Das Gesetz der Serie – Eugenie Marlitt in Arnstadt
3 : Die Galeriehäuser

Personen

Eugenie Marlitt

Ludwig Bechstein

Orte

Arnstadt

Apotheke unter der Galerie in Arnstadt

Geburtshaus von Eugenie Marlitt

Thema

Von Goethes Tod bis zur Novemberrevolution

Autor

Cornelia Hobohm

Die Exkursion entstand im Rahmen eines Projektes der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V.

Die »Gute Stube« Arn­stadts wird vom präch­ti­gen Renais­sance-Rat­haus, reprä­sen­ta­ti­ven Bür­ger­häu­sern und einer Häu­ser­zeile geprägt, die von den Arn­städ­tern »die Gale­rie« genannt wird.

Eines der Gale­rie­häu­ser beher­bergt die Apo­theke, in der bereits Lud­wig Bech­stein 1818 seine Lehre antrat. Auch nach sei­ner Aus­bil­dung als Apo­the­ker blieb Bech­stein noch zwei Jahre in Arn­stadt und kehrte 1824 nach Mei­nin­gen zurück. Sagen aus Arn­stadt – beson­ders jene vom Meis­ter Wolf­ram und dem Bau der Türme der Lieb­frau­en­kir­che – sowie der nähe­ren Umge­bung, die er wan­dernd, stau­nend und for­schend durch­streifte, fin­den Ein­gang in seine spä­te­ren Sagensamm­lun­gen. Beson­ders ange­tan hatte es ihm der Sagen­schatz des Drei-Glei­chen-Gebie­tes, das er mit der »gan­zen Fülle der mit­tel­al­ter­li­chen Roman­tik« ver­band und in die­ser Auf­fas­sung auch prä­gen sollte.

Das äußere rechte Haus jedoch ist das Geburts­haus der Mar­litt. Hier erblickte die spä­tere Star­au­torin am 5. Dezem­ber 1825 unter dem Namen Frie­de­rike Hen­ri­ette Chris­tiane Euge­nie John das Licht der Welt. Sie war das zweite von vier Kin­dern der Fami­lie. Der Vater, Ernst John, ver­suchte als Kauf­mann, die Fami­lie zu ernäh­ren, was jedoch gründ­lich miss­lang. Er musste sein Geschäft auf­ge­ben und ver­diente sei­nen Unter­halt als Leih­bi­blio­the­kar sowie Por­trät­ma­ler. Einige sei­ner Bil­der sind erhal­ten geblie­ben – unter ande­rem eines, das seine Toch­ter als junge, noch hoff­nungs­volle Opern­sän­ge­rin zeigt. Euge­nie, in bür­ger­li­che, aber beschei­dene Ver­hält­nisse hin­ein­ge­bo­ren, erlebte eine glück­li­che und nach eige­nen Wor­ten unbe­schwerte Kind­heit. Zwei her­aus­ra­gende Fähig­kei­ten waren bereits in jun­gen Jah­ren erkenn­bar: das Talent zum Schrei­ben, bezie­hungs­weise Fabu­lie­ren, und eine aus­ge­prägte Musi­ka­li­tät. Als der Son­ders­häu­ser Musik­di­rek­tor auf Talent­su­che auch in Arn­stadt weilte, ent­deckte er die schöne Stimme der erst Sech­zehn­jäh­ri­gen und bot deren För­de­rung an. 1841 trat das Arn­städ­ter Fräu­lein seine Aus­bil­dung in Son­ders­hau­sen an und wurde fünf Jahre spä­ter zur »Fürst­lich Schwarz­burg-Son­ders­hau­sen­schen Cam­mer­sän­ge­rin« ernannt. Es hätte eine glän­zende Kar­riere fol­gen kön­nen – doch die Stel­len am Hof wur­den rigo­ros gekürzt, Euge­nie John musste sich als freie Künst­le­rin durch­schla­gen, bekam Enga­ge­ments in Kra­kau, in Wien, in Leip­zig und konnte sich in dem har­ten Geschäft der Bühne nur schwer behaup­ten. Ihr Lam­pen­fie­ber wirkte sich ver­hee­rend aus, ein Gehör­lei­den – wohl psy­cho­so­ma­ti­schen Ursprungs – ver­schlim­merte sich der­art, dass sie ihre Lauf­bahn auf­ge­ben musste. Aber­mals fing sie die Gunst der Fürs­tin Mat­hilde auf. Zunächst. Doch die bedrü­ckende Abhän­gig­keit von einer immer lau­ni­scher und unbe­re­chen­ba­rer reagie­ren­den Dienst­her­rin wirkte sich all­mäh­lich auf ihre eigene Gesund­heit aus.

Hoffnung

So ist, was kühn das Herz gewollt, zer­schellt
Der Hoff­nung Grün umhüllt mit Trau­er­flö­ren,
Es glim­men unter jener Trüm­mer­welt
Nur Wün­sche noch, die nicht der Welt gehö­ren,
Nicht jener Macht, die grau­sam sich gefällt
In ewi­gem Ver­nich­ten und Zer­stö­ren.
Ruh aus, empör­tes Herz, in dem Gedan­ken,
Daß Hoff­nungs­zweige sich ins Jen­seits ranken.

Wie schlimm muss es um den Zustand eines Men­schen ste­hen, der sol­che Verse der Hoff­nungs­lo­sig­keit – die nie für eine Ver­öf­fent­li­chung vor­ge­se­hen waren – nie­der­schreibt? In die­ser ver­zwei­fel­ten Situa­tion traf Euge­nie John einen fol­gen­schwe­ren Ent­schluss. Sie kehrte 1863 nach Arn­stadt zurück mit dem fes­ten Vor­satz, Schrift­stel­le­rin zu wer­den. Und sie fällte eine wei­tere kluge Ent­schei­dung: Ihre Manu­skripte schickte sie an die Redak­tion der »Gar­ten­laube«. Der Redak­teur Ernst Keil, gebür­ti­ger Lan­gen­sal­zaer, erkennt das Poten­tial der Prosa eines gewis­sen »Mar­litt« – er ging, natür­lich, von einem männ­li­chen Autor aus, der sich hin­ter die­sen Pseud­onym ver­barg – und legte somit den Grund­stein für eine bis dahin bei­nahe bei­spiel­lose Schrift­stel­ler­kar­riere. 1865 erschien die erste Erzäh­lung als Fort­set­zungs­ge­schichte in der auf­la­gen­star­ken Zeit­schrift, zwölf wei­tere Pro­sa­werke folg­ten bis 1888. Der letzte Roman wurde pos­tum ver­öf­fent­licht, nach­dem Wil­hel­mine Heim­burg ihn voll­endet hatte. Die Auf­lage der »Gar­ten­laube« stieg nach jedem neuen Werk der Autorin – und die Mar­litt lie­ferte, wor­auf die Leser die­ses durch­aus libe­ra­len Blat­tes warteten.

 Das Gesetz der Serie – Eugenie Marlitt in Arnstadt:

  1. Der Alte Friedhof
  2. Das Marlitt-Denkmal
  3. Die Galeriehäuser
  4. Der Markt
  5. Die Villa Marlitt
  6. Das Neue Palais und der Neideckturm
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