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Patrick Siebert
Detlef Ignasiak: Das literarische Thüringen, Bucha 2014.
Mit der Inthronisation von Luise Dorothee, Herzogin von Sachsen-Coburg und Altenburg (1710–1767) und ihrem Gemahl Herzog Friedrich III. von Sachsen-Coburg und Altenburg (1699–1772) im Jahr 1732 gelangte die Aufklärung an die Gothaer Hof. Gotha wurde zu einem kulturellen Mittelpunkt und namentlich die Fürstin sorgte mit ihrer weit verzweigten Korrespondenz dafür, dass Gotha zu einem Wahlziel für eine Vielzahl von Geistesgrößen wurde. Von Voltaire (1694–1778) als »deutsche Minerva« verehrt, konnte sie den Philosophen in April und Mai 1753 am Hof begrüßen. Er schrieb hier am »Candide« (1758) und dem »Essai sur l´histoire generale«, der in den Jahren 1753–1760 erschien. Allerdings kam er nicht ganz freiwillig nach Gotha. Luise Dorothee, die auch mit Friedrich II. von Preußen (1712–1786) einen regen Briefkontakt unterhielt, versuchte sich zwischen dem König und dem Philosophen als Vermittlerin, als deren Verbindung einmal mehr von einer schweren Krise erschüttert wurde. Der Preußenkönig stattete dem Gothaer Hof am 03.12.1762 einen Besuch ab. Eine zentrale Figur wie Voltaire wurde er hier aber nie. Der Franzose galt als »Orakel des Gothaer Hofes«, wie Johann Heinrich Samuel Formey (1711–1797) in seinen Memoiren schreibt: »man urteilte wie er, ahmte seinen entschiedenen Ton nach, nahm seine Grundsätze an und drängte danach, ihm allen nur möglichen Dienst zu erweisen«. Das Gotha ein literarischer Anziehungspunkt wurde, beweisen auch die Besuche der Gottscheds 1753. Mit beiden stand Luise Dorothee in Kontakt. Ein persönlicher Bekannter Johann Christoph Gottscheds (1700–1766) war Friedrich Melchior Grimm (1723–1807). Dieser lernte den ›Literaturpapst‹ bei seinem Studium in Leipzig kennen. In den Dienst des Gothaer Hofes tritt Grimm als Vorleser des Erbprinzen Friedrich in Paris. Auch später ist er mit den Posten eines Legationsrates und ab 1775 als bevollmächtigter Minister das Bindeglied zwischen Gotha und Paris. Einen besonderen Namen macht er sich als Autor der »Correspondence litteraire«, die zwischen 1753 und 1792 als Berichtsserie über französische Literatur und das Leben in Paris erschien. Er erreichte damit einen internationalen Abonnentenkreis, zu dem auch Zarin Katharina II. (1729–1796) gehörte. Auch für die adligen Kreise bestimmt war der »Gotha«, eigentlich »Almanac de Gotha«, der ab 1763 jährlich erschien und bis heute besteht. Federführender Herausgeber war Emmanuel Christoph Klüpfel (1712–1776), ein persönlicher Bekannter Jean-Jacques Rousseaus (1712–1778). Dieser kam einer Einladung in die Residenzstadt zwar nicht nach, würdigte diese aber in den »Confessions«, indem er Gotha hier einen ganzen Abschnitt widmete. Der »Almanac de Gotha« wird nach Klüpfels Tod von Ludwig Christian Lichtenberg (1737–1812), Bruder des berühmten Mathematikers und Aphoristikers Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799), betreut. Georg Christoph besuchte seinen Bruder in den Jahren 1767–1774 mehrfach. Nachdem er 1774 von Ernst II. (1745–1804) an dessen Tafel geladen wird, beklagt er sich in einem Brief an Carl Christoph Kühner über die ständige Beobachtung am Hof: »In Gotha selbst: Nichts als Tafel bey Hof. Galas Visiten, am Assemble Pfahl gestanden, mit HertzensAngst und Verlegenheit beym Essen, Verlegenheit beym Trinkcken, Verlegenheit beym sitzen und stehn. Keine Ecke hinter der Comode, nichts, nichts in der Welt.«
Anders als sein Großvater bremste Friedrich Wilhelm Gotter (1746–1797) die Entwicklung des Theaters in Gotha nicht aus, sondern befördert sie wie kaum ein anderer. Aus seinem Liebhabertheater ging das von Conrad Ekhof (1720–1778) geleitete Hoftheater hervor. Auch stoffgeschichtlich lieferte er mit seinen Stücken und Libretti, wie »Romeo und Julio« von 1779 oder der kurz vor seinem Tod entstandenen »Geisterinsel« wichtige Beiträge. Goethe, zu dem Gotter in Wetzlar Kontakt aufnahm, schickte diesem 1773 den »Götz«, wohl wissend, dass er das Gothaer Publikum mit seinen frankophilen Neigungen brüskieren würde. Dazu schreibt er in einem Brief: »Schicke dir hier den alten Götzen,/Magst ihn zu deinen Heilgen setzen«. Nachdem durch einen Brand im Weimarer Residenzschloss 1774 die Theatergesellschaft um den Hamburger Conrad Ekhof ihre Wirkungsstätte verlor, setzte sich Gotter bei Herzog Ernst II. für deren Aufnahme am Gothaer Hof ein. Eine besondere Episode der deutschen Theatergeschichte konnte beginnen.
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