Roland Bärwinkel – »Letzter Morgen«

Person

Roland Bärwinkel

Ort

Weimar

Thema

Jede Woche ein Gedicht

Autor

Roland Bärwinkel

Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Roland Bär­win­kel

Letz­ter Morgen

 

Ein Schein­wer­fer fährt in die Sied­lung, liefert
Licht aus. Dumpf mel­det ein Auf­prall neben
mir die Wurf­sen­dung einer Dachlawine.
Zwi­schen Ästen einer Kie­fer erkenne ich
in sei­nem Auf­wärts­sla­lom einen Häher,
seine Schwanz­fe­der deu­tet Richtung
Kälb­chen­pfad. Auf­wir­beln­der Schnee,
klei­nes Nord­licht in Weiß und Stahlblau,
tief­flie­gend, bei Ost­wind, zeigt an, dass
ein Räum­fahr­zeug Wit­te­rung von Wärme
abstrah­len­den Häu­sern auf­nimmt. Wolken
mit auf den Kopf gestell­tem Schnee rücken
einem Berg auf den Pelz, von sei­ner Kuppe
blick­ten wir zu den Nat­ta­set-Fjälls, im Osten
die rus­si­sche Grenze. Über einem waldumstellten
See erhe­ben sich Netze aus Dunst. Wo wir uns
beweg­ten ein zucker­be­stäub­ter atmender
Kokon Eis über dem Fluss. Eng hän­gen wie
Laich Wes­pen­nes­ter aus fase­ri­gem Dunst.
Auf der Fahrt zum Flug­ha­fen nach fünf Tagen
Fat­bike, Wan­dern und Schier dringen
Schmer­zen in Bein, Arm, Hüfte und Schädel
wie Einbrecher.

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