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Jens-Fietje Dwars
Erstdruck in: Palmbaum 2/2021. Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Jens‑F. Dwars
Was ist das: Liebe?
Würden sich alle Bücher in Luft auflösen, die um dieses eine Thema kreisen, die Bibliotheken wären leer. Und doch weiß keiner, was das ist: Liebe? Hier kommt das nächste Buch, das nach Antworten sucht und zum Glück keine findet. Denn das wäre ja das Ende der Welt, wenn sich all ihr Treiben auf eine Formel bringen ließe. Holger Uske versucht es mit drei Erzählungen: Wege berichtet von einer Liebe in Fragmenten, indem er elf Mal den Anfang „Sie schlugen den Weg nach links“ (ein Motiv aus Thomas Hettches Pfaueninsel) variiert. Am Saum der Zeit erzählt vom Versuch, eine unerfüllte Jugendliebe noch einmal aufzuwärmen – was scheitern muss.
Die längste und anregendste Geschichte heißt Cocktail: In einer Kleinstadt läuft eine Kunstausstellung zum Thema Liebespaare. Ihr Zuschauermagnet, Tag für Tag von immer mehr Schaulustigen aufgesucht, die stundenlang warten, bis sie ein paar Blicke auf das Bild hinter Absperrung und Panzerglas werfen dürfen, zeigt altmeisterlich gemalt ein Paar, das sich nichts mehr zu sagen hat, wort- und blicklos sitzen sie nebeneinander und trinken aus ihren Gläsern eine Flüssigkeit, die plötzlich zu blinken beginnt. Zum Ende der Ausstellung hin werden Zweifel laut, ob es wirklich ein Gemälde sei, was noch mehr Zuschauer anlockt, und schließlich gesteht der Kurator, man habe Schauspieler mit einer Kamera aufgenommen und mit Zeitfiltern ihre Bewegungen eingefroren. Das Ganze war ein Wahrnehmungs-Experiment: Was unterscheidet Kunst vom Leben, welche Feinheiten nehmen wir noch wahr …
Der eigentliche Reiz der Erzählung aber: sie zeigt, wie verschieden dieses Experiment von allen Beteiligten wahrgenommen wird: vom Kurator, den Schauspielern, einem Zeitungskritiker, einem Museumswächter und einer Besucherin, die sich, hin und her gerissen zwischen der langweiligen Sicherheit ihrer Ehe und dem ungewissen Abenteuer mit einem Geliebten, fragt, was denn Liebe sei und wie man das noch spüren könne, dieses Lebendigsein
…
Kurz: eine schöne Idee für ein Drehbuch zu einem unterhaltsamen Film mit Tiefgang. Für das gedruckte Buch wünschte man sich etwas größere Schrift und nicht den gesamten Text in Kursiva, die das Lesen erschweren. Illustriert ist das Bändchen mit digital gefärbten Fotografien von Rissen im Asphalt, die das Brüchige der Erzählungen simulieren.
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