Kunstszene jenseits der dominierenden höfischen Kultur. Die vielen Verlage zogen wiederum Autoren magisch an, und ein großartiger Autor wollte der ungestüme Thüringer durchaus werden. Schon sein Romanerstling Die verliebte und galante Welt wird ein großer Erfolg. Das Wort „galant“ erscheint bereits im Titel und wird zum Programm für den jungen Dichter. Die Galanten waren aber keine Modeerscheinung und auch kein letztes Aufbegehren des Spätbarocks. Sie versuchten vielmehr, moderne Naturrechtslehren mit ihrem Ideal des homo politicus zu verbinden. Gewürzt werden diese Ansätze bei Menantes mit einer gehörigen Portion Erotik sowie mit Klatsch und Tratsch aus dem gesellschaftlichen Leben. Motiviert durch den Erfolg legt Menantes nach und in rascher Folge werden weitere Romane, aber auch Libretti und Gedichte publiziert. 1704 erscheint eines seiner Hauptwerke: Der Europäischen Höfe Liebes- und Heldengeschichte. Der galanten Welt zur Verfügung gestellet. Seine Manier der satirischen Zuspitzung und der Karikierung von Zeitgenossen übertreibt er jedoch bald derart, dass er nach dem Erscheinen seines Satyrischen Romans 1706 um seine Freiheit fürchten muss. Fluchtartig verlässt er die Hansestadt und zieht sich für zwei Jahre in seinen Geburtsort zurück. Hier, in Wandersleben, muss ein Sinneswandel stattgefunden haben. Er publiziert von Thüringen aus fleißig weiter, doch seine Tonart ändert sich, gar distanziert er sich von seinem Frühwerk. Bereut er wirklich? Oder will er sich eine bessere Reputation verschaffen? Wir wissen es nicht. Wir wissen jedoch, dass es ihm gelingt, eine Dozentenstelle an der Universität Halle zu erlangen. Ab 1708 lehrt er dort Rhetorik und Poetik, außerdem promoviert er zum Dr. jur. Er heiratet, vier Kinder erblicken das Licht der Welt, nur zwei werden das Erwachsenenalter erreichen. Menantes, der Wilde, der Freche, wird bürgerlich, geradezu fromm. Doch wirkt er auch in seiner pietistischen Frömmigkeit schon wieder ekstatisch. Welches ist das wahre Gesicht dieses Mannes? Menantes übersetzt Fabeln La Fontaines aus dem Französischen, er veröffentlicht Poetiklehren und Briefsteller, er schreibt Gedichte, gern auch Auftragslyrik und Herrscherlob, arbeitet weiterhin an Libretti (von denen einige von Bach, von Telemann, von Keiser und Fasch vertont wurden). Nur einen Roman wird er nie wieder schreiben.
Menantes starb am 06. August 1721 in der Saalestadt, gerade 41 Jahre jung. Das ehemalige enfant terrible der nord- und mitteldeutschen Kulturszene hinterlässt viele Rätsel, lässt Raum für Spekulatives, für Mutmaßungen: Wie stark war er wirklich vom Hallenser Pietismus geprägt, wie stark von der Aufklärung? Oder blieb er im Herzen der lebensfrohe Genussmensch, der Prototyp des Barockzeitalters, der über das Carpe Diem immer das Memento Mori mitdachte? Menantes war ein Mensch, der den Bruch seiner Zeit in seiner eigenen Person und in seinem Schaffen verkörpert hat. Genau das macht ihn für uns heute noch interessant. Das 2003 eingeweihte Menantes-Denkmal in Wandersleben trägt Verse aus der Bachkantate Von der Vergnügsamkeit (BWV 204), deren Libretto von Menantes stammt: Meine Seele sei vergnügt/ Wie es Gott auch immer fügt/ Dieses Weltmeer zu ergründen/ ist Gefahr und Eitelkeit/ in sich selber muss man finden/ Perlen der Zufriedenheit. Den an barocke Formen angelehnten Obelisken aus Seeberger Sandstein krönt eine polierte Kalksteinkugel; sie symbolisiert jene Perle der Zufriedenheit. Innehalten im Getriebe und Geschiebe des Daseins, Genuss und Reflexion, Freude erfahren und Trauer zulassen – vielleicht finden wir so diese Perle.
Wer mehr über den Dichter erfahren möchte, kann dies in der seit 2005 bestehenden Wanderslebener Menantes-Gedenkstätte tun. Eine vorherige Anmeldung wird derzeit empfohlen.
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