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Buchhändlerinnen und Buchhändler im Gespräch
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Website der Buchhandlung Goerke in Schmölln
Kristin Mielke / Pascal Quicker
Thüringer Literaturrat e.V.
Direkt am Amtsplatz der ostthüringischen »Knopfstadt« Schmölln liegt die Buchhandlung Goerke. Mit ihrer Inhaberin, Kristin Mielke, sprach Pascal Quicker vom Thüringer Literaturrat.
Pascal Quicker: Seit wann gibt es Ihre Buchhandlung und seit wann arbeiten Sie in ihr?
Kristin Mielke: Die Buchhandlung Goerke entstand nach dem Ende der DDR aus einer Volksbuchhandlung. Sie existiert seit der Wende in ihrer heutigen Form. Seitdem ist sie zwar ein paar Mal innerhalb von Schmölln umgezogen, blieb dabei im Kern allerdings immer dieselbe. Ich selbst habe sie im Juni 2013 gekauft, meine Lehre vor über zwanzig Jahren allerdings auch schon hier in dieser Buchhandlung absolviert.
Wie kamen Sie zum Buch und was bedeutet es für Sie, Buchhändlerin zu sein?
Erst einmal muss man natürlich sehr, sehr viel lesen. Ich persönlich wollte immer gern etwas mit Büchern machen und musste mich dann zwischen dem Beruf der Bibliothekarin und dem der Buchhändlerin entscheiden. Meine Wahl fiel auf letzteren Beruf, da er nun doch mehr mit Menschen, Empfehlungen, neuen Büchern und dem Handel zu tun hat – alles Themen und Aspekte, die mich sehr angesprochen haben.
Was der Beruf für mich bedeutet, ist auf Anhieb schwer zu formulieren. Ein Grund wäre: Andere Menschen zum Lesen bringen; Kinder, andere Generationen. Man möchte gute Bücher vermitteln – viele Bestseller werden in Buchhandlungen durch Empfehlungen der Buchhändler gemacht und nicht nur online über Empfehlungen à la »Wer das kaufte, kaufte auch folgende Titel«.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich fange sehr zeitig an. Da wir die Kundenbestellungen immer innerhalb eines Tages bearbeiten – was bis halb fünf bestellt ist, ist am nächsten Morgen da – muss die neue Ware auch jeden Morgen vor Ladenöffnung ausgepackt werden, damit die Kunden ihre Bestellungen morgens gleich abholen können. Auch die Verlagsware kommt früh an. Da wir ein kleines Geschäft haben, wäre es ungünstig, wenn nach Ladenöffnung zwanzig Pakete in der Ecke stehen würden. Deshalb versuche ich, morgens schon so viel als möglich auszupacken und zu verbuchen. Wir arbeiten dabei mit einem Waren-Wirtschafts-System, das heißt, jeder Titel wird in den Computer ein- und dann, bei Verkauf, über die Kasse wieder ausgebucht.
Darüber hinaus bleibt uns die Schreibarbeit nicht erspart, wie zum Beispiel die Rechnungsprüfung. Außerdem gibt es Remissionen zu bearbeiten, länger stehende Bücher schicken wir regelmäßig zurück, wenn das auch nicht jeden Tag geschieht. Und dann bleibt als Hauptarbeit die intensive persönliche Kundenberatung.
Was freut Sie als Buchhändlerin, was betrübt Sie?
Es freut mich sehr, dass wir in Schmölln eine sehr große literaturbegeisterte Stammkundschaft haben. Außerdem hat sich die Entwicklung des Buchverkaufs nach meiner Einschätzung in den letzten Jahren dahingehend verändert, dass nach anfänglicher Begeisterung für den Kauf im Internet wieder mehr Menschen in Buchhandlungen einkaufen.
