…nur Berge u Blicke u. greuliche Einwohner… – Gottfried Benn in Friedrichroda
2 : Allgegenwart des Krieges

Es zeigt sich schnell, dass es vor dem tota­len Krieg auch im Thü­rin­ger Wald kein wirk­li­ches Ent­wei­chen gibt. Das Kom­man­do­sys­tem des Natio­nal­so­zia­lis­mus legt sich mit sei­ner Pro­pa­ganda wie ein Dunst­schleier über den Luft­kur­ort. Erho­lung ist für den resi­gnie­ren­den Benn daher nur, wenn über­haupt, ein­ge­denk der Gräuel mög­lich, die in den Knei­pen, Cafés und Feri­en­häu­ser Fried­rich­ro­das als Sie­ges­mel­dun­gen ver­mark­tet wer­den. Benn weiß, was davon zu hal­ten ist und hält schon am 4.7. gegen­über Oelze fest: Was den Osten angeht, so scheint es doch nicht so flott vor­an­zu­gehn, wie man dachte. In 10 Tagen wollte man in Mos­kau sein. Ich halte es über­haupt für mög­lich, dass die­ser Teil des Krie­ges anders ver­läuft, als man erwartete.

Es gibt für Benn keine Mög­lich­keit, sei­nen Kur­auf­ent­halt ohne die Zei­chen der Zeit, ohne das kriegs­be­glei­tende Ent­set­zen wahr­zu­neh­men. Die All­ge­gen­wart des Krie­ges tut das ihrige dazu bei, dass es zwi­schen ihm und der ihn umge­ben­den Land­schaft nicht ‚funkt’. Hinzu kommt sein Fai­ble für einen dia­me­tral ent­ge­gen­ge­setz­ten Land­schafts­typ – in Thü­rin­gen fin­det er gewiss nicht das West­preu­ßen sei­ner Kind­heit wieder:

Es ist viel­leicht das Rich­tige für mich im Augen­blick, aber viel sagt es mir nicht. Eine Land­schaft ohne Fel­der, ein Som­mer ohne Korn ist keine Umge­bung, die ich sehr in mich auf­nehme. Tan­nen wir­ken nicht wei­ter auf mich, Wäl­der innen haben kein beson­de­res Leben für den Sohn der Ebene, der schon sehr öst­li­chen, die meine Hei­mat war. […] Die­ser Ort hier ist mir, wie gesagt, nicht näher gekom­men. Er ent­hält nicht die land­schaft­li­chen Ele­mente, die mir irgend­eine Stim­mung zutra­gen. […] Es müs­sen ganz bestimmte Vor­aus­set­zun­gen da sein, wenn die Land­schaft für mich jenen »numi­no­sen« Cha­rak­ter haben soll, den die Ebene und das Was­ser hat.