Vor 400 Jahren in Weimar gegründet: Deutschlands erste literarische Gesellschaft
7 : Literatur und Politik

Ort

Jena

Thema

Schriftsteller der Frühen Neuzeit

Autor

Christoph Schmitz-Scholemann

Thüringer Literaturrat e.V.

Der Gedanke, die deut­sche Spra­che und Lite­ra­tur als eine iden­ti­täts­stif­tende Kraft zu pfle­gen und zu för­dern, leuch­tet bei unse­rem poli­ti­schen Per­so­nal heute allen­falls anläss­lich gele­gent­li­cher Preis­ver­lei­hun­gen, Par­tei­tags­re­den oder ande­rer Wei­he­hand­lun­gen auf. Für die poli­ti­sche Lyrik von Pres­se­mit­tei­lun­gen, Wahlp­kampf­pla­ka­ten usw. sind Sozio­lo­gen oder Wer­be­tex­ter zustän­dig. Dass Poli­ti­ker sich für die Spra­che in einer Weise inter­es­sie­ren könn­ten, dass sie bereit wären, sich dar­über zu strei­ten, dürfte eine sel­tene Aus­nahme sein. Die admi­nis­tra­tive Pra­xis ist eine weit­ge­hend lite­ra­tur­freie Zone. Als die deut­sche Bun­des­kanz­le­rin am 22. April 2008 ein Geburts­tags-Essen für den Vor­stands­vor­sit­zen­den einer gro­ßen deut­schen Bank im Bun­des­kanz­ler­amt aus­rich­tete, stand als Ver­tre­ter des kul­tu­rel­len Lebens kein Maler und kein Musi­ker, kein Lyri­ker und kein Roman­cier, kein Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­ler oder Essay­ist auf der Gäs­te­liste, son­dern – er ist gewiss ein ehren­wer­ter Mann! – der lang­jäh­rige Pro­gramm­di­rek­tor der vier fröh­li­chen Wel­len von Radio Luxem­burg, Frank Elst­ner. Und selbst der musste ganz am Rand sitzen.

Was das Ver­hält­nis zwi­schen Lite­ra­tur und Poli­tik betrifft, ist also durch­aus Luft nach oben. Wie diese Luft zu fül­len wäre, dar­über nach­zu­den­ken und dann auch danach zu han­deln, wäre des Schwei­ßes der Edlen wert. Vor­erst aber wol­len wir uns daran freuen, dass die Frucht­brin­ger von damals auch heute wei­ter­wir­ken, und zwar – wie die Poli­ti­ker so gerne sagen – aus der Mitte der Zivil­ge­sell­schaft her­aus. Zwei Insti­tu­tio­nen seien statt der vie­len hun­dert, die es in Deutsch­land gibt, genannt:

Da ist  die  »Thü­rin­gi­sche Literar­his­to­ri­sche Gesell­schaft Palm­baum e.V.« in Jena.  In der Tra­di­tion der »Frucht­brin­gen­den Gesell­schaft« ste­hend dient der Ver­ein der streit­ba­ren Erschlie­ßung des lite­ra­ri­schen Erbes sowie der För­de­rung gegen­wär­ti­ger Lite­ra­tur und Spra­che in Thü­rin­gen. Auf der Web­seite heißte es: »Aus regio­na­ler Ver­wur­ze­lung ins Welt­of­fene stre­bend, hat die Gesell­schaft sich nicht die hei­mi­sche Tanne zum Zei­chen erwählt, son­dern wie die »Frucht­brin­ger« im Barock den viel­fäl­tig nutz­ba­ren Palm­baum.«  Seit dem Jahre 1993 löst die von Jens-Fietje Dwars betreute Zeit­schrift »Palm­baum« die­sen Anspruch Heft für Heft ein – das kom­mende Heft wird übri­gens den Frucht­brin­gern gewid­met sein.

In Sach­sen-Anhalt, genauer gesagt in Köthen, grün­dete sich 2007 die »Neue Frucht­brin­gende Gesell­schaft«. Sie betreibt unter dem Vor­sitz der Com­pu­ter-Lin­gu­is­tin Uta See­wald-Heeg im Köthe­ner Schloss eine wun­der­bare Aus­stel­lung zur deut­schen Spra­che, in der als eines von vie­len Schau­stü­cken eine vor fast 400 Jah­ren erfun­dene und noch heute funk­tio­nie­rende Wort­bil­dungs­ma­schine steht, sie ver­an­stal­tet einen Schreib­wett­be­werb für Kin­der, betreibt eine Daten­bank für gutes Deutsch, küm­mert sich um die »Straße der deut­schen Spra­che« (Wein­stra­ßen gibt es ja wahr­lich genug), hält Kon­fe­ren­zen ab und lädt zu Lesun­gen ins Schloss – wo ganz neben­bei, eine audio­vi­su­elle Land­karte zu bewun­dern ist. Sie erschließt den in den letz­ten Jahr­zehn­ten immer wei­ter ins Abseits gedräng­ten und doch so rei­chen Schatz deut­scher Dialekte.

 Vor 400 Jahren in Weimar gegründet: Deutschlands erste literarische Gesellschaft:

  1. Gründung der »Fruchtbringenden Gesellschaft«
  2. Nach dem Vorbild der »Accademia de la crusca« in Italien
  3. Gleichheit unter dem Zeichen der Palme
  4. Würde, Schönheit und Geist des Deutschen
  5. Eine Lanze für die Rechtschreibung und eine wider die Übelschreibung
  6. Sprache und Literatur als identitätsstiftende Kraft
  7. Literatur und Politik
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