Schreiben, um zu leben. Zum Tod des Schriftstellers Peter Drescher – Von Jens Kirsten

Person

Peter Drescher

Ort

Tiefenort

Thema

Nachrufe & Gedenken

Autor

Jens Kirsten

Thüringer Literaturrat e.V.

Ein Nach­ruf von Jens Kirsten

 

Peter Dre­scher wollte eigent­lich gar kein Schrift­stel­ler wer­den – und doch war ihm die­ser Weg bestimmt. 1946 im nord­böh­mi­schen Brüx gebo­ren, wuchs er nach der Aus­sied­lung aus dem Sude­ten­land im Bran­den­bur­gi­schen Koh­le­re­vier in Brieske auf. Bereits wäh­rend sei­ner Schul­zeit wurde er Volks­kor­re­spon­dent bei der »Lau­sit­zer Rund­schau«, doch dachte er damals nicht daran, das Schrei­ben zu sei­nem Beruf zu machen. Er begann eine Aus­bil­dung zum tech­ni­schen Zeich­ner in Lauch­ham­mer, die er abbre­chen musste, als man bei ihm einen Hirn­tu­mor dia­gnos­ti­zierte. Peter Dre­scher über­lebte die schwere Erkran­kung und fand wäh­rend der lan­gen Reha­bi­li­ta­ti­ons­phase zum Schrei­ben. Seine Arbei­ten waren so über­zeu­gend, dass er als Gast beim Schrift­stel­ler­ver­band des Bezir­kes Cott­bus auf­ge­nom­men wurde. Dre­scher begann dann als Sach­be­ar­bei­ter im Braun­koh­len­kom­bi­nat Senf­ten­berg zu arbei­ten und erst aus die­ser Stel­lung erar­bei­tete er sich nach und nach schrift­stel­le­ri­sche Frei­räume, unter­stützt vom Schrift­stel­ler­ver­band, der junge Talente förderte.

Neben dem bel­le­tris­ti­schen Schrei­ben, von dem er nicht leben konnte, schrieb er – auf ver­trau­tem Gebiet – jour­na­lis­ti­sche Texte für ver­schie­dene Zei­tun­gen. Schließ­lich absol­vierte er noch ein­mal eine Aus­bil­dung zum Buch­händ­ler und lei­tete danach eine Buch- und Kunst­hand­lung. Erst aus die­ser Stel­lung fand er sei­nen Weg zum frei­be­ruf­li­chen Schrift­stel­ler. Sein Debüt »Mon­tag fange ich an«, das 1977 in der Evan­ge­li­schen Ver­lags­an­stalt erschien, bil­det mit dem auto­bio­gra­phi­schen Roman »Hirn­ge­spinste« (2016) eine the­ma­ti­sche Klam­mer um sein lite­ra­ri­sches Werk. Dre­scher erzählt darin vom Leben eines Jun­gen, der unbe­schwert her­an­wächst und plötz­lich so schwer erkrankt, dass er zum Inva­li­den wird, bevor sein Leben über­haupt begon­nen hat. Diese prä­gende Lebens­krise wurde Peter Dre­schers lite­ra­ri­sches Leit­thema, ohne dass er an sei­nem eige­nen Schick­sal verzweifelte.

Anfang der 1980er Jahre folg­ten zwei Bände mit Erzäh­lun­gen. In »Bir­ken­hof« the­ma­ti­sierte Dre­scher das in der DDR weit­ge­hend tabui­sierte Thema vom Leben mit Behin­de­run­gen. 1987 erschien mit »Halbe Por­tion« ein ein­drucks­vol­les Jugend­buch, in dem Dre­scher den Weg einer jun­gen Frau zeich­net, die sich in ihrer Umge­bung, in der Gesell­schaft behaup­ten muss. Dre­scher wurde in den Schrift­stel­ler­ver­band auf­ge­nom­men. Nach dem Zusam­men­bruch der DDR zog er mit sei­ner Fami­lie nach Tie­fen­ort bei Bad Sal­zun­gen. In den fol­gen­den Jah­ren legte er über 15 Romane und Erzäh­lun­gen vor, die meist in klei­ne­ren Ver­la­gen erschie­nen. Dre­scher, der schon in der DDR mit der Evan­ge­li­schen Ver­lags­an­stalt einen Nischen­ver­lag für seine unan­ge­pass­ten The­men fin­den musste, schrieb auch nach der Wende nicht für den Mas­sen­ge­schmack. Er war einer, der – allen per­sön­li­chen und gesell­schaft­li­chen Wid­rig­kei­ten zum Trotz – bra­vou­rös unter Beweis gestellt hat, dass gute Lite­ra­tur nicht von gro­ßen Ver­la­gen abhän­gig ist.

Peter Dre­scher starb am 28. April 2021, nur wenige Monate nach sei­nem 75. Geburts­tag, in sei­ner thü­rin­gi­schen Wahl­hei­mat, in der er Wur­zeln geschla­gen hat. Er war Mit­glied im Ver­band deut­scher Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­ler und im Fried­rich-Böde­cker-Kreis für Thü­rin­gen. Wer mehr über Peter Dre­scher erfah­ren möchte, dem sei vor allem sein auto­bio­gra­phisch gepräg­ter Roman »Hirn­ge­spinste« emp­foh­len, in dem er nicht nur sein eige­nes wech­sel­vol­les Leben nach­zeich­net, son­dern auch die Geschichte sei­ner Genera­tion und sei­nes Landes.

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