Johann Christian Günther – »Gedichte und Studentenlieder«

Personen

Johann Christian Günther

Ulrich Kaufmann

Orte

Jena

Grab von Johann Christian Günther

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Ulrich Kaufmann

Thüringer Literaturrat e.V. / Die Reihe »Gelesen & Wiedergelesen« entstand mit freundlicher Unterstützung der Thüringer Staatskanzlei.

Wie­der­ge­le­sen von Ulrich Kaufmann

 

 »…so zer­rann ihm sein Leben und sein Dichten«
(Johann Wolf­gang von Goethe)

»Frei blieb, wer kei­nen Her­ren fand.«
(Harald Ger­lach über J. Ch. Gün­ther, 1973)

 

Der Ruhm und die Legen­den­bil­dun­gen um den schle­si­schen Poe­ten hän­gen auch damit zusam­men, dass Goe­the in »Dich­tung und Wahr­heit« auf die­sen zu spre­chen kam. Der deut­schen Poe­sie fehle es, meinte er, an natio­na­lem Gehalt. An Bega­bun­gen hin­ge­gen gäbe es »nie­mals Man­gel«. »Ein ent­schie­de­nes Talent« sei Gün­ther gewe­sen »begabt mit Sinn­lich­keit, Ein­bil­dungs­kraft, Gedächt­nis, Gabe des Fas­sens und Vege­gen­wär­ti­gens, frucht­bar im höchs­ten Grade, rhyth­misch bequem, geist­reich, wit­zig und dabei viel­fach unter­rich­tet.« Aller­dings beschei­nigte Goe­the ihm »Cha­rak­ter­lo­sig­keit. Er wußte sich nicht zu zäh­men, und so zer­rann  ihm sein Leben wie sein Dichten.«

Johann Chris­tian Gün­ther wurde 1695 im schle­si­schen Strie­gau gebo­ren. Sein Vater war ein ver­mö­gens­lo­ser Arzt, der den Weg des Soh­nes zum Poe­ten mit allen Mit­teln zu ver­hin­dern suchte. In der Gna­den­schule in Schweid­nitz erhielt Johann Chris­tian Poe­tik- und Rhe­to­rik­un­ter­richt.  Mit der schle­si­schen Dich­ter­schule machte sich Gün­ther schon früh vertraut.

Nach der Schul­zeit ver­liebte sich der Neun­zehn­jäh­rige in die sechs Jahre ältere Leo­nore Jach­mann, der er zahl­rei­che Lie­bes­lie­der und Vers­briefe schrieb. Mit die­sen Gedich­ten, die einem tie­fen Erle­ben ent­spran­gen und zu sei­nen schöns­ten zäh­len, sprengte er früh den Rah­men der Gele­gen­heits­poe­sie des Spät­ba­rock. Leo­nore blieb die Unver­ges­sene, die sich in sei­nem Gesamt­werk in ver­än­der­ter Gestalt fin­den lässt.

Seit 1715 stu­dierte Gün­ther in Wit­ten­berg, Leip­zig und zuletzt in Jena Medi­zin. In der Luther­stadt erlebte er ein aus­ge­präg­tes Stu­den­ten­le­ben – Rau­fe­reien unter  Zech­kum­pa­nen waren keine Sel­ten­heit. Prä­gen­der waren die Jahre in Leip­zig, einem Zen­trum der Früh­auf­klä­rung. Seine lite­ra­ri­sche Bil­dung konnte Gün­ther in Leip­zig ver­tie­fen, indem er die anti­ken Vor­bil­der wie  Ana­kreon, Ovid u.a  genau­es­tens stu­dierte. Viele der circa 600 Gedichte Gün­thers waren Gele­gen­heits­ge­dichte auf Trau­er­fälle, Ehe­schlie­ßun­gen und aka­de­mi­sche Anlässe.

Als Miss­erfolg erwies sich 1719 die Bewer­bung am Hofe  August des Star­ken.  Wie­der ein­mal war Gün­thers »Mäce­n­a­ten­kon­zep­tion« (Ger­lach) gescheitert.

