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Martin Straub
Lese-Zeichen e.V.
Am 31. März 2020 starb Corina Gutmann nach langer schlimmer, tapfer ertragener Krankheit. Wir verneigen uns vor ihrem Lebensmut und ihrer Gefasstheit, mit denen sie ihr schweres Schicksal angenommen hat. Voller Hoffnung glaubten sie und wir, dass die Krankheit überwunden ist. Corina Gutmann war voller Pläne und nahm die Arbeit wieder auf. Umso erbarmungsloser musste sie der Rückschlag treffen, den sie mit allen Konsequenzen ertrug.
Mit dem Lese-Zeichen e.V. war sie seit über 25 Jahren eng verbunden, seit er als Regionalbüro der Stiftung Lesen und später als Thüringer Büro für Autoren-und Leseförderung seine Arbeit aufnahm. Wenn etwas auch den späteren Lese-Zeichen e.V. immer wieder beeinflusste, war es ihre Auffassung von einer lebendigen, vielschichtigen Bibliotheksarbeit. Nicht umsonst wurde die Greizer Bibliothek zwei Mal mit dem Bibliothekspreis der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und des Deutschen Bibliotheksverbands ausgezeichnet. Wo liegt das Geheimnis dieser Arbeit? „Lies um zu leben“, diese Aufforderung von Flaubert bedeutete Corina Gutmann viel. Wer ihre Lebensgeschichte kennt, weiß, sie hatte es nicht immer einfach, und sie machte es sich nicht immer einfach. Widerständigkeit, Selbstbewusstsein und Stolz, zugleich aber auch Offenheit, Toleranz und Herzlichkeit waren ihr eigen. Sie sagte mir, als ich sie wenige Wochen vor ihrem Tode besuchte: Nach der Wende habe ich das Leben lieben gelernt. Seit 1993 Bibliotheksleiterin hatte Corina Gutmann ihre Bestimmung gefunden. Die Greizer Bibliothek war ein Treffpunkt für Jung und Alt, für Oberschüler, Flüchtlinge, Rentner und Erstklässler. Und sie bekamen auch die entsprechenden Programme. Hier trafen sich Reiner Kunze, José Oliver und der Rapper Doppel U, Landolf Scherzer und Clemens Meyer, Lutz Seiler und Bärbel Klässner. Nicht zuletzt gab und gibt es die Kontakte zur JVA Hohenleuben mit Werkstätten und Ausleihmöglichkeiten. Mit elf Inhaftierten veröffentlichte Corina Gutmann das Buch „Kopfkino“ in der Edition Outbird. Das Resultat sechsmonatiger Arbeit. Texte über Sehnsüchte, Schuld, Schmerz und Träume. Und sie sprach über ihre „Kinder“, „Männer, die eben nicht aus diesem heilen warmen Nest gefallen sind, dass sie eben nicht stark gemacht wurden, dass Gewalterfahrungen von klein auf prägten…“, wie sie im Nachwort schrieb. Corina selbst hatte in ihrer Kindheit und Jugend nicht nur Geborgenheit und Harmonie erfahren. Das machte sie offen für die Sorgen und Nöte anderer, aber auch hellsichtig für verborgene Talente. Es ist schon bemerkenswert, wie sie zu einem starken Leben fand und zugleich damit ein Literatur-und Kunstprogramm formte, in dem das Plädoyer für Demokratie und Toleranz eine Herzensangelegenheit war. Corina Gutmann und den Lese-Zeichen e.V. verbanden vor allem die Thüringer Literatur- und Autorentage und die thüringenweite Reihe „Wortklang. Lyrik im Konzert“ mit der Sparkassen Kulturstiftung Hessen-Thüringen, die schließlich nach mehr als 10 Jahren von Lutz Seiler und dem Cellisten Friedrich Thiele zu einem abschließenden Höhepunkt geführt wurde. Corina und ich standen oft genug mit Spannung auf dem Kirchplatz 4 vor der Bibliothek. Natürlich gab es auch immer wieder die bange Frage, kommen genug Leute, wird alles klappen? Dieses gemeinsame Warten wird mir fehlen, genauso wie Corinas herzliche Begrüßungen. Ich habe ihr zu danken. Sie hat mein Leben reicher gemacht.
Martin Straub
Im Namen des Vorstands des Lese-Zeichen e.V.
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