1864 Braunschweig
1947 Schönberg im Taunus
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Unangepasst: Die Jenaer Jahre der Ricarda Huch
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Charlotte Krause
Ricarda Octavia Huch (*18. Juli 1864 in Braunschweig; † 17. November 1947 in Schönberg im Taunus, heute Stadtteil von Kronberg) – Schriftstellerin, Dichterin, Philosophin, Historikerin.
Ricarda Huch wuchs im Kreise einer Kaufmannsfamilie in Braunschweig auf. In Zürich holte sie 1886 das Abitur nach und studierte daraufhin Geschichte, Philologie und Philosophie. 1892 promovierte sie als eine der ersten Frauen an der philosophischen Fakultät der Universität Zürich. Während ihres Studiums an der Universität Zürich arbeitete sie unentgeltlich in der dortigen Stadtbibliothek. 1891 wurde für sie eigens eine Sekretärstelle geschaffen. Huch beschäftigte sich vor allem mit Korrespondenzen und der Verarbeitung von Druckschriften.
1894 erschient Huchs erstes Bühnenwerk Evoë!. Während ihrer Arbeit als Bibliothekarin und Schriftstellerin war sie zusätzlich als Lehrerin an der Töchterschule zu arbeiten. Dies führte dazu, dass sie schlussendlich ihre Arbeit als Bibliothekarin 1894 aufgab. 1895 erschien das von ihr verfasste Neujahrsblatt über die Nachrichtensammlung des Zürcher Chorherrn Johann Jakob Wick. Wicks eingehende Beschreibungen eines Exorzismus inspirierten Huch zum Schreiben der Novelle Eine Teufelei. Nachgelassene Papiere des Staatsschreibers Potzmanterle.
Ab 1897 lebte sie in Wien, wo sie 1898 den Zahnarzt Ermanno Ceconi heiratete. Zwei Jahre, 1898–1900, lebte sie mit ihm in seiner Heimatstadt Triest, die damals zu Österreich gehörte. 1906 wurde die Ehe der beiden geschieden.
Viele ihrer Bücher entstanden in München, z.B. ihre Biographie Michael Bakunin und die Anarchie (1923), wo sie mit wenigen Unterbrechungen seit 1912 lebten. 1927–1932 lebte sie mit ihrer Tochter in Berlin, wo sie während dieser Zeit die Nachricht vom Tode ihres Mannes erreichte. In Berlin entstand eine Arbeit über die Deutsche Revolution 1848/49, Alte und neue Götter (1930).
Huch verweigerte, eine von den Mitgliedern der Preußischen Akademie der Künste verlangte Loyalitätserklärung gegenüber dem neuen Regime der Nationalsozialisten abzugeben. 1933 trat sie als erstes Mitglied aus der Akademie aus aufgrund des erzwungenen Ausschlusses Alfred Döblins. Dennoch blieb sie angesichts ihrer italienischen Verbindungen und wegen des befürchteten negativen Propagandaeffekts vom Regime unangetastet. Ihr 1934 erster erschienener Band der Deutschen Geschichte, die das Regime als implizite Kritik verstand, wurde von der offiziellen Literaturkritik dennoch verrissen. Der zweite Band erschien nur unter großen Schwierigkeiten, der letzte 1941 fertiggestellte überhaupt nicht mehr.
1935–1945 lebte sie mit ihrer Tochter und deren Ehemann Franz Böhm in Jena. Dort wurde Ricarda Huchs Wohnung am damaligen Oberen Philosophenweg (heute Ricarda-Huch-Weg) zu einem Gesprächsort, wo sich regimekritische Künstler und Wissenschaftler trafen. Ihr Gefühlszustand zu dieser Zeit kann als innere Emigration verstanden, wo doch u.a. sie und ihr Sohn vom Hochschullehrer Richard Kolb denunziert wurden, da sie bei einer privaten Einladung im Mai 1937 die Politik der Nationalsozialisten kritisiert hatten. Glücklicherweise standen beide unter der Protektion des nationalsozialistischen Reichsjustizministers Franz Gürtner. 1944 erhielt Huch den Wilhelm-Raabe-Preis.
In ihren letzten Jahren sammelte Ricarda Huch verschiedene Dokumente über Frauen und Männern, die für den Widerstand in Zeiten des Nationalsozialismus gekämpft hatten. Ihr letztes Buchprojekt konnte sie jedoch nicht vollends beenden – dennoch prägten sich durch sie Namen wie Die weiße Rose und die Geschwister Scholl der Nachwelt ein. Nach ihrem Tod gingen die Dokumente teils an die Eigentümer zurück, teils an das Institut für Zeitgeschichte in München. 1997 wurden die Originalarbeiten Ricarda Huchs im Leipziger Universitätsverlag veröffentlicht: In einem Gedenkbuch zu sammeln … Bilder deutscher Widerstandskämpfer.
In der Nachkriegszeit wurde Huch vielfach geehrt. 1946 zeichnete die Jenaer Friedrich-Schiller-Universität Huch mit der Ehrendoktorwürde aus. Zudem war sie Ehrenpräsidentin auf dem Ersten deutschen Schriftstellerkongress und Alterspräsidentin der Beratenden Landesversammlung Thüringen, dem ernannten ersten Vorparlament des wiedererrichteten Landes Thüringen.
Da ihr Schwiegersohn Franz Böhm in Hessen Kultusminister geworden war, zog sie von Jena nach Frankfurt am Main. Die Fahrt jedoch schwächte sie derart, dass sie im Gästehaus der Stadt Frankfurt in Schönberg am 17. November 1947 starb. Ihr Ehrengrab liegt auf dem Hauptfriedhof Frankfurt.
Abb.: Aufnahme um 1930, Foto von Wanda von Debschitz-Kunowski.
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