Person
Ort
Thema
Peter Arlt
Erstdruck in Palmbaum 1/2021. Alle Rechte beim Autor. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Peter Arlt
Segeltuch aus Träumen
Ein glücklicher Gedanke, den Lyrikband Regina Jarischs mit Zeichnungen vom Thüringer Künstler Jost Heyder zu bereichern, Szenerien aus dem Atelier, mit Nacktheit geschmückte Frauen, Narren mit abgesetzter Maske. Auf dem Titel Heyders Gemälde Der Sämann, aus dessen Händen ein Fisch springt oder freigelassen wird, wie ein Herz, das weghüpft, oder ein »Herzflug«. Bei Heyder hat sich der mythische Ikarus in die Winde geschwungen: »flieg stolzer künder«, dichtet Jarisch, um Träume aller Generationen über die Zeit zu retten.
Regina Jarisch, geb. 1956, ist in Magdeburg aufgewachsen, studierte in Weimar und arbeitet dort, veröffentlicht seit 2008 Gedichte. Im Verhältnis zur Sprache mit Wendungen aus Märchen und Mythen, mit alten und fachsprachlichen Wörtern, in der Suche nach Wurzeln und nicht nur im Kleinschreiben, verrät sich die Nähe zu Wulf Kirsten.
Die 87 Gedichte sind thematisch gruppiert: zeitkreise, herzflug, gedeckter tisch, stadtaugen, traumtrunken und wortreich. Eine kritische Weltsicht offenbart sich, erklärt als »gefasel« zu behaupten, heute gäb es »kein unterdrücken/ ehrlichen worts«, scharf sieht sie die »schamlosen griffe auf mammon« und dass »der mob (…) trunken die grabschaufel/ auf den thron (hebt)«, wie sich das »mediale mitgefühl« als »lackierte betroffenheit« aufbläst. Deutliche politische Verse mit ehrlichen Bekenntnissen aus dem »deutschen theater«, wo sich die Zungen im »flüchtlingsgezeter« überschlagen, ohne Empathie für den, der auf dem Meer stirbt, ohne Einsicht in die Welt, in der »gott hundert namen kennt«. Die Farbe des Teppichs aus rosaroten Blütenblätter »wird/ braun«. Ein gebrauchtes Bild; direkt gesagt, um deutlich zu sein. Verse mit kunstvoll erfundenen und verteilten Reimen, ob End- oder Stabreim oder in anklingenden, wiederklingenden Wörtern.
Der Bücherfreund liebt, wenn die Buchzeilen der folgenden, durchscheinenden Blätter so gesetzt sind, dass sie wie in diesem Buch genau übereinander liegen oder durchschimmernd die Zeilen fortführen, eine Tradition asiatischer Buchkunst. Der Gedichtband trägt auf dem Rücken, gut in der Reihe erkennbar, Name und Titel.
In Herzflug, in Regina Jarischs Gedichten werden Gefühle bildhaft, schweben zwischen den Menschen und bringen in wundersam erdachten, aus der Fantasie zugeflogenen Wörtern ein verbindendes Wortklangnetz, verqueren sich Sprüche, wenn die Schuld nicht in Schuhe geschoben wird, sondern »dem tag in die/ stunden«; eine Hoffnung schwebt nicht unbestimmt durch die Gegend, sondern bekommt einen irdenen Gefühlsgrund. Das Wortbild besitzt die Klarheit eines Samenkornes, das es im Boden besitzt: Wenn in den Augen des »vorbei«-Gehenden »mohnsamen« erkannt werden, kann sie nicht wegsehen und weggehen, sondern mit »mohnlächeln« antworten. Und schaut er dann zurück in Gras und Blumen neben ihr, sieht sie »die schmetterlinge/ fliegen«.
Diese Lyrik arbeitet mit durchgehaltenen und kommunizierbaren Bilderfolgen, die den Gedichten Verständlichkeit verleihen. Jarisch macht sich aus den Dingen das, was sie möchte, aber legt Spuren diesen Sinn aufzuspüren. Ihre Poesie verliert sich nicht in einer unfassbaren Über-und-Über-Bildhaftigkeit und gewinnt Tiefe, so wenn die Dichterin auf Flaschenpost lauert, um den Weg zum Himmelstor »zur unbestechlichen zeit« verraten zu bekommen.
›Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio
Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2025 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]
URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/regina-jarisch-herzflug/]