Traurig stimmt mich dagegen dass andere noch immer der Meinung sind, sie würden Bücher im Internet billiger erstehen können, was durch die Buchpreisbindung in Deutschland jedoch ausgeschlossen ist. Dass dieses Wissen potentiellen Kunden unserer Buchhandlung fehlt, ist schade. Aufklären können wir nur die, die zu uns in die Buchhandlung kommen. Man darf dabei nicht vergessen, dass gerade in Kleinstädten wie Schmölln Kindergärten oder Schulen, wenn sie Bücher benötigen, ganz selbstverständlich die Geschäfte vor Ort aufsuchen. Weder Amazon, buch.de oder thalia.de würde in so einem Fall sagen: »Wir spenden für diesen oder jenen Kindergarten Bücher.« Ich wünsche mir, dass die Bewohner des Ortes ab und an daran denken, dass Geschäfte vor Ort nur dann überleben können, wenn man auch vor Ort einkauft.
Was ist bei Ihrer Arbeit ein typisches Problem, für das Sie nach einer Lösung suchen?
Zu wenig Zeit. Zeitkontingent und Zeitstress haben unter anderem durch staatliche Maßnahmen, wie beispielsweise die Datenschutzgrundverordnung, deutlich zugenommen. Es bindet außerordentlich viel Arbeitszeit, um derlei Regelungen für einen so kleinen Laden umzusetzen. Dadurch wird man vom eigentlichen Geschäft abgehalten. Auch andere Dinge, wie die Buchführung, sind in den letzten Jahren wesentlich komplexer geworden. Man hat eigentlich nie genug Zeit für alles.
Wie und wodurch hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren generell verändert?
Es gibt eigentlich kein spezifisches Ereignis, über das man sagen könnte: Ab diesem Zeitpunkt wurde es schwieriger. Was sich verändert hat ist, dass wir sehr viele kleine Zusatzartikel noch mit in den Verkauf genommen haben, zum Beispiel Geschenkartikel, die gut zum Buch passen und die man deshalb auch zum Buch anbieten kann. Das gab es in unserem Laden vorher nicht.
Die von der EU vor ein paar Jahren verfügte Änderung bezüglich der Ausschreibung von Schulbüchern hatte zur Folge, dass alle Schulbuchaufträge von den Schulen ausgeschrieben werden müssen. Bedenkt man, dass alle Buchhandlungen in Deutschland aufgrund der Buchpreisbindung nur das gleiche Angebot machen können, sind solche Ausschreibung eigentlich überflüssig. Die Buchhandlungen versenden dann an zahlreiche Schulen Angebote, die sich in nichts voneinander unterscheiden. Das nützt weder den Schulen, noch den Buchhändlern, noch dem Staat.
Sehen Sie in der zunehmenden Digitalisierung des Buchmarktes ein Problem für das Buch als solches?
Es wird immer Bücher geben. Ich erzähle mit Blick auf diese Problematik gern die Geschichte von einer Kundin, die einmal in unserer Buchhandlung erzählte, dass sie persönlich gern »richtige« Bücher besitze und lese, während ihr Mann dagegen einen E‑Book-Reader besäße und seine Bücher vorzugsweise digitaler Form lese. Auf der Fahrt in den Urlaub habe er ihre schweren Bücher im Gepäck belächelt. Am ersten Urlaubstag setzte er sich versehentlich auf seinen Reader, der sofort seinen Dienst aufkündigte. Unsere Kundin meinte nur, dass sie eigentlich kein schadenfroher Mensch sei, sich in dieser Situation allerdings ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Selbst wenn ein Buch ins Wasser fallen sollte, kann man kann es noch lesen. Sand zwischen den Seiten gehört zu einem Strandurlaub dazu und beeinträchtigt das Lesen nicht. Und selbst wenn ein Buch in der Mitte auseinanderbricht, lässt es sich immer noch lesen.
Darüber hinaus bin ich eher ein haptischer Mensch; ich mag den Geruch, den Anblick, das glatte Papier. Selbstverständlich gibt es viele Menschen, die sagen, dass ihre Bücherschränke einfach zu voll wären. In so einem Fall kann ich E‑Books schon verstehen. Wir selbst verkaufen auch E‑Books, wobei deren Anteil an unserem gesamten Buchverkauf sehr gering ist. Es gibt schon Konkurrenz für das Papierbuch, aber ich denke, dass das richtige Buch bestehen bleiben wird.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Buchmarktes und auch die Ihrer Buchhandlung in den nächsten zehn Jahren?
