Tagsüber musste Pasolini mit der GIL-Delegation am Programm der Weimarfestspiele teilnehmen. Am Abend besuchte er wahrscheinlich das Nationaltheater, das den Festspielteilnehmern ein besonderes Programm bot: Schillers Wallenstein-Triologie, Lessings »Minna von Barnhelm«, Goethes »Iphigenie« und Wagners »Meistersinger«.
Der Weg vom Theater zur Jugendherberge konnte in der Nacht bei bedecktem Himmel beschwerlich sein: »Wir verdunkeln von 21:30 Uhr bis 4:59 Uhr!« ermahnten die Zeitungen täglich ihre Leser.
Das Kinoprogramm dürfte den späteren Meisterregisseur in jenen Julitagen kaum interessiert haben. Das Burgtheater am Brühl zeigte »Die schwedische Nachtigall« mit Ilse Werner in der Hauptrolle, die Deutschen Lichtspiele in der Marktstraße präsentierten den Streifen »Irrtum des Herzens« mit Leny Marenbach in der Hauptrolle.
Das Abschlusskonzert am 17.06.1941 wird für Pasolini sicher eine Pflichtveranstaltung gewesen sein. Das Violinkonzert in A‑Dur von Mozart und die 9. Symphonie von Beethoven standen auf dem Programm, während die faschistische Kriegsmaschinerie über Europa hinwegrollte.
Während des Konzerts hielt ein Professor Frotscher aus Berlin in der Hochschule für Musik einen besonderen Vortrag: »Das Rasseproblem in der Musik«!
Gerhard R. und Per Paolo Pasolini tauschten zum Abschied ihre Anschriften. Auf dem Zettel des Italieners stand: Pasolini, Bologna, Via Nosadella 48.
Sie wechselten in den folgenden Jahren einige Karten und Briefe, die leider nicht mehr erhalten sind. Überrascht und neugierig verfolgte Gerhard R. den künstlerischen Werdegang des 1922 geborenen Autors und Regisseurs, soweit das im Nachkriegsdeutschland und später über die Grenzen der DDR hinweg möglich war, bis zum tragischen Tod Per Paolo Pasolinis im Jahr 1975.
Post Scriptum
Am 14. September 1942 wurde in Wien der »Europäische Jugendverband« gegründet, der im Rahmen eines marginalen nationalsozialistischen Europa-Konzepts besonders die europäische Jugend für die kulturelle, politische und wirtschaftliche Neuordnung Europas gewinnen wollte. An einer Tagung, die der Vorbereitung dieser Gründung dienen sollte, nahm Per Paolo Pasolini im Frühjahr 1942 in Dresden und Weimar teil. Bei diesem zweiten Aufenthalt traf er sich nicht noch einmal mit Gerhard R.
Foto 1: Mit freundlicher Genehmigung der Gedenkstätte Buchenwald / Foto 2: Ansichtskarte um 1940
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