Peter Arlt – »Traumläufe im Irrgang. Ein Lebensroman in Träumen«

Person

Matthias Biskupek

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Matthias Biskupek

Erstdruck: Palmbaum - literarisches Journal aus Thüringen, Heft 2-2017 / Thüringer Literaturrat e.V. / Die Reihe »Gelesen & Wiedergelesen« entstand mit freundlicher Unterstützung der Thüringer Staatskanzlei.

Gele­sen von Mat­thias Biskupek

Die Ehr­lich­keit des Träumers

 

Träume und Lite­ra­tur? Gewiss: Sig­mund Freud, Franz Füh­manns Traum-Arbeit oder »Das Traum­buch des Exils«, mit dem Stef­fen Men­sching Rudolf Leon­hardt aus der Exil-Nacht ins Licht unse­rer Zeit holte. Als 1991 die Antho­lo­gie mit über 50 DDR-Autoren »Träume und Traum­ge­schich­ten« unter dem Titel LABYRINTHE erschien, her­aus­ge­ge­ben von Klaus Ham­mer, war das die Zeit, als im Osten Deutsch­land gerade ande­res gefragt war. Der Gothaer Kunst­pro­fes­sor Peter Arlt hatte da schon min­des­tens sech­zig sei­ner Träume auf­ge­schrie­ben, der erste hier gedruckte ist vom 29. 08. 1969.

Arlt ist als Autor von Künst­ler­mo­no­gra­fien und Kura­tor bekannt gewor­den, gegen­wär­tig erschei­nen seine Rezen­sio­nen in der Ber­li­ner Zwei­wo­chen­schrift »Ossietzky«. Arlt, ein Erbe des »Weltbühnen«-Kunstkritikers Lothar Lang.

Sein jetzt erschie­ne­nes Buch mit 379 genau datier­ten Traum­tex­ten, hat eine Vor­läu­fer-Fas­sung von 1994. Dies sandte er Kol­le­gen, deren Reak­tio­nen zum Teil abge­druckt sind. Der Rezen­sent möchte sich die­ser Mei­nung anschlie­ßen: »Ich bewun­dere dabei die Erin­ne­rungs­fä­hig­keit, Ihren Mut und Ihre Offenheit.«

Arlts Traum­wie­der­ga­ben sind kurz, zwei bis drei pas­sen jeweils auf eine Druck­seite. (»13 / In einem dunk­len Raum führe ich mit einer Frau ein Gespräch. In des­sen Ver­lauf sto­ßen wir auf die Schwie­rig­keit, fest­zu­stel­len, mit wem wir eigent­lich spre­chen.«) Füllt ein Traum mal eine ganze Seite, so besteht er aus meh­re­ren Epi­so­den. In den Träu­men kom­men Per­so­nen der Zeit­ge­schichte vor – Gor­bat­schow, Goe­the, Hanns Cibulka, Obama, Christa Wolf – oder auch Arlts eins­ti­ger Kol­lege Rudolf Kober. Man­che wer­den durch Kür­zel anony­mi­siert. Beein­dru­ckend die sprach­li­che Klar­heit, in der Arlt seine Traum-Fet­zen wie­der­gibt. Jeder Träu­mende, der sich erin­nern kann, weiß, dass es oft ein »irgend­wie« gibt, sprach­lich kaum fass­bar. Hier wird der­lei weit­ge­hend ver­mie­den, gele­gent­lich wer­den Sätze notiert, die erst nach dem Erwa­chen, vom Traum ange­regt, for­mu­liert wer­den. Eine Rolle spie­len vor allem in den frü­hen 90ern Situa­tio­nen, in denen der Träu­mende sich ver­tei­di­gen muss, vor Kol­le­gen, völ­lig Frem­den, West­deut­schen aller Art, Reak­tion auf die Eva­lua­tions-Pro­zesse an Ost-Uni­ver­si­tä­ten. Sehr viele Träume haben einen ero­ti­schen Hin­ter­grund, die zum einen durch Namen wie Freya oder Tina geprägt sind, natür­lich auch durch unbe­kannte Frau­en­kör­per oder kopu­lie­rende Kat­zen. Pein­li­che Epi­so­den spart Arlt nicht aus: auf einem Kack­stuhl sit­zend, muss er Geburts­tags­gra­tu­la­tio­nen ent­ge­gen­neh­men. Der wohl meist­ge­träumte Ort ist Erfurt, Arlts Arbeits-Refu­gium,  Gale­rien und Museen; der Kunst­ken­ner träumt von sei­nen Räu­men. Im Traum fal­len ihm Worte wie »Schön­kehl­chen« ein oder Sätze wie »Des Lebens Film been­det durch den Tod.« Lächer­lich­keit und Grauen, Holz­wege und heile, helle Sich­ten wech­seln ab. Im viel-sei­ti­gen Vor­wort, manch­mal zu erklä­rend, wird der Traum als »Raum für Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit« defi­niert. Ist das Buch aber wirk­lich ein »Lebens­ro­man in Träu­men«? Die reale Bio­gra­fie am Buch­schluss bleibt kurz und knapp. Was Träu­mer Arlt oft gelingt: Ver­blüf­fung und Poin­ten, Lebens-Bil­der, schief gesetzt und dadurch selt­sam gera­de­ge­rückt. Eine Kurz­pro­sa­samm­lung, die den Ver­gleich mit Namen wie Gün­ter Kun­ert nicht scheuen muss.

  • Peter Arlt: Traum­läufe im Irr­gang. Ein Lebens­ro­man in Träu­men, Edi­tion digi­tal. Pekrul & Sohn GbR, Pin­now, 2017, 184 Sei­ten, 9,90 €
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