Dieter Gleisberg – »Drei Herzen hat der Tintenfisch«

Person

Jens-Fietje Dwars

Ort

Altenburg

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Jens-F. Dwars

Erstdruck in: Palmbaum 1/2021 / Thüringer Literaturrat e.V.

Gele­sen von Jens‑F. Dwars

Fein geschlif­fen: Epigramme

 

Er war einst Direk­tor des Lin­denau-Muse­ums in Alten­burg, danach bis 1992 des Muse­ums der Bil­den­den Künste in Leip­zig. Nie­man­den über­rascht, dass Die­ter Gleis­berg im (Un-)Ruhestand die Göp­fers­dor­fer Aus­stel­lun­gen und deren Kunst­blät­ter betreut. So gab er zuletzt Gra­fik­map­pen und reich illus­trierte Hefte zu Luther, Rilke und Münch­hau­sen her­aus, die wir im Palm­baum bespro­chen haben. Doch bereits 2016 trat der Kunst­his­to­ri­ker als Schrift­stel­ler her­vor: Sein Band Krei­de­zeit ver­einte 80 Gedichte, Split­ter und Späne, soll hei­ßen: Verse und Aphorismen.

Ende 2020 nun erschien im Alten­bur­ger Rein­hold-Ver­lag seine Samm­lung von 111 Epi­gram­men: Drei Her­zen hat der Tin­ten­fisch. Epi­gramme waren ursprüng­lich im Grie­chi­schen Auf- oder viel­mehr Inschrif­ten auf Grab­ma­len oder Kunst­wer­ken. Phil­ipp von Zesen sprach von »Sinn­ge­dich­ten«, man könnte auch sagen: Apho­ris­men in Vers­form. Es ver­wun­dert daher nicht, dass Gleis­berg auf seine Apho­ris­men jetzt Epi­gramme fol­gen lässt: quasi als lyri­sche Stei­ge­rung. Die einen wie die ande­ren leben von der Lust an der Pointe, trei­ben den Witz einer Sache zutage. Beide Male mit Freude am Wort­spiel, an Mehr­deu­tig­kei­ten der Sprache.

Hier nun in Vers­form, und meist auch mit Rei­men wie in Nah und fern: »Das Dilemma uns­rer Zeit: / Vie­les ging uns zwar zu weit, / doch was hier und dort geschah, / ging uns sel­ten wirk­lich nah.«

Eine para­doxe Kunst der Ver­knap­pung: mit kür­zes­ter Form ein Maxi­mum an gedank­li­cher Schärfe und zugleich asso­zia­ti­ver Weite zu errei­chen: »Das elfte Gebot: / Schlag die Zeit nicht tot!«

Oder: Im Schat­ten der Debat­ten: »Oh, diese Streit­ham­mel bis aufs Mes­ser, / die zwar nichts wis­sen, aber alles besser!«

Und: Was nur noch zählt: »Der Sta­tus quo hat aus­ge­dient, / jetzt herrscht der Sta­tus Quote / der scham­los den Ver­stand ver­mint / mit Hor­ror, Farce und Zote.«

Frei­lich kann so ein geball­tes Feu­er­werk von Gedan­ken­split­tern auf Dauer anstren­gen. Dass dies hier nicht geschieht, liegt auch an Rolf Münz­ner. Wie schon im Band Krei­de­zeit ließ sich der Gra­fi­ker durch die Texte zu 22 »Phan­ta­sien« ganz eige­ner Art ver­füh­ren, die nun wie­derum den Augen der Leser Fut­ter geben und das Ganze zu einem Gesamt­kunst­werk steigern.

 

  • Die­ter Gleis­berg: Drei Her­zen hat der Tin­ten­fisch. 111 Epi­gramme und 22 Phan­ta­sien mit Feder und Pin­sel von Rolf Münz­ner, E. Rein­hold Ver­lag Alten­burg, 2020, 64 S., geb., EUR 14,80.
Diesen Artikel teilen:

Literaturland Thüringen‹ ist eine gemeinsame Initiative von
Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen · Thüringer Literaturrat e. V. · MDR-Figaro · MDR Thüringen – Das Radio

Gestaltung und Umsetzung XPDT : Marken & Kommunikation © 2011-2024 [XPDT.DE]
© Thüringer Literaturrat e.V. [http://www.thueringer-literaturrat.de]

URL dieser Seite: [https://www.literaturland-thueringen.de/artikel/dieter-gleisberg-drei-herzen-hat-der-tintenfisch/]