Antje Babendererde – »Sommer der blauen Wünsche«

Thema

Gelesen & Wiedergelesen

Autor

Klaus Jäger

Erstdruck in: Palmbaum 2/2021. Alle Rechte beim Autor. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Romanze ohne Effektlack

Gele­sen von Klaus Jäger

 

Tan­zen, trin­ken, flir­ten, her­um­al­bern – ver­langt die 17-jäh­rige Car­lin zu viel vom Leben? Ihre Gren­zen wer­den durch die manisch-depres­sive Mut­ter gezo­gen, an deren chao­ti­schem Leben in Ber­lin sie teil­nimmt. Doch dann der Schul­ab­schluss – die Mut­ter kommt nach einem »Schla­mas­sel« und nicht ganz ohne Car­lins Zutun in eine Kli­nik, und Car­lin erhält eine Ein­la­dung zu ihrer Groß­mutter in den Nor­den Schott­lands. Das ist die Situa­tion, in die Antje Baben­der­erde ihre Leser in »Som­mer der blauen Wün­sche« schickt. Fortan beglei­ten sie Car­lin auf ihrer Ent­de­ckungs­reise durch das Land ihrer Vorfahren.

Natür­lich begeg­net sie der Liebe, aber sie wird es ihr sehr schwer machen: Arran, bekannt als größ­ter Her­zens­bre­cher der Graf­schaft Suther­land und neben­bei als »arro­gan­ter Mist­kerl« sitzt nach einem Unfall im Roll­stuhl. Er säuft, er kifft und er ist alles andere als Schwie­ger­mut­ters Lieb­ling. Doch in sei­ner Gegen­wart ver­spürt Car­lin etwas Neues – und sie ist fest ent­schlos­sen, die Vor­ur­teile gegen den jun­gen Mann zu prü­fen. So ent­spinnt sich in der wil­den und rauen Land­schaft Schott­lands eine Geschichte um Clans und Landlords, um Iden­ti­tä­ten und Zuge­hö­rig­kei­ten, um Treue und Ver­rat. Dem alten Mackay gehö­ren die Län­de­reien rings um Cala­dale. Und ein nor­we­gi­scher Groß­in­ves­tor, der aus Schaf­far­men Golf­plätze machen will, unter­brei­tet ihm ein lukra­ti­ves Angebot …

Erwach­sen­wer­den und erste Liebe – das sind die bei­den klas­si­schen Zuta­ten zu soge­nann­ten Young-Adult-Büchern, die in ihren pas­tell­far­be­nen Covern die »jun­gen Abtei­lun­gen« der Buch­lä­den seit ein paar Jah­ren über­schwem­men. Damit ist das Genre, das die Älte­ren noch heute ganz zu Recht als »Jugend­bü­cher« bezeich­nen, einer zuneh­men­den Stig­ma­ti­sie­rung ausgesetzt.

Auch das Set­ting von Antje Baben­der­er­des »Som­mer der blauen Wün­sche« bie­tet reich­lich Platz für vor­her­seh­bare Wen­dun­gen und diverse Kli­schees. Zumal der Klap­pen­text die­sem Ver­dacht Vor­schub leis­tet, wenn sich »Ver­än­de­run­gen wie Sturm­wol­ken am Hori­zont zusammenbrauen«.

Doch die rou­ti­nierte und strin­gente Erzäh­le­rin in ech­ter Lager­feuer-Tra­di­tion umschifft in ihrer Romanze diese Klip­pen spie­lend und kommt ohne Effekt­lack und Bon­bon­far­ben aus. Und wenn die Figur des Arran etwas über­zeich­net wirkt, so bügelt das ihre Prot­ago­nis­tin Car­lin wie­der aus. Dass das Buch dem Leser so authen­tisch vor­kommt, liegt an der Arbeits­weise von Antje Baben­der­erde: Sie kennt jeden Fuß­breit ihres Schau­plat­zes aus eige­ner Anschau­ung, sie hat auch in die­sem Roman sorg­fäl­tig his­to­ri­sche Details recher­chiert und zu span­nen­den Neben­hand­lun­gen und ‑figu­ren ver­floch­ten: Künst­ler­ko­lo­nie und Clan-Kriege, alte Earls und neue Atom­kraft­werke sowie den Mör­der Donald McMurdo, den »loka­len Böse­wicht aus dem Mittelalter«.

Von den Neben­fi­gu­ren des Romans gefällt dem Rezen­sen­ten vor allem Bri­gid Munro mit ihren lan­gen wei­ßen Haa­ren, die »alte Hexe«, die in ihrer Ein­sie­de­lei eben nicht, wie es im Dorf heißt, »aus Spu­cke und Hüh­ner­kot Flü­che bas­telt«, son­dern sich als toughe und durch­aus moderne Frau entpuppt.

»Som­mer der blauen Wün­sche« ent­puppt sich auch: Als per­fekte leichte Som­mer­lek­türe für die Tage, in denen der Wind einen ohne­hin glau­ben lässt, man befände sich in den schot­ti­schen High­lands. Der Ver­lag emp­fiehlt das Buch ab einem Lese­al­ter von 14 Jah­ren. Eine Ober­grenze zieht er nicht. Zu Recht.

 

  • Antje Baben­der­erde: Som­mer der blauen Wün­sche, Roman, Arena-Ver­lag, Würz­burg 2021. 392 Sei­ten, 15 Euro-
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