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Schriftsteller der Frühen Neuzeit
Sylvia Weigelt
Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projekts der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.
Bevor die Wartburg die Annehmlichkeiten einer mittelalterlichen Wohnburg bot, war der sog. Steinhof (weil aus Stein erbaut) Residenz der Landgrafen. Der Hof befand sich nördlich des Chores der Georgenkirche, etwa dort, wo heute das Residenzhaus steht. Hier verbrachte Elisabeth wohl ihre ersten Jahre am Thüringer Landgrafenhof – sofern man nicht an anderen Orten unterwegs war. Hier empfing auch das Paar Ludwig und Elisabeth noch Gäste, als die Wartburg schon eine komfortable Wohnburg war.
Die mitten in der Stadt gelegene Residenz war vermutlich auch der viel besungene Musenhof, an dem wir uns das vielseitige literarische Leben am Hofe Hermanns I. zu denken haben, das – historisch verbürgt – hinter der Sage vom »Sängerkrieg auf der Wartburg« steht.
Von hier aus sah 1321 Landgraf Friedrich der Gebissene (1307–1323) das Dramatische Spiel von den »Fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen«. Der Ausgang des Spiels, in dem selbst die Fürsprache einer Heiligen vor dem Jüngsten Gericht die Bestrafung durch das Fegefeuer nicht verhindern konnte, brachte den Landgrafen so auf, dass er einen Schlaganfall erlitt, an dessen Folgen er Monate später starb. Durch diese Episode sind Passionsspiele in Thüringen bereits für das 14. Jahrhundert nachgewiesen.
Luthers Lateinschule befand sich an etwa jener Stelle, wo jetzt das Residenzhaus steht. Die Schule sowie die Georgenpfarrei wurden 1507 abgerissen für einen Erweiterungsbau des Residenzhauses. Den Auftrag dazu erteilte Kurfürst Friedrich der Weise, der Luthers später auf die Wartburg »entführen« ließ. Das heutige Luthergymnasium im Predigerkloster (1236 als Kirche zu St. Elisabeths Ehre gestiftet), unweit der Georgenkirche, ist also nicht die Schule, die Luther besuchte. Aber Luther setzte sich nach dem Abriss »seiner« Schule dafür ein, dass die Lateinschule – nun das Martin-Luther-Gymnasium im Predigerkloster – ihr festes Domizil in einem damals leerstehenden Flügel des Prediger(Dominikaner)kloster erhielt.
Ein weiterer verschwundener Ort, den sowohl Elisabeth als auch Luther aufsuchten, war das Franziskaner(Barfüßer)kloster, das 1225 errichtet wurde. Es befand sich in unmittelbarer Nähe der städtischen Residenz der Landgrafen, zwischen Esplanade und jetzigem Residenzhaus.
Text: Elisabeths Karfreitagsgelübde
»In den Tagen vor dem Osterfest, an denen man allerorts der Leiden unseres Herrn Jesus gedenkt, befand sich Elisabeth in einer Stadt mit einem Franziskanerkloster, das sie selbst gestiftet hatte. Sie betrat die Kapelle, auch Konrad und einige andere Brüder waren zugegen. Wie es Brauch ist, hatte man Karfreitag zum Gedenken an den Erlöser, der nackt und bloß am Kreuz gehangen hatte, die Tücher und allen Schmuck von den Altären genommen. So schritt Elisabeth zu dem enthüllten Altar, legte ihre Hände darauf und leistete aus freiem Willen ein feierliches Gelübde. Sie gelobte, endgültig auf allen Glanz und Schmuck dieser Welt zu verzichten, und allem, worauf zu verzichten der Erlöser in der Heiligen Schrift rät, zu entsagen: ihrem eigenen Willen, ihren Eltern und sogar ihren Kindern. Zum Zeichen, dass sie dem unbekleideten Christus in Liebe und Armut nun vollends nachfolgen wollte, legte sie am Altar ihr Gewand ab.« (Brot und Rosen, S. 101)
Es scheint, als habe im 15. Jahrhundert das vielfach beklagte lose Leben von Mönchen und Nonnen auch im Eisenacher Barfüßerkloster Einzug gehalten, wird doch »von mancherlei wildem Leben und unredlicher Vorstehung« berichtet.
Philipp Melanchthon überliefert folgende Episode, die sich wohl auf dieses Kloster bezieht: Zusammen mit Luther habe er in Eisenach »ein Werk gesehen, das von den Papisten künstlich hergestellt war, ein Muttergottesbild, welches so eingerichtet war, dass ein Mönch es bewegen konnte; und je nachdem, ob einer Geld darbrachte oder mit leeren Händen kam, wandte Maria oder das Jesuskind das Antlitz dem Betenden zu oder von ihm ab.«
Wenn sich Luther später seiner »lieben Stadt« Eisenach dennoch gern erinnert, so haben auch die hiesigen Lehrer ihren Anteil daran. Waren seine bisherigen Schulen »Hölle und Fegefeuer«, in denen man durch »Steuben, Zittern, Angst und Jammer« kaum etwas gelernt habe, hört man über die Lehrer der Georgenschule nur Gutes. Der Rektor Johann Trebonius z. B. habe seine Zöglinge nie begrüßt, ohne zuvor sein Barett abgenommen zu haben. Als Erklärung für diese ungewöhnliche Geste gab er an, dass unter den Schülern gewiss mancher säße, aus dem Gott später einen Bürgermeister, Kanzler, hochgelehrten Doktor oder Regenten machen würde. – Wie Recht er doch mit seiner Ahnung hatte!
Doch die Schule war nur die eine Seite, die Luther für Eisenach einnahm. Eine andere Seite wird der – inzwischen verklärten – Beziehung zu Ursula Cotta, seiner »lieben Wirtin«, zugeschrieben.
Unmittelbar hinter dem Residenzhaus gelegen.
Abb. 1 aus: Die Minnesinger in Bildern. Insel-Bücherei, Nr. 450, Leipzig o. J. [ca. 1933] / Abb. 2: Foto: Sylvia Weigelt.
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