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Ulrich Kaufmann
Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors. Erstdruck in: Palmbaum 2/2023.
Ulrich Kaufmann
Ein Standardwerk
Wilfried Lehrke hat nach einem Jahrzehnt Arbeit nunmehr mit dem 5. Band seine Weimar-Chronik abgeschlossen. Dokumentiert werden die Jahre von 1962 bis 1967. Eine der zentralen Fragen für diesen Zeitraum lautete: Wird es nach 1961 gelingen, die Goethe-Gesellschaft, über die Grenze hinweg, zusammenzuhalten? Eine politische Entscheidung. Nach langen Debatten war es Ulbricht, der das Bestreben der Mitglieder aus beiden Staaten unterstützte. Was Helmut Holtzhauer (als Vizepräsident) und der Westberliner Germanist Andreas B. Wachsmuth (als Präsident) für den Erhalt dieser »gesamtdeutschen« Literaturgesellschaft leisteten, kann kaum übersch.tzt werden. Trotz beträchtlicher politischer Differenzen und eines unterschiedlichen Goethe-Verständnisses, gelang es beiden Seiten, durch schwieriges Fahrwasser zu kommen. Angedacht war seinerzeit eine eigene Goethe-Gesellschaft der DDR oder aber eine internationale Goethe- Vereinigung, in der die DDR eine Führungsrolle anstreben sollte.
Wachsmuth hatte ein echtes Interesse an der DDR. Immer wieder fragte der solidarische Präsident in Weimar an, womit er helfen könne: auch mit Schreibmaschinen, Ersatzteilen und Briefumschlägen.
Um das umfangreiche Material darzubieten (Briefe, Pressetexte, Versammlungsprotokolle u.a.) hat der Herausgeber das Regestverfahren gewählt. Sparsam werden hier und da Lesehilfen gegeben.
In Steffen Dietzschs Besprechung der ersten Lehrke-Bände (Palmbaum 2/2019) taucht der Name Holtzhauer nicht auf. Dabei ist er auch in dem vorliegenden Band der Protagonist. Lehrke zitiert mehrfach Holtzhauers Weimarer Tagesnotizen (erschienen 2017). Im besagten Zeitraum ging es desöfteren um die Zeitschrift Weimarer Beiträge, die Holtzhauer 1955 angeregt hatte. Erst danach übernahmen der Germanist Thalheim und der Dichter Fürnberg die redaktionelle Arbeit.
Zu den bleibenden Leistungen der NFG und ihres Direktors gehört seit 1956 die umfangreiche Edition der Bibliothek Deutscher Klassiker (BDK). So gab Holtzhauer – mit seinen Mitarbeitern – die zwölfbändige Goethe-Werk-Ausgabe, die Briefe Goethes sowie eine Heineund eine Winckelmann-Edition heraus. Das Großprojekt Lexikon der deutschen Klassik dagegen scheiterte.
Auch die Bitterfelder Konferenz von 1964 spielte für die Arbeit der NFG eine wesentliche Rolle. Das Anliegen dieser Initiative nahm Holtzhauer ernst. Man ging in die Betriebe, lockte Arbeiter und Bauern nach Weimar: ins Theater, in die Museen und Gedenkstätten. Auch weil man überzeugt war, dass weitere Kulturorte nur erfolgreich erschlossen werden können, wenn man Arbeiter, Handwerker, Bauern, Gastwirte u.a. in diese Prozesse einbindet. Besonders wird dies durch die gewaltigen Anstrengungen beim Wiederaufbau des Wasserschlosses Kochberg (mit Theater und Park) erfahrbar. Lehrke dokumentiert den Tagebuchauszug eines jungen Kustoden: Der kämpfte gegen Windmühlen, fror, verlor fast seine Familie, scheiterte und floh – ohne Abschied.
Holtzhauers Leistung, die Restaurierung und Erschließung der Erinnerungsorte für Wieland, Goethe, Herder und Schiller, findet in den Dokumenten eine gebührende Würdigung. Nur seinen privaten Notizen vertraute der Direktor seine Mühen und Zweifel an.
Germanisten, Literaturfreunde, Historiker, Architekten und Restauratoren, die sich für eine umfassende Sicht auf die Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten interessieren, sollten zum »LEHRKE« greifen. Diese Bände lesen sich spannend und enthalten weit mehr, als man in wenigen Zeilen anzudeuten vermag.
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