Pier Paolo Pasolini in Weimar – Ein Spaziergang
2 : Vis-à-vis vom Schillerhaus

Ein Jugend­li­cher aus Wei­mar, der damals vier­zehn Jahre alte Ger­hard R., hatte ein beson­de­res Inter­esse, gerade der ita­lie­ni­schen Dele­ga­tion zu begeg­nen. Ger­hard liebte fremde Spra­chen. Und ihn trieb eine tra­di­tio­nelle, gänz­lich unpo­li­ti­sche Sehn­sucht um nach dem Land, indem auch 1941 noch immer die Zitro­nen blü­hen soll­ten. Mit weni­gen Wor­ten und Sät­zen aus­ge­rüs­tet, suchte er auf der Schil­ler­straße nach Ita­lie­nern, um seine auto­di­dak­tisch erwor­be­nen Sprach­kennt­nisse an ihnen zu erpro­ben. Aber die klei­nen uni­for­mier­ten Trupps, laut­stark und schein­bar stän­dig im Gleich­schritt auf und ab mar­schie­rend, ver­schreck­ten den schüch­ter­nen Ger­hard R.. Er wollte schon auf­ge­ben, als sein Blick auf einen abseits ste­hen­den jun­gen Mann fiel, der die Uni­form der GIL trug, aber eher reser­viert dem Trei­ben zwi­schen Wit­tums­pa­lais und Frau­en­tor zuschaute. Obwohl einige Jahre älter als R. sprach er ihn nach eini­gem Zögern an. Der Ita­lie­ner lächelte und stellte sich vor als Pier Paolo Paso­lini aus Bologna.

Paso­lini wohnte mit sei­ner GIL-Dele­ga­tion in der Jugend­her­berge am Wil­den Gra­ben. Er traf sich täg­lich mit Ger­hard R., der die Rolle des Cice­rone über­nahm und Paso­lini kreuz und quer durch Wei­mar führte. Eine Ver­stän­di­gung auf Ita­lie­nisch war nicht mög­lich, dazu reichte R.s Wort­schatz nicht aus. Paso­lini sprach nicht deutsch. Aus­ge­rech­net Eng­lisch bil­dete in die­sen Tagen, in denen die deut­schen Gazet­ten hem­mungs­los gegen Groß­bri­tan­nien wet­ter­ten, die Grund­lage für ihre Kon­ver­sa­tion. Natür­lich teilte R. die aktu­el­len Kriegs­nach­rich­ten mit, ohne sie zu kom­men­tie­ren. Er erin­nerte sich, dass Paso­lini sie ohne jede Regung zur Kennt­nis nahm. Über­haupt schien er sich gegen­über sei­nen eige­nen Land­leu­ten eher distan­ziert zu ver­hal­ten. R. erfuhr, dass Paso­lini etwas mit Lite­ra­tur stu­dierte, sein Vater Offi­zier war und er bei der Mut­ter wohnte.

 Pier Paolo Pasolini in Weimar – Ein Spaziergang:

  1. Empfang im Hotel Elephant
  2. Vis-à-vis vom Schillerhaus
  3. Frauenplan - Gasthaus »Zum Goethebrunnen« im Volksmund »Schmales Handtuch« genannt
  4. Park an der Ilm - vor dem Nadelöhr mit Blick zu Goethes Gartenhaus
  5. Theaterplatz - Deutsches Nationaltheater
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