Als wan­dern­der Poet, als Außen­seite kam er in sein schle­si­sches Vater­land zurück und setzte sein unste­tes Leben als Wan­der­dich­ter fort. Mit­tel­los und psy­chisch gebro­chen erschien der »deut­sche Ovid« im Okto­ber 1722 (»zur Zeit der Wein­lese«) in  Jena. Die These, wonach Gün­ther in der Saale-Stadt ein völ­lig Iso­lier­ter und Ver­las­se­ner gewe­sen sei, wird von der For­schung revi­diert. Durch  von Eben und Brun­nen erfuhr er För­de­rung,  er hatte Umgang mit dem His­to­ri­ker Struve, in des­sen Tisch­ge­sell­schaft er ver­kehrte. Auch konnte der Dich­ter in der  bekann­ten Biblio­thek  Buders arbei­ten. 1723 starb Gün­ther, wahr­schein­lich an Tuber­ku­lose. Schle­si­sche Lands­leute tru­gen den mit sie­ben­und­zwan­zig Jah­ren ver­stor­be­nen bedeu­tends­ten deut­schen Poe­ten des frü­hen 18. Jahr­hun­derts, den ers­ten Erleb­nis­ly­ri­ker deut­scher Zunge auf dem Jenaer Johan­nis­fried­hof zu Grabe.

In der DDR-Lite­ra­tur spielte Gün­ther – als Ver­tre­ter des nicht klas­si­schen Erbes – eine Rolle, so auch bei dem selbst aus Schle­sien stam­men­den Harald Ger­lach, der in allen drei Gat­tun­gen auf Gün­ther zu spre­chen kam: 1979 in sei­nem Sta­tio­nen­drama »Die Straße« (in dem auf phan­tas­tisch- ana­chro­nis­ti­sche Weise Goe­the als Figur auf­taucht) sowie in dem Erzäh­lungs­band »Ver­mu­tun­gen um einen Land­strei­cher«. In sei­nen Gedich­ten blickte er zwei­mal auf den schle­si­schen Poe­ten: 1973 the­ma­ti­sierte er das »Kreuz­bur­ger Jahr« des geschei­ter­ten Land­arz­tes Gün­ther und 1995 den »Tod in Jena«.

Gün­thers Werk wirkt bis in die Gegen­wart. Dies belegte nicht zuletzt 1969 eine Pracht­aus­gabe des Leip­zi­ger Reclam Ver­la­ges, die meh­rere Nach­auf­la­gen erlebte und heute nur noch anti­qua­risch zu bekom­men ist. Der Erfolg des Buches »Johann Chris­tian Gün­ther – Gedichte und Stu­den­ten­lie­der« ist ganz wesent­lich auch auf die sinn­li­chen Feder­zeich­nun­gen Wer­ner Klem­kes  zurück­zu­füh­ren. Der Künst­ler (1917 – 1994) schuf auch den far­bi­gen Umschlag, wie er dies ebenso von 1955 bis 1990  für die gefragte Monats­zeit­schrift »Maga­zin« tat.

Mit siche­rem Gespür, für das, was von Gün­thers Werk bleibt, kon­zen­trier­ten sich die Her­aus­ge­ber Hans Mar­quardt, Lei­ter des Leip­zi­ger Reclam Ver­la­ges, und Horst Wand­rey im ers­ten und zwei­ten Kapi­tel der Edi­tion auf die Lie­bes- und Stu­den­ten­lie­der des Dich­ters. Die dritte Abtei­lung bringt Pro­ben sei­ner Auf­trags- und Gelegenheitsdichtung.

Im Nach­wort, wel­ches auf den For­schun­gen Hans Dah­l­kes basiert, nen­nen die Her­aus­ge­ber Gün­ther den »ers­ten Sän­ger bür­ger­li­chen Welt­ge­fühls«, der in einer elen­den Zeit, ein hal­bes Jahr­hun­dert nach dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg auf­wuchs. Er gehöre zu jenen deut­schen Dich­tern, die von der Nach­welt eher über die Bio­gra­fie als ihr »nicht leicht zugäng­li­ches Werk« rezi­piert wurden.

 

Johann Chris­tian Günther

Eine Frau und ein Buch

Es soll uns eine Frau so wie ein Buch vergnügen:

Wer aber will denn nun stets über Büchern liegen?

 

 

Lek­tü­re­emp­feh­lung

  • Johann Chris­tian Gün­thers Werke – In einem Band, hg. von Hans Dah­lke, Wei­mar 1962.
  • Johann Wolf­gang Goe­the: Werke in 10 Bän­den, Band 1, Dich­tung und Wahr­heit, 7. Buch. Hg. von Rein­hard Buch­wald, Wei­mar 1961.
  • Det­lef Igna­siak, Das lite­ra­ri­sche Jena. Jena 1983, erw. NA 2012.
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