Schiller in Meiningen
2 : Das Haus des Brautsuchers – Ernestinerstraße 11

Etwa zwei Minu­ten Fuß­weg sind es vom Schloss­platz bis zu jenem schmu­cken Gebäude, in dem sich heute das Hotel-Café »Ernes­ti­ner­hof« befin­det. Hier wohnte der her­zog­li­che Sekre­tär und Biblio­the­kar Wil­helm Rein­wald zu jener Zeit, als sich Fried­rich von Schil­ler im nahen Bau­er­bach auf­hielt. Sicher nicht in einer der hel­len Woh­nun­gen des Vor­der­hau­ses, auch nicht im attrak­ti­ven Roko­ko­bau hin­ter dem Haus­gar­ten. Sei­nen Ver­hält­nis­sen ent­spre­chend, dürfte der schlecht bezahlte Fürs­ten­die­ner in einem dunk­len, schlecht geheiz­ten und bil­lig ein­ge­rich­te­ten Stüb­chen sein trau­ri­ges Jung­ge­sel­len­da­sein beklagt haben.

In die­sem Haus hat Schlam­pig­keit Lite­ra­tur­ge­schichte geschrie­ben. Die Schlam­pig­keit des würt­tem­ber­gi­schen Deser­teurs und Bau­er­ba­cher Asy­lan­ten Fried­rich von Schil­ler. An einem Mai­tag hatte die­ser wie­der ein­mal sei­nen Freund Rein­wald in des­sen Woh­nung auf­su­chen wol­len. Der Freund aber war nicht zu Hause. Schil­ler ver­kürzte sich die War­te­zeit mit dem Lesen von Brie­fen. Es begann zu däm­mern, und da Rein­wald noch immer nicht auf­tauchte, machte sich der Besu­cher ver­dros­sen auf den Rück­weg. Als der Biblio­the­kar spä­ter sein Zim­mer betrat, fand er Schil­lers ver­ges­sene Brief­ta­sche vor. Die Schlam­pig­keit des Freun­des als Zei­chen des Ver­trau­ens deu­tend, las Rein­wald die darin befind­li­chen Schrei­ben. Beson­ders fes­selte ihn ein Brief von Chris­to­p­hine. Ohne dass Freund Schil­ler es ahnte, ant­wor­tete Rein­wald an sei­ner statt und es ent­spann sich eine Kor­re­spon­denz zwi­schen bei­den. Im Juni 1784 brach Wil­helm Rein­wald zu einer lan­gen Reise durch Süd­deutsch­land auf. Als er im August wie­der Sach­sen-Mei­nin­gi­schen Boden betrat, hatte er die Fami­lie Schil­ler ken­nen gelernt, Chris­to­p­hine einen Hei­rats­an­trag gemacht und sich des­we­gen mit Freund Fried­rich über­wor­fen. Der näm­lich hatte sei­ner Lieb­lings­schwes­ter eine bes­sere Par­tie gewünscht. Am 4. Juli 1786 traf die frisch ver­mählte Chris­to­p­hine an der Seite ihres zwan­zig Jahre älte­ren Gat­ten in Mei­nin­gen ein. Ins­ge­samt 55 Jahre ver­brachte sie in der Wer­ra­stadt und sorgte auf Grund ihrer geis­ti­gen Reg­sam­keit noch im 90. Lebens­jahr dafür, dass Mei­nin­gen vom Kuchen des auf­kom­men­den Schil­ler-Kul­tes im 19. Jahr­hun­dert eine dicke Schnitte abbekam.

 Schiller in Meiningen:

  1. Das Schloss Elisabethenburg
  2. Das Haus des Brautsuchers - Ernestinerstraße 11
  3. Schillereiche - Gabelung Schillerstraße und Nachtigallenstraße
  4. Steinernes Haus - Anton-Ulrich-Straße 43
  5. Gasthaus »Zum Hirsch« am Markt
  6. Das Grab - Parkfriedhof an der Berliner Straße
  7. Heimsches Haus - Ecke Georgstraße und Klostergasse
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