Zehn Jahre, oh je! (lacht) Was passieren wird, falls die Buchpreisbindung fällt, lässt sich natürlich nicht genau voraussagen. Ich vermute, dass dann dasselbe passieren wird wie in der Schweiz. Dort gibt es jetzt ein Drittel weniger Buchhandlungen und die Bücher sind teurer als je zuvor. Zuerst wurden sie so sehr verbilligt, dass die Konkurrenz ausgeschaltet wurde, als das geschehen war, stiegen die Preise kräftig an. Wenn die Buchpreisbindung erhalten bleibt, sehe ich eigentlich kein Problem. Ob man sich anderenfalls auf dem Markt behaupten könnte, das sei dahingestellt. Ich habe eine sehr gute Mitarbeiterin, wir eine sehr gute Stammkundschaft. Wir verkaufen unsere Bücher jeden Tag mit großer Freude, die Leute kommen immer wieder und sind für die erhaltene Beratung dankbar. Durch die erwähnten Zusatzartikel ziehen wir junge Leute an, die, wenn sie einmal im Laden stehen, auch gern ein schönes Buch kaufen.
Wie behaupten Sie sich gegen Branchenriesen wie Thalia, Hugendubel oder Amazon?
Thalia und Hugendubel sind bei uns nicht vor Ort – diesbezüglich haben wir eindeutig einen Standortvorteil. Allerdings liegt Schmölln sehr mittig zwischen Leipzig, Gera, Zwickau und Chemnitz. All diese Städte sind innerhalb einer Stunde erreichbar und bieten somit auch Einkaufmöglichkeiten. Wenn die Leute einmal dort sind, nehmen sie vielleicht auch mal bei einem der großen Anbieter ein Buch mit. Wir haben allerdings auch Kunden, die Bücher in anderen Städten gesehen haben und trotzdem sagten: »Nein, wir kaufen das in unserer Buchhandlung, wir kommen nach Schmölln zu Ihnen.« Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kunden sich das gewünschte Buch aufschreiben oder das Titelbild fotografieren und es dann bei uns hier vor Ort bestellen. Wir können ja alles bestellen – und schneller als Amazon & Co. liefern. Der Bequemlichkeitsfaktor spielt bei Amazon natürlich eine Rolle, da die Bestellungen nach Hause geliefert werden. Wir haben viele Kunden im Umland, die berufstätig sind und denen es dadurch zeitlich oft schwer fällt, noch zusätzlich zu uns in die Stadt zu fahren, um ihre Bücher zu kaufen. Solche Kunden bestellen oft zusätzlich zum Einkauf bei uns auch über Amazon. Aber wir haben auch Kunden, die in so einem Fall bei uns per E‑Mail bestellen und das Buch dann am nächsten Tag abholen. Bei einigen haben wir Bestellungen im Notfall auch schon nach Hause gebracht, insbesondere zu älteren Kunden, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Das ist natürlich kein regelmäßiger Lieferdienst, aber man kann uns darauf ansprechen.
Wie ist bei Ihren Kunden das Spektrum in Bezug auf das Alter?
Also wir haben viele ältere Kunden, jedoch auch sehr viele jüngere mit Kindern. Genauso Schüler, die wirklich gern und regelmäßig lesen. Es könnten, denke ich, ein paar mehr sein. Aber dass im Moment nicht so viele Kinder lesen ist ja generell ein aktuelles gesellschaftliches Problem, das dringend in Angriff genommen werden muss. Ich glaube, wir haben eigentlich ein komplettes Kundenspektrum: Männer und Frauen aller Altersstufen.
Das ist sehr schön zu hören. Wie und wo erfahren Sie denn von neuen Büchern und nach welchen Kriterien wählen Sie aus der Fülle an Neuerscheinungen aus?
Von Neuerscheinungen erfahren wir zunächst durch die Vertreter der großen Verlage, die zweimal im Jahr mit Katalogen zu uns kommen. Sie präsentieren uns die Angebote des nächsten halben Jahres. Diese Vertreter lesen natürlich selbst sehr viel, von ihnen erhalten wir unsererseits Empfehlungen. Außerdem besuchen wir die Buchmesse, auf der wir Anregungen erhalten. Unsere Entdeckungen geben wir dann an unsere Kunden weiter. Auf diesem Wege entstehen mitunter unsere eigenen Bestseller.
Bei Autoren, die schon zehn Bücher erfolgreich veröffentlicht haben, kann man außerdem davon ausgehen, dass auch das elfte gut laufen wird.
Zum Thema Bestseller: Welche Erfahrungen haben Sie denn mit Bestsellerlisten und halten Sie sich an diese, indem Sie die Regale damit bestücken?
Nein! (lacht) Wir haben tatsächlich eine sehr individuelle Auswahl, da wir schließlich unsere Kunden kennen und dementsprechend auch wissen, was hier gelesen wird. Natürlich gehören dazu auch Bestseller von der Bestsellerliste, nach diesen wird von uns jedoch eigentlich gar nicht bestellt. Viel mehr kaufen wir das ein, was uns gefallen hat. Wenn wir ein Buch also besonders mochten, empfehlen wir es besonders gern und haben es auch immer vorrätig. Das sind dann sozusagen unsere ›Lieblinge‹, die wir auch gerne anbieten. Die Listen selbst sind für uns insofern nicht relevant, als dass man sagen muss, dass diese von den Verlagen danach erstellt wurden, was Buchhändler beim Verlag gekauft haben – und nicht nach dem, was Kunden im Laden gekauft haben. Was an Exemplaren wirklich verkauft worden ist, ist aus einer solchen Bestsellerliste überhaupt nicht ersichtlich.
Wenn sie sagen, Ihr Bestand ist sehr individuell ausgewählt: Welche Rolle spielt regionale Literatur in Ihrer Buchhandlung?
Eine sehr große. Momentan gibt es, glaube ich, sieben oder acht Bildbände über Schmölln. Das ist für eine Stadt dieser Größe ziemlich viel. Ich glaube, der Sutton Verlag aus Erfurt hat gesagt, es gäbe nur noch eine kleine Stadt, über die es so viele Bildbände gibt wie über Schmölln, das ist Burg im Spreewald. Mit großen Städten wie Leipzig brauchen wir uns dabei nicht zu vergleichen. Aber alle ein, zwei Jahre kommt ein neuer Schmölln-Bildband oder ein neues Buch über Schmölln heraus. Die Schmöllner haben an solchen Publikationen großes Interesse und arbeiten aktiv an derlei Büchern mit.
Eine ganz andere Frage Welche Rolle spielt die Gestaltung eines Buches für Sie und Ihre Kunden, zum Beispiel Cover, Bindung, Papier oder Illustration? Wird ein ›schönes‹ Buch anders wahrgenommen, kommt es besser an?
Auf den ersten Blick sicherlich ja, denke ich. Aber wie bereits gesagt, unsere Kunden lassen sich gerne von uns beraten. Wenn meine Kollegin oder ich ein Buch lesen, dessen Inhalt uns absolut überzeugt, aber nicht das Cover oder die Art der Bindung, dann sagen wir das unseren Kunden ganz offen. In den meisten Fällen wird das Buch wegen seines Inhaltes trotzdem gekauft. Eine schöne Gestaltung ist also nicht alles.
Welche Rolle spielt denn Thüringer Literatur aus Vergangenheit und Gegenwart in Ihrer Buchhandlung?
Keine sehr große. Wir haben eben einen Thüringer Krimiautor im Sortiment, Rolf Sakulowski. Er hat unter anderem den Krimi Das Feengrottengeheimnis geschrieben, von dem wir hier bestimmt über 100 Exemplare verkauft haben. Gerade hat er ein neues Buch geschrieben, das wir bereits bestellt haben. Aber sonst ist es nicht so, dass die Kunden gezielt nach Literatur aus Thüringen fragen.
Eine abschließende Frage: Gibt es Themen, die Ihnen momentan besonders auf den Nägeln brennen, die für Sie besondere Relevanz haben?
Abgesehen von den Ausschreibungen für Schulbücher, von denen ich vorhin bereits gesprochen habe, fällt mir momentan tatsächlich nichts ein. Unsere Buchhandlung läuft gut.
Frau Mielke, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
Abb. 1-3: Fotos Pascal Quicker.
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