Personen
Friedrich Heinrich Freiherr von Fritsch
Ort
Thema
Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution
Jens Kirsten / Ursula Klimmer
Thüringer Literaturrat e.V. / Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Laut Adressbuch der Großherzoglichen Haupt- und Residenzstadt Weimar wohnte Familie von Fritsch ab 1906 in der Gutenbergstraße 16 in einem Haus, welches der Vater für die Familie hatte erbauen lassen.
Nachdem mein Vater ein eigenes Haus in Weimar hatte bauen lassen, wuchsen die Ausmaße der Festivitäten mit dem zusätzlich zur Verfügung stehenden Raum. Einmal fanden die Gäste, einschließlich der beiden Königlichen Hoheiten, die Räume aller Gegenstände der westlichen Zivilisation beraubt und in ein japanisches Haus umgestaltet. Das Abendessen jedoch war europäisch und man konnte auf normalen Stühlen sitzend die Vorstellungen von zwei japanischen Theaterstücken verfolgen. Ein ganzes Heer von Fachleuten war beschäftigt worden, um alles möglichst original und genau zu bewerkstelligen, angeführt von Herrn von Brand, einem ehemaligen Botschafter am chinesischen Hof, der auch Japan sehr gut kannte. Sein Garten grenzte an den unseren und seine Sammlungen östlicher Kunstgegenstände waren für mich die erste und prägendste Berührung mit Kunst. Die Theaterstücke wurden von Thea von Harbou geleitet, die später Filmruhm erwarb.
Bereits vor dem Tod des Vaters 1918 wurde das Weimarer Haus von der Familie nicht mehr bewohnt. Aufgrund des Wohnungsmangels nach der Revolutionszeit wurde es »requiriert«, d.h. zugewiesene »Zwangsmieter« mußten akzeptiert werden. Auf diese Weise wurde Halkett ab 1919/20 der Vermieter für Lyonel Feininger und dessen großer Familie, bis zu deren Umzug nach Dessau. Feiningers Vormieter, ein ebenfalls »zugewiesender« preußischer General, hatte nur anfänglich Freude darüber ausgelöst. daß er allein und ohne Anhang das Haus bewohnen würde:
Obwohl, vielleicht wären ein halbes Dutzend Familien doch besser gewesen. Der General, ganz sich selbst überlassen, hatte die Tannen im Garten fällen lassen, vermutlich um Brennholz zu gewinnen. Offensichtlich war er der Überzeugung gewesen, nur eben ein weiteres Militärquartier zu beziehen, und hatte entsprechend gehaust. Ich fragte mich schon, wie er es geschafft haben mochte, die holländischen Kacheln in der Küche zu zerstören, die doch eigentlich recht stabil waren. Vielleicht war es ihm mit Handgranaten gelungen. Wie auch immer, der Rest des Hauses war noch intakt und es gehörte schon allerhand dazu, uns in diesen Tagen in Erstaunen zu versetzen.
Als Halkett 1923 nach Weimar zurückkehrte, um sein Studium am Bauhaus zu beginnen, zu dem ihm Feininger privat schon ab 1921 geraten hatte, durfte er nicht als Untermieter seines Bauhaus-Meisters im eigenen Elternhaus wohnen. Er mußte sich eine andere Bleibe suchen:
Lyonel Feininger, damals am Bauhaus Formmeister, war mir dann ein freundlicher Helfer. Er und seine ganze Familie begleiteten mich, um mit meinen Milliarden Vorräte zu kaufen und er gab mir dann den Gegenwert in sogenanntem thüringischen Notgeld zurück, das sich auf den Goldwert stützte. Denn ich war nicht nur Feiningers Student, sondern auch sein Vermieter. Er war der Nachfolger des preußischen Generals gewesen, somit auch ein ›Zwangsmieter‹. Und nicht nur das. Ich mußte das Haus unmöbliert vermieten, da ich als ›nicht notleidend‹ eingestuft wurde — was immer das zu bedeuten hatte. Feininger war ebenfalls ›nicht notleidend‹ und also nicht berechtigt, mir ein möbliertes Zimmer unterzuvermieten, wobei er aufgrund seiner großen Familie wohl auch keines übrig gehabt hätte. Deshalb ergab sich die paradoxe Lage, daß ich mir in einer überfüllten Stadt eine Bleibe suchen mußte, obwohl ich dort ein Haus mein eigen nannte. Später, nachdem ich den Vorkurs absolviert hatte, teilte ich mir dann ein Bauhaus-Atelier mit einem Kameraden, aber während der ersten Monate mußte ich mich mit einer Kammer auf einem Dachboden begnügen.
Halkett gehörte, als Mitglied der Bühnenwerkstatt unter Oskar Schlemmer, zu den berüchtigten »Bauhäuslern«, die in der Stadt als »Rote« verschrieen waren. Diesen Ruf verdankten sie den aufgeregten, unruhigen Zeiten. Die Kurse und praktischen Arbeiten der Bauhaus-Studenten bestanden aus experimentellem Umgang mit Material und Gestaltung; in den frühen Jahren in Weimar wurde viel diskutiert und erprobt im Geist einer »Revolution der Künste«, teils im Widerstreit mit den Vorstellungen der von Walter Gropius berufenen Form-Meister.
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