Dominique Horwitz – »Chanson d’amour«

Person

Dietmar Jacobsen

Ort

Weimar

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Dietmar Jacobsen

Erstdruck: Palmbaum, Heft 2/2018, Thüringer Literaturrat e.V.

Gele­sen von Diet­mar Jacobsen

In Wei­mar ticken die Uhren anders

 

In sei­nem Roman­de­büt Tod in Wei­mar hat Domi­ni­que Hor­witz sei­nen Hel­den Roman Kamin­ski, Drosch­ken­kut­scher und Frem­den­füh­rer im Thü­rin­ger Klas­si­ker­städt­chen, vor drei Jah­ren eine Mord­se­rie in der vom Marie-See­bach-Stift inspi­rier­ten »Villa Gründ­gens« auf­klä­ren las­sen. Neben­bei wur­den noch amü­sante Hiebe gegen Kul­tur­sub­ven­tio­nis­mus, die Aus­wüchse moder­nen Regie­un­we­sens, Wes­sis in Wei­mar und die Blind­heit der Regie­ren­den gegen­über den Gefah­ren von Rechts ver­teilt. Das Ganze kam als süf­fige Melange aus Regio­nal­krimi, augen­zwin­kern­der Real­sa­tire und Hom­mage an eine Gegend, in der sich der in Paris gebo­rene Autor seit gerau­mer Zeit eine neue Hei­mat mit allem Drum und Dran geschaf­fen hat, daher, wirkte manch­mal zwar ein wenig über­am­bi­tio­niert, gab im Gan­zen aber ein Ver­spre­chen auf die Zukunft des von nun an neben sei­nen Kern­kom­pe­ten­zen als Schau­spie­ler, Regis­seur und Chan­son­nier auch als Schrift­stel­ler Auf­tre­ten­den ab.

Diese Zukunft ist nun mit Chan­son d’amour, Hor­witz‹ zwei­tem Roman, ange­bro­chen. Und natür­lich hat sich inzwi­schen auch im Leben des wie­der im Mit­tel­punkt ste­hen­den, ein biss­chen nach des Autors eige­nem Bilde geform­ten Roman Kamin­ski eine Menge getan. Zwar sitzt der seine Klas­sik­erzi­tate aus dem Eff­eff beherr­schende Mann nach wie vor hin­ter sei­nen Pfer­den Wanda und Bis­marck auf dem Kutsch­bock, doch ist er inzwi­schen mit Laura, der Wir­tin der »Wil­helm-Meis­ter-Schänke«, ver­hei­ra­tet und die bei­den haben die fre­che Göre Chan­tal, die im Vor­gän­ger­band eine wich­tige Rolle spielte, adop­tiert. Also alles gut an der Ilm? Mitnichten!

Im alt­ehr­wür­di­gen Deut­schen Natio­nal­thea­ter hat mit dem Ein­zug des neuen Inten­dan­ten Johan­nes San­der näm­lich ein fri­scher Wind zu wehen begon­nen – ganz zum Miss­ver­gnü­gen des Chef­re­dak­teurs der ört­li­chen Zei­tung. Und weil die­ser Dr. Wolf von Nes­sel­röden seine Fin­ger nicht nur in allen kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Ange­le­gen­hei­ten in und um Wei­mar hat, son­dern auch ein Intri­gant reins­ten Was­sers ist, lässt er nichts unver­sucht, den unbe­que­men Neuen schnell wie­der aus »sei­ner« Stadt zu ver­trei­ben. Dumm nur, dass sich seine Frau Chris­tiane, Leh­re­rin am Musik­gym­na­sium Bel­ve­dere, aus­ge­rech­net in den vor Ein­fäl­len sprü­hen­den Thea­ter­mann ver­liebt hat und wil­lens ist, ihrer in jeder Bezie­hung unbe­frie­di­gen­den Ehe mit dem über­am­bi­tio­nier­ten Rän­ke­schmied so schnell wie mög­lich zu entfliehen.

Ja, man ahnt schon ziem­lich früh, was pas­siert: Così fan tutte zwi­schen Fürs­ten­gruft und Frau­en­plan, Wit­tums­pa­lais und »Ele­phant«, Ilm­park und Schloss Tie­furt, wo der erhitzte Thea­ter­gott seine Bel­ve­dere-Baja­dere nackt in die Flu­ten der Ilm lockt. Also jede Menge Lie­bes­auf und ‑ab, an dem sich schließ­lich nicht nur die unge­bremst in ihre erste Ehe­krise schlit­tern­den Kaminskis betei­li­gen – ein alter Ver­eh­rer Lau­ras ist wie­der auf­ge­taucht und ver­gif­tet das Klima in der »Wil­helm-Meis­ter-Schänke« ganz gewal­tig -, son­dern auch Adop­tiv­töch­ter­chen Chan­tal, die Hor­witz‹ Held und sein neu­ge­won­ne­ner Freund Johan­nes San­der schluss­end­lich sogar noch aus den Fän­gen einer Wei­ma­rer Puff­mut­ter befreien müssen.

So schlimm, wie man­cher sich das nun viel­leicht vor­stellt, ist Chan­son d’Amour frei­lich lange nicht. Denn Domi­ni­que Hor­witz ist nicht nur – wie sein Held – ein Segel‑, son­dern auch ein Schlitz­ohr. Und einem, der so gut und amü­sant schrei­ben kann wie der 61-Jäh­rige, ver­zeiht man schließ­lich sogar die Ste­reo­type und Kli­schees, von denen es in sei­nem Roman nicht wenige gibt. Ein Goe­the oder ein Schil­ler wird aus Hor­witz sicher nicht mehr wer­den. Doch unter­schätze man auch nicht die Leis­tun­gen eines Chris­tian August Vul­pius oder eines August von Kot­ze­bue, denen von nicht weni­gen zu ihrer Zeit der Vor­zug gege­ben wurde vor dem Klas­siker­duo. Und wenn die es damals in die Publi­kums­gunst geschafft haben, schafft Domi­ni­que Hor­witz es heute allemal.

 

  • Domi­ni­que Hor­witz: Chan­son d’amour. Roman. Mün­chen: Albrecht Knaus Ver­lag 2018, 336 Sei­ten, 20,- Euro.
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