Louis Fürnberg und Walter Werner. Dem Dichter Walter Werner zum 100. Geburtstag am 22. Januar 2022 – Von Ulrich Kaufmann

Personen

Walter Werner

Ulrich Kaufmann

Orte

Vachdorf

Untermaßfeld

Thema

Nachrufe & Gedenken

Autor

Ulrich Kaufmann

Alle Rechte beim Autor. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Seit 1954 enga­gierte sich Louis Fürn­berg für junge Dich­ter, nament­lich für thü­rin­gi­sche. Diese hat­ten vor dem Ende des Welt­krie­ges meist andere Urer­leb­nisse gehabt als er. Einer sei­ner »Schütz­linge« war der spä­ter nam­hafte Lyri­ker und Pro­sa­schrift­stel­ler Wal­ter Wer­ner. Der aus dem Land­pro­le­ta­riat kom­mende, unehe­li­che Sohn einer Häus­le­rin wurde 1922 im thü­rin­gi­schen Vach­dorf gebo­ren. Nach sei­ner Volks­schul­zeit schloss sich eine Aus­bil­dung zum Maler an. Schreck­li­che »Lehr­jahre« im Reichs­ar­beits­dienst, in der Wehr­macht und schließ­lich in ame­ri­ka­ni­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft, die er im Hes­si­schen ver­brachte, folg­ten nach 1941.

Nach Kriegs­ende schloss sich der Rück­keh­rer der KPD an, wurde bald dar­auf SED-Mit­glied. Man schickte den jun­gen Wer­ner 1946 auf die Lan­des­par­tei­schule nach Bad Berka.  In den ers­ten Jah­ren nach 1945 arbei­tete Wer­ner vor allem in ver­schie­de­nen Kul­tur­funk­tio­nen. So war er als Kreis­se­kre­tär des Mei­nin­ger Kul­tur­bun­des tätig. Von 1948 bis zu sei­nem Tode 1995 lebte er in Unter­maß­feld bei Mei­nin­gen. Im Jahre 1953 war er  Mit­be­grün­der der »Arbeits­ge­mein­schaft jun­ger Autoren« in Suhl.  Auf einer Ver­an­stal­tung jun­ger Autoren wurde Louis Fürn­berg, seit 1954 in Wei­mar ansäs­sig, auf Wal­ter Wer­ner auf­merk­sam. Wenig spä­ter schickte der durch die thü­rin­gisch-frän­ki­sche Land­schaft geprägte ange­hende Poet erste Gedichte in die Goe­the-Stadt. Bald erkannte Fürn­berg, dass er es mit einer beson­de­ren Bega­bung zu tun hatte. Spä­ter, 1956, sprach er von einem Hoch­be­gab­ten«, gar von einem »Genie«. (Louis Fürn­berg: Briefe, Bd. 2, Ber­lin u. Wei­mar 1986, S. 313.)

Wer­ner war schüch­tern, traute sich kaum in grö­ßere Künst­ler-Kreise, in denen Fürn­berg gerade ihn gern gese­hen hätte. Gele­gent­lich merkte der Wei­ma­rer Men­tor an,  sein Zög­ling möge in die Briefe kein Rück­porto mehr legen. Gerade weil Fürn­berg viele Verse Wer­ners schätzte, hat er ihn inten­siv geför­dert und ermu­tigt, ihn indes­sen glei­cher­ma­ßen hart gefor­dert. Zu Som­mer­be­ginn 1955 schreibt der Men­tor nach Unter­maß­feld. »Ihr Manu­skript habe ich mit gro­ßem Inter­esse gele­sen, es ist aber lei­der so, dass es nicht eigent­lich einen Fort­schritt gegen­über den frü­he­ren ver­rät. Immer sind es die Land­schafts- und Natur­ge­dichte, in denen Sie den reins­ten Aus­druck fin­den und immer wie­der durch poe­ti­sche Zei­len und Verse über­ra­schen. Wo Sie sich aber mit den gro­ßen Ereig­nis­sen unse­rer Gegen­wart aus­ein­an­der­set­zen, ver­lie­ren Sie an Kraft oder ver­lau­fen Sie sich allzu stark ins rein Rhe­to­ri­sche.« (L. F.: Briefe, Bd. 2, Ber­lin u. Wei­mar 1986, S. 145)

Fürn­berg erkannte 1956 die Stär­ken des jun­gen Autors. Der gestan­dene Poet Fürn­berg war seit sei­ner frü­hen Agit-Prop-Zeit in der Gruppe »Echo von links« ein poli­ti­scher Autor, der auch das Mit­tel der Satire zu nut­zen wusste. Zugleich war der von Rilke kom­mende sen­si­ble Poet ein Natur­ly­ri­ker, ein Poet  des Herbs­tes, Ver­fas­ser wun­der­ba­rer Kin­der- und Lie­bes­ge­dichte. Im Geiste der fünf­zi­ger Jahre wollte Fürn­berg vor allem den poli­ti­schen Dich­ter Wal­ter Wer­ner vor­an­brin­gen. Dabei war Wer­ner kei­nes­wegs unpo­li­tisch. Sein ers­ter Gedicht­band »Licht in der Nacht« zeigt, dass der lyri­sche Spre­cher seine soziale Stel­lung reflek­tiert und über seine gestoh­le­nen Jugend­jahre wäh­rend des Krie­ges nach­zu­den­ken beginnt.

Knapp ein Jahr vor dem ers­ten Lyrik-Buch Wal­ter Wer­ners schrieb Fürn­berg: »Ich kann nicht anders, als Ihnen herz­lich zu gra­tu­lie­ren und zu erklä­ren, dass Sie in der kur­zen Zeit unse­rer Bekannt­schaft ein über­zeu­gen­des künst­le­ri­sches Wachs­tum nah­men.« (L. F.: Briefe, Bd. 2, Ber­lin u. Wei­mar 1986, S. 316) Merk­wür­di­ger­weise spra­chen sich Fürn­berg und Wer­ner mit »Sie« an, obgleich sie Genos­sen einer Par­tei waren.

Es gab nichts, worum sich Fürn­berg im Vor­feld der Arbeit an dem Lyrik­bänd­chens nicht geküm­mert hätte: Er ebnete Wer­ner den Weg zur »Neuen deut­schen Lite­ra­tur« (NDL), der Zeit­schrift des DDR-Schrift­stel­ler­ver­ban­des. Bei dem Redak­teur und Dich­ter Gün­ther Dei­cke mahnte er mehr Sorg­sam­keit und Geduld mit den Nach­wuchs­dich­tern an. Jün­ge­ren gab Fürn­berg immer wie­der Lek­tü­re­tipps, ver­schenkte groß­zü­gig Bücher, half mit Geld aus. Vor allem war Fürn­berg auf der Suche nach einem geeig­ne­ten Ver­lag für Wal­ter Wer­ners Debüt­band »Licht in der Nacht«. Er klopfte in die­ser Ange­le­gen­heit beim Ver­lag Volk und Welt an, ver­suchte es bei »sei­nem« Dietz Ver­lag und star­tete – mit Hilfe sei­nes Freun­des Franz Füh­mann – einen Ver­such beim Ver­lag der Nation. Letzt­end­lich erschien das mit einem knap­pen Text Fürn­bergs ver­se­hene Bänd­chen »Licht in der Nacht« 1957 im Wei­ma­rer Volks­ver­lag. Der Men­tor hatte die Gedicht­aus­wahl des 45 Sei­ten umfas­sen­den Büch­leins getrof­fen. Wer­ners Debüt sollte Fürn­bergs  geplante, mehr­bän­dige Reihe »Erbe und Gegen­wart« eröffnen.

Das Buch­de­büt sei­nes Schütz­lings konnte Fürn­berg, der im Juni 1957 über­ra­schend starb, nicht mehr erle­ben. Einer der ers­ten Rezen­sen­ten des Bänd­chens war übri­gens Gün­ther Dei­cke, der Wer­ners Bega­bung nun­mehr in der NDL zu wür­di­gen wusste.

Fürn­berg hatte Wer­ner 1956 (wie auch sei­nen zwei­ten »Lehr­ling« Eck­art Krumbholz) an das Leip­zi­ger Lite­ra­tur­in­sti­tut zu Alfred Kurella geschickt. Wie sich Fürn­berg um die­sen jun­gen jun­gen Autor bemühte, hat der damals in Wei­mar lebende  Krumbholz  (1937–1994) selbst geschil­dert. Eine gekürzte Fas­sung sei­ner »Nach­hil­fe­stun­den bei Louis Fürn­berg – Auf­zeich­nun­gen eines Lehr­lings« kann man im jüngs­ten Buch über Fürn­berg nach­le­sen. (Louis Fürn­berg. Texte zu Leben und Werk, (Hg.) Ulrich Kauf­mann / Harald Heyd­rich, quar­tus Ver­lag, Bucha 2021.) Nach sei­nen drei Leip­zi­ger Stu­di­en­jah­ren wurde Wer­ner Grün­der des Schrift­stel­ler­ver­ban­des im Bezirk Suhl. Über Jahr­zehnte fun­gierte er als des­sen Vorsitzender.

Der Wei­ma­rer Lyri­ker Wulf Kirs­ten, Antho­lo­gist und glei­cher­ma­ßen För­de­rer ande­rer Dich­ter, gehört wohl zu den weni­gen, die Wer­ners Erst­ling von 1957 noch heute in ihrem Bücher­re­gal ste­hen haben. In sein Exem­plar hatte Kirs­ten vor Jahr­zehn­ten drei Gedichte als beson­ders gelun­gen ange­stri­chen: »Werk­statt«, »Kräu­ter­mut­ter« und »Dorf­zir­kus«. Der lyri­sche Text »Dorf­zir­kus« lebt davon, dass der Poet, wie ange­merkt, vor­mals Maler­lehr­ling, einen aus­ge­präg­ten Sinn für alles Far­bige hat. »Grau­ge­lackte Zir­kus­wa­gen / Sind am Markt zur Schau gestellt, / dürre Esel, müd vom Tra­gen, / führt man in ein klei­nes Zelt« / Schwarz­ge­lockte Zir­kus­kin­der / Schwär­men wie die Bie­nen aus, / und die Alten tun’s nicht min­der / bet­teln Stroh im Bauernhaus.«

Über Jahr­zehnte hat Ger­hard Wolf, der 1961 die erste Bio­gra­phie über Louis Fürn­berg geschrie­ben hatte, als Lek­tor den Weg Wal­ter Wer­ners wei­ter beglei­tet. Der Poet hat ihn als sei­nen »Regis­seur« anerkannt.

Wer­ner hat 18 Lyrik- und einige Pro­sa­bände hin­ter­las­sen. Geehrt wurde er unter ande­rem mit dem Hein­rich-Heine-Preis und dem Natio­nal­preis der DDR. 1975 erhielt er den Louis-Fürn­berg-Preis, der an sei­nen frü­he­ren Leh­rer erin­nert. Im Jahre 1989, in dem Louis Fürn­berg 80 Jahre alt gewor­den wäre, grif­fen einige der Preis­trä­ger aus die­sem Anlass zur Feder, etwa Wulf Kirs­ten und Harald Ger­lach, ebenso Wal­ter Wer­ner. Letz­te­rer spricht bei die­ser Gele­gen­heit nicht über Fürn­bergs Patro­nat am Anfang sei­ner frü­hen Dichterjahre.

Zum 80. Geburts­tag Wer­ners erschien 2002 pos­tum der Aus­wahl­band »Gewöhn­li­che Land­schaft«. Im Nach­wort des Her­aus­ge­bers der »Thü­rin­gi­schen Gedichte« merkt Wulf Kirs­ten an, dass es nach Wal­ter Wer­ners Tod 1995 »rasch bedrü­ckend still um ihn gewor­den« sei. Dabei ist er, so Kirs­ten, einer der »gro­ßen Land­schafts­dich­ter des 20. Jahr­hun­derts«. In den sech­zi­ger Jah­ren sei ihm der »große Sprung zum Unver­wech­sel­ba­ren« gelun­gen. Des Dich­ters Geburts­tag jährt sich am 22. Januar 2022 zum hun­derts­ten Mal. Seit eini­gen Jah­ren gibt es in Unter­maß­feld, wo Wal­ter Wer­ner fast sein gan­zes Leben wohnte, einen Wal­ter-Wer­ner-Steig, der durch seine Land­schaft und an Wer­ners beschei­de­ner Schreib­hütte im Grü­nen vor­über­führt. Eine gute Gele­gen­heit, die­sen Weg auf des Dich­ters Spu­ren ein­mal zu gehen. Wer, wenn nicht wir, kön­nen etwas dafür tun, dass er nicht völ­lig in Ver­ges­sen­heit gerät